Natürlich gibt es Bond-Fans,
die lieber sehen würden, wie ein 85-jährigen Roger Moore durch die Wüste rennt,
als den bartstoppeligen und (fast) abgehalfterten Daniel Craig, der in
„Skyfall“ dann auch noch mit Pauken und Trompeten durch den Eignungstest für
Außeneinsätze fällt. Aber so ist es nun mal: 50 Jahre lang hat uns der
britische MI6-Agent mit der Lizenz zum Töten mehr oder weniger gut unterhalten
– und immer war er ein Kind seiner Zeit. Und smarte Helden im Smoking,
ausgerüstet mit zahllosen Gimmicks, sind heuer nicht mehr angesagt. Heute sind
die Helden allesamt beschädigt.
Zerrupfte Helden und charmante Bösewichter
In „Skyfall“ gibt es nach
vierjähriger Pause eine Menge Beschädigungen: Bond wird gleich zu Anfang von
„M“ (Judi Dench) mehr oder weniger zum Abschuss freigegeben und später wird „M“
nicht nur einmal anderen vorrechnen, wann und wo sie einen Agenten geopfert
hat, um vielen anderen das Leben zu retten. „Skyfall“ ist damit auch eine
Geschichte über professionelle Loyalität und gekränkte Liebe.
Dazu passt ganz gut, dass
der Held diesmal ziemlich zerrupft auf Tauchstation geht. Nachdem er
versehentlich „erschossen“ wurde, hängt er billigen Schnapsbunden ab und nimmt
Wetten an, bei denen es darum geht, einen Drink zu nehmen, während ein Skorpion
auf dem Handrücken sitzt. Natürlich sticht der dann nicht zu, aber wenn Bond schon
nach einer halben Stunde zum Kneipenheld mutiert, werden viele Bond-Fans heftig
schlucken.
Klar, dass er bald wieder
gebraucht wird und an die Front zurückkehrt, in das Reich der „Schatten“, für
das sich „M“ vor einem Regierungsausschuss verantworten muss. So weit ist das
MI6 also gekommen! Klar, dass Bond das Spiel wieder spielen will, denn seine
liebste Passion ist die „Auferstehung“, wie er dem Gegenspieler Raoul Silva (Javier
Bardem) lakonisch mitteilt. Nun geht es in „Skyfall“ aber nicht um religiöse
Motive, sondern schlichtweg um biblische Rache, denn Silva gehörte als
„Liebling“ von „M“ einst zu den tragischen Helden, die zum Wohl des Empires
geopfert werden mussten. Nun will er „Mami“ aus nachvollziehbaren Gründen an
den Kragen und zu diesem Zweck enttarnt er bei YouTube britische
Auslandsagenten.
Bonds Gegenspieler ist also
Bonds Ebenbild und sein böse Spiritus Rector in Sachen Geheimdienst und
pessimistischer Lebensanschauung. Bardem spielt diese Rolle mit Grandezza – ein
böser Charmbolzen, der seinen gefesselten Widersacher schon einmal zärtlich
streichelt und auch sonst einige Fragen zu seiner sexuellen Orientierung
unbeantwortet lässt. In seinen besten Szenen lässt Bardem auf jeden Fall viele
Ex-Bond-Gegenspieler wie verkalkte Wackelgreise aussehen (seine Ratten-Analogie
ist grandios gespielt) und er gibt dem Affen viel Zucker, denn Bond muss sich
schließlich auch damit auseinandersetzen, dass „M“ bereit war, über seine
Leiche zu gehen. Aber Bond ist zu wenig introvertiert, um Vaterland und MI6 im
Stich zu lassen und so geht er dem Schurken mit der wortwörtlichen Gemeinheit
einer Ratte an den Kragen, auch wenn er letztendlich mehr mit ihm gemein hat als
zu er zugeben möchte.
