Samstag, 5. Januar 2013

Der Hobbit: Eine unerwartete Reise

USA / Neuseeland 2012 - Originaltitel: