USA 2012 - Regie: Marc Webb - Darsteller:
Andrew Garfield, Emma Stone, Rhys Ifans, Denis Leary, Campbell Scott, Martin
Sheen, Sally Field, Chris Zylka, Irrfan Khan, Embeth Davidtz, Denis Leary, C.
Thomas Howell, Annie Parisse - FSK: ab 12 - Länge:
136 min.
Am Ende des
gefälligen Franchise-Produkts aus dem Marvel-Universum landen wir wieder in der
High-School. Die Dozentin spricht davon, dass es in der Literatur zehn Plots
gäbe, die festlegen, wie man Geschichten erzählt. Tatsächlich aber, so merkt
sie an, gäbe es nur einen. Welche Pointe sie nun aber den Zuhörern präsentiert,
ist hier nicht wichtig. Spannender ist die Sache mit den zehn Plots: sie stimmt
nämlich eher, nur dass bereits seit einigen Jahren nicht mehr die Plots
variiert werden, sondern nun auch die kompletten Geschichten wiederholt werden.
„The Amazing Spider-Man“ gehört zu diesen Remakes, die eigentlich niemand
braucht, aber scheinbar funktionieren diese Filme beim Publikum.
Halt wie die Brötchen am Samstag: sie schmecken immer gleich, aber verzichten möchte man auf sie nicht.
Halt wie die Brötchen am Samstag: sie schmecken immer gleich, aber verzichten möchte man auf sie nicht.
The same
Procedure as every Year
Junger Mann
wird von einer Spinne gebissen und entdeckt plötzlich ganz neue Fähigkeiten.
Junger Mann probiert sie aus und stellt fest, dass er ein Superheld ist, der
sich in die Tiefen zwischen den Wolkenkratzer von Lower Manhattan werfen kann
und sich wie eine Spinne an langen Fäden blitzschnell fortbewegen kann. Junger
Mann zwängt sich ein Kostüm und entwickelt dazu das passende Branding. Junger
Mann entdeckt ein Love Interest, was recht nett werden könnte, wäre da nicht
der bornierte Herr Papa. Und junger Mann muss zumindest die Stadt, wenn nicht
gar die ganze Welt, vor einer Dr. Jekyll und Mr. Hyde-Echse retten, die den ärmlichen Rest der Menschheit in
reptilartige Supermutanten verwandeln will.
Schon mal gesehen? Natürlich,
jedenfalls so ähnlich! Gerade mal zehn Jahre sind seit Sam Raimis Spider-Man ins Land gegangen. Zusammen mit Teil 2 und 3 setzte Raimis erfolgreiche Trilogie neue Maßstäbe bei
Comic-Verfilmungen und sammelte 2,5 Mrd. US-Dollar ein, dann beendeten
Streitigkeiten über das Drehbuch für Teil 4 die Zusammenarbeit der Erfolgscrew
und ihrer Geldgeber. SONY musste aus lizenzrechtlichen Gründen dennoch nachlegen
und beschloss kurzerhand, alles auf null zu setzen. Mit „The Amazing
Spider-Man“ erzählen nun SONY und Marc Webb (in seinem zweiten Spielfilm nach „(500)
Days of Summer“, 2009) die Geschichte einfach von vorne - ohne Toby Maguire, Kirsten Dunst und Regisseur
Sam Raimi. Im Wesentlichen ähnelt das Remake damit dem ersten Teil, nur dass
Spider-Man sich diesmal in Gwen Stacy statt in Mary Jane Watson verliebt, was der
Comic-Vorlage durchaus entspricht, und dass nun auch Spider-Mans Gegenspieler
einige Nummern blasser geraten ist.
With great
Power comes great Responsibility
Sam Raimi
hatte in seiner Trilogie ein spannendes Ensemble um sich versammelt. Von einem
Remake erwartet man natürlich frischen Wind. Dies ist beim Casting durchaus
gelungen. Auch das Drehbuch von James Vanderbilt („Zodiac“), überarbeitet von
dem 85-jährigen Veteran Alvin Sargent, der auch im Script-Team von Sam Raimis
„Spider-Man“ 2 und 3 war, hat in diesem Punkt erkennbar an der Schraube
gedreht.
War der Spider-Man von Toby Maguire noch ein introvertierter und etwas moralinsaurer Typ, so gibt Andrew Garfield (u.a. „Boy A“, 2007; „Yorkshire Killer“, 2009, „Das Kabinett des Dr. Parnassus“, 2009, „The Social Network“, 2010) den Spinnenmann deutlich hipper.
Am Anfang entschuldigt sich sein Spider-Man noch höflich, als er auf obligatorische Weise böse Jungs in der U-Bahn verdrischt, dann aber entwickelt er seine Fähigkeiten mit offenkundig narzisstischer Begeisterung und einer Menge cooler Sprüche.