Visuell kraftvoller Film
Natürlich gibt jede Menge
Bond-gerechte Action, allein das Intro, in dem Bond mit einem Schaufelbagger
auf einem fahrenden Zug zum Angriff übergeht, ist das Geld schon wert. Aber was
dem Film über weite Strecken gut tut, dass ist der ausgewogene Rhythmus, den
Sam Mendes („American Beauty“ „Zeiten des Aufruhrs“) seinen Figuren mit auf den
ungewissen Weg gibt.
Mendes, der nicht gerade häufig hinter der Kamera steht (sechs Kinofilme seit 1999), hat ein schönes Gefühl für Timing und gibt dem dramatischen Dreigestirn „M“ – Bond – Silva genau die Zeit, die benötigt wird, um die verkappte Geschichte von der bösen Mutter und ihren toughen Jungs glaubwürdig zu erzählen. Dabei wirkt Daniel Craig, an dessen stoischer Miene und dem unerbittlichen Sarkasmus die meisten, aber längst nicht alle Gefühle abperlen, noch als Mime mit der geringsten emotionalen Tiefenschärfe.
Mendes, der nicht gerade häufig hinter der Kamera steht (sechs Kinofilme seit 1999), hat ein schönes Gefühl für Timing und gibt dem dramatischen Dreigestirn „M“ – Bond – Silva genau die Zeit, die benötigt wird, um die verkappte Geschichte von der bösen Mutter und ihren toughen Jungs glaubwürdig zu erzählen. Dabei wirkt Daniel Craig, an dessen stoischer Miene und dem unerbittlichen Sarkasmus die meisten, aber längst nicht alle Gefühle abperlen, noch als Mime mit der geringsten emotionalen Tiefenschärfe.
Fürs Visuelle war diesmal
Roger Deakins („Fargo“, „A Beautiful Mind“, „No Country for Old Men“, „Der
Vorleser“, „Zeiten des Aufruhrs“) verantwortlich, der seit 1975 für einige der
besten amerikanischen Filme an der Kamera gestanden hat. Deakins gehört eher zu
den klassischen Künstlern, denen es am Herzen liegt, das genau zu zeigen, was gesehen werden muss. Statt Wackelkamera
und verrissener Schwenks, die zu einem 1-Sekunden-Schnittgewitter montiert
werden, gehen von Deakins Bildern Gelassenheit und Anschaulichkeit aus,
Eigenschaften, die nicht mehr die Regel sind im zeitgenössischen Actionkino.
Und so kommt es dazu, dass „Skyfall“ einer der visuell kraftvollsten Filme der
50-jährigen Bond-Ära geworden ist.
Trotzdem: 50 Jahre nach „Dr.
No“ hat sich viel geändert. Das Franchise hat dabei einen konsequenten Weg
gewählt: die Schurken sind nicht einfach nur irre und größenwahnsinnig, sie
sind Teil einer Welt, in der die Gegensätze zwischen Gut und Böse alles andere
als klar zu beschreiben sind; „M“ muss sich von ihrem potentiellen Nachfolger
Gareth Mallory (Ralph Fiennes) vorhalten lassen, das man in einer Demokratie
lebe und nicht einfach tun und lassen kann, was man möchte und Bond muss wohl
oder übel eine Reise in die eigene Vergangenheit antreten, die an alter
Jugendstätte in den schottischen Highlands endet, dort wo das Grab seiner
Eltern ist. Auch die Gimmicks sind bescheidener geworden und „Q“ ist ein junger Nerd („Die
Zeiten, in denen wir explodierende Bleistifte gemacht haben, sind vorbei!“), der
Bond ganz nebenbei erklärt, dass er in einer halben Stunden am Computer mehr
Unheil anrichten kann als Bond in einem Jahr.
Aber eins ist dann doch so geblieben wie es immer war: harte Jungs wie James Bond sind auch in einer ambivalenten Welt am Ende die, die im Chaos eine verlässliche Konstante abgeben – ich denke, in 50 Jahren wird das nicht anders sein.
Aber eins ist dann doch so geblieben wie es immer war: harte Jungs wie James Bond sind auch in einer ambivalenten Welt am Ende die, die im Chaos eine verlässliche Konstante abgeben – ich denke, in 50 Jahren wird das nicht anders sein.