Donnerstag, 12. Juli 2012

Drive

USA 2011 - Regie: Nicolas Winding Refn - Darsteller: Ryan Gosling, Carey Mulligan, Bryan Cranston, Albert Brooks, Oscar Isaac, Ron Perlman, Christina Hendricks, Tina Huang, Joe Pingue -  FSK: (Bluray US-Uncut-Version ab 18 / Sonstige: ab 16 (geäFs) - Länge: 101 min.

Der Driver (Ryan Gosling) arbeitet in L.A. tagsüber in einer Autowerkstatt und gelegentlich als Stuntman. Sein Geheimnis ist die professionelle Nebentätigkeit als Fluchtfahrer für Gangster. Driver hat einen präzisen geschäftlichen Codex: er bietet seinen Auftraggebern ein Zeitfenster von fünf Minuten, um ihren Job zu erledigen und das Fluchtfahrzeug zu erreichen. Schaffen sie es nicht, sind sie sich selbst überlassen, schaffen sie es, gehört der Driver ihnen – er muss seinen Job ohne Rücksicht auf die Konsequenzen erledigen. Driver arbeitet ohne Waffen, er beteiligt sich nicht an den Jobs, er ist auch nicht cool, sondern einfach nur selbstbewusst, schweigsam und distanziert. Als er seine Nachbarin Irene (Carey Mulligan) und deren kleinen Sohn kennenlernt, zeigt er seine einfühlsam Seite. Pech ist nur, dass Irene Manns bald aus dem Knast kommen wird und eine Menge Probleme mitbringt.

Kein Neo-Noir
Der dänische Nicolas Winding Refn hat mit „Pusher“ 1-3 (1996-2005) sein Interesse an Gangster- und Milieustudien unter Beweis gestellt. Sein Wikinger-Drama „Valhalla Rising“ (2009) schien eine Zäsur zu bedeuten, blieb thematisch aber mit einem zentralen Thema in den Filmen Refns verbunden: der expliziten Gewaltdarstellung.
In „Drive“ dauert es fast unheilschwangere 35 Minuten, ehe der Driver seine andere, gewalttätige Seite andeutet und noch länger, bis er sie exerziert. Als er einen Job für Irenes Manns übernimmt, gerät er in einen Komplott: Es geht um Millionen, die zwei Gangster (Ron Perlman, Albert Brooks) der Ostküsten-Mafia abjagen wollen. Driver erkennt, dass nicht nur er, sondern auch sein Freund und Arbeitgeber Shannon (Bryan Cranston, „Breaking Bad“), aber auch Irene auf der Abschussliste stehen. Driver begibt sich schweigend auf einen Rachefeldzug, der zu einem Blutbad wird.

Im Wesentlichen ist „Drive“ eine Mixtur aus Splatter, Post-Noir und klassischem Gangster-B-Movie. Der Begriff Neo-Noir, der im Zusammenhang mit Refns Film oft genannt wird, gefällt mir nicht. Die Übernahme klassischer Noir-Motive (Private Eye, komplexe Narrationen, Bad Women, strikter Pessimismus, Implosion des American Dream, Schwarz-Weiß-Ästhetik u.a.) durch Adaptionen in den späten 1970er Jahren (Chinatown) und danach vereinzelt bis in die 1990er Jahre (Heat) war motivisch nicht so locker an den Film noir angelehnt, wie dies heute der Fall ist (Departed, Memento, History of Violence, Gone Baby Gone, The Town, No Country for Old Men). Die zuletzt genannten Filme sollte man, wenn überhaupt, dem Post-Noir zuordnen – oder ganz einfach dem Gangsterfilm mit seinen Sub-Genres. Dazu gehört eigentlich auch „Drive“. Der Film erinnert durch die Eindimensionalität der Hauptfigur an die Gangster bei Melville, vielleicht auch ein wenig an Stanley Kubricks „The Killing“ und natürlich auch an Michael Mann, hat aber – auch aufgrund seiner straighten Erzählweise – eigentlich wenig Noir in sich.
Was „Drive“ so interessant macht, ist aber nicht seine kinematographische Bedeutung, sondern sein Alleinstellungsmerkmal: Refn setzt auf splatterige Gewalteinlagen, ohne dieses Thema so interessant zu verhandeln, wie dies David Cronenberg mit „A History of Violence“ gelungen ist. Nach eigenen Aussagen war Refn sehr auf die Beziehung zwischen dem Mechanischen und dem Menschlichen seiner Hauptfigur fokussiert. Die Autoverfolgungsjagden dienten dagegen eher als Metaphern für die emotionale Verfassung des „Driver“. Restlos überzeugen kann dies nicht, aber „Drive“ besitzt durchaus, auch dank seines unkonventionellen Scores, über sehenswerte Qualitäten, auch wenn der Film meiner Meinung nach keinen Kultstatus verdient.

Technik
Die Bluray ist technisch State of The Art, verärgert aber durch einen ungewünschten Download zu Beginn, ohne dass man weiß, was da runtergeladen wird. Auch das langatmige Laden eines Trailers sollte man besser durch temporäres Abschalten der Netzwerkverbindung vermeiden, sonst kann es lange dauern, bis der Hauptfilm läuft. Die Extras bieten neben dem ‚Making of’ auch eine B-Roll, einige Interviews mit den Darstellern und natürlich längere Ausführungen von Nicolas W. Refn, die aber nicht sonderlich erhellend sind.

Noten: BigDoc = 3