Eher auf ambivalente Charaktere festgelegt, gibt Garfield seiner Figur nicht nur eine frische und unverbrauchte Lässigkeit, für die Toby Maguire in Spider-Man 3 noch mutieren musste, um sie fröhlich genießen zu können, sondern er muss sich auch mit einem alten Familientrauma herumschlagen: den jungen Peter Parker haben dereinst die Eltern in einer Nacht-und-Nebel-Aktion bei Onkel Ben und Tante May zurückgelassen, bevor sie aus mysteriösen Gründen verschwanden und später ums Leben kamen.
Die Mischung aus kindlicher Verwundbarkeit und juveniler Begeisterung bekommt der 29-Jährige recht ordentlich hin. Anfangs noch ein wenig verdruckst und ständig mit dem Skateboard unterwegs, entwickelt sich Spider-Man zu einem verspielt selbstbewussten Helden, dessen freches Grinsen verrät, dass er durchaus um seine Wirkung beim anderen Geschlecht weiß. Andrew Garfield ist alles andere als ein moralischer Saubermann und für das notwendige Comic Relief im Film sorgt er selbst.
War der Spider-Man von Toby Maguire noch ein introvertierter und etwas moralinsaurer Typ, so gibt Andrew Garfield (u.a. „Boy A“, 2007; „Yorkshire Killer“, 2009, „Das Kabinett des Dr. Parnassus“, 2009, „The Social Network“, 2010) den Spinnenmann deutlich hipper.
Am Anfang entschuldigt sich sein Spider-Man noch höflich, als er auf obligatorische Weise böse Jungs in der U-Bahn verdrischt, dann aber entwickelt er seine Fähigkeiten mit offenkundig narzisstischer Begeisterung und einer Menge cooler Sprüche.
Eher auf ambivalente Charaktere festgelegt, gibt Garfield seiner Figur nicht nur eine frische und unverbrauchte Lässigkeit, für die Toby Maguire in Spider-Man 3 noch mutieren musste, um sie fröhlich genießen zu können, sondern er muss sich auch mit einem alten Familientrauma herumschlagen: den jungen Peter Parker haben dereinst die Eltern in einer Nacht-und-Nebel-Aktion bei Onkel Ben und Tante May zurückgelassen, bevor sie aus mysteriösen Gründen verschwanden und später ums Leben kamen.
Die Mischung aus kindlicher Verwundbarkeit und juveniler Begeisterung bekommt der 29-Jährige recht ordentlich hin. Anfangs noch ein wenig verdruckst und ständig mit dem Skateboard unterwegs, entwickelt sich Spider-Man zu einem verspielt selbstbewussten Helden, dessen freches Grinsen verrät, dass er durchaus um seine Wirkung beim anderen Geschlecht weiß. Andrew Garfield ist alles andere als ein moralischer Saubermann und für das notwendige Comic Relief im Film sorgt er selbst.
Emma Stone
(„Zombieland“, 2009, „Crazy, Stupid, Love“, 2011, „The Help“, 2011) als Gwen
Stacy passt dagegen aus anderen Gründen in den Film Zum einen ist sie zurzeit
auch privat mit Andrew Garfield liiert, aber die 24-jährige mit dem Schuss fröhlicher
Naivität entspricht auch sonst einem Plot, der eher auf ein pubertierendes
Publikum abzielt und daher wenig Tiefenschärfe in der Figurenzeichnung
benötigt.
Die Nebenfiguren sind stimmig besetzt: Martin Sheen sammelt als „Onkel Ben“ kräftig Punkte bei dem Versuch, Peters moralisches Gewissen zu sein, während die zweimalige Oscar-Preisträgerin Sally Field als Peters Tante May sehr nuanciert spielt.
Die Nebenfiguren sind stimmig besetzt: Martin Sheen sammelt als „Onkel Ben“ kräftig Punkte bei dem Versuch, Peters moralisches Gewissen zu sein, während die zweimalige Oscar-Preisträgerin Sally Field als Peters Tante May sehr nuanciert spielt.
Das gute
Ensemble kann natürlich nur begrenzt gegen einige Simplifizierungen des
Drehbuchs, dafür sind einige Figuren einfach zu holzschnittartig angelegt. Und
so geht es in Marc Webbs Version nur
scheinbar erneut um das Problem der Verantwortlichkeit: Was fängt man mit
seinen Superkräften an, wann man gerade mitten in der Adoleszenz steckt? Tatsächlich
aber interessiert sich „The Amazing Spider-Man“ eher für die Frage: Wie erklärt
man es seinen Freunden und wie bringt man danach den Bösewicht zur Strecke?
Frage 1 wird verblüffend
schnell beantwortet. Bemühte sich Sam Raimis Spider-Man noch um eine gewisse Diskretion,
so wissen in Marc Webbs Version die wichtigsten Protagonisten recht schnell,
wer Peter Parker in Wirklichkeit ist. Dies nimmt der Story natürlich etwas Wind
aus den Segeln, richtet aber dadurch ablenkungsfrei den Focus auf den
Gegenspieler Peter Parkers, den „Lizard“ aka Dr. Curt Connors, der nicht nur in
Peters düsteres Familiengeheimnis verstrickt ist, sondern auch ganz persönliche
Motive hat, um dank genetischer Manipulationen dauerhaft abgetrennte
menschliche Gliedmaße nachwachsen zu lassen. Leider geht einiges schief und
Connors verwandelt sich in eine intelligente Mag-Echse, die eine verquaste
Übermenschen (oder Über-Reptilien?) -Philosophie vertritt.
Bei der
Antwort auf Frage 2 verliert der Film allerdings nach Punkten – und das bereits
in der zweiten Runde, denn „The Amazing Spider-Man“ präsentiert uns kindlich
und hausbacken, aber damit vermutlich zielgruppengerecht, mit seinem Bösewicht ein
Auslaufmodell. Waren die boshaften, schlagfertigen und charismatischen
Antagonisten der großen Superhelden in den letzten Jahren nicht stets auf
Augenhöhe? An Marc Webbs Film scheint dies spurlos vorbeigegangen zu sein. Der
Versuch, den Gegenspieler von Spider-Man als getriebenen, aber nicht
unsympathischen Mad Scientist zu präsentieren, kommt über die üblichen
Genreklischees nicht wesentlich hinaus, und auch der „Lizard“ ist eher ein
polteriger Godzilla im Schrumpfformat. So gesehen ist Marc Webbs von einigen
Filmkritikern beschworener psychologischer Mehrwert beim zweiten Blick auf
Figuren und Handlung eher ein Rückfall in längst verbrauchte Erzählmuster.
Dabei hätte sich SONY einfach nur an Onkel Bens Motto halten müssen: With great Power comes great Responsibility.
Dabei hätte sich SONY einfach nur an Onkel Bens Motto halten müssen: With great Power comes great Responsibility.
Bleibt nur
noch die Technik.
Schön, dass alles auch in 2D klappt!
Nimmt man
versuchsweise mal die Brille im Kino ab, so überlebt man eine Überraschung:
einige Szene, die so schön räumlich aussehen, sind schlicht und einfach
zweidimensional produziert worden. Ganz solide mit den klassischen Bordmitteln
der geringen Tiefenschärfe umgesetzt und nicht weniger überzeugend.
Und das ist auch das große Plus von Webbs Comic-Remake: 3D wird sparsam eingesetzt und nur dort, wo die Technik wirklich einen erkennbaren Mehrwert für die Inszenierung des Raums abwirft. Das ist angenehm, plakative 3D-Effekte auf Rummelplatz-Niveau bekommt man also nicht um die Ohren gehauen. Und es zeigt eine angenehme Zurückhaltung und Distanz der Macher, die erkennen lässt, dass man den filmischen Raum auch ohne die dritte Dimension ins Bild setzen kann.
Und das ist auch das große Plus von Webbs Comic-Remake: 3D wird sparsam eingesetzt und nur dort, wo die Technik wirklich einen erkennbaren Mehrwert für die Inszenierung des Raums abwirft. Das ist angenehm, plakative 3D-Effekte auf Rummelplatz-Niveau bekommt man also nicht um die Ohren gehauen. Und es zeigt eine angenehme Zurückhaltung und Distanz der Macher, die erkennen lässt, dass man den filmischen Raum auch ohne die dritte Dimension ins Bild setzen kann.
Kräftige
Abzüge in der B-Note gibt es dafür beim CGI: sowohl das animierte Reptil als
auch Spider-Man wirken nicht bewegungsgetreu, sondern überdreht und unrund.
Alles ein wenig zu schnell, alles ein wenig zu ruckelig. Das geht besser und
SONY sollte wissen, dass auch der Kinogänger dies weiß.
Fazit:
Jüngere Kinogänger ohne Interesse für die jüngere Kinogeschichte bekommen ihr
Popcorn-Kino. Ältere müssen eine Portion Humor und Gelassenheit
mitbringen, um ihren Frieden mit „The Amazing Spider-Man“ zu machen. Richtig
schlecht ist der Film nicht, aber wirklich brauchen tun wir ihn nicht.
Noten: BigDoc
= 4
Postskriptum:
Ärgerlich war die Beobachtung, dass einige deutsche Kritiker über den Film so
geschrieben haben, als hätten sie den aktuellen SONY-Flyer in die Hand gedrückt
bekommen. Eigentlich habe ich noch nie so viele Kritiken gelesen, die in Stil
und Inhalt so klangen, als seien sie von der Marketing-Abteilung des deutschen
Verleihes vorformuliert worden. Man sollte dies im Auge behalten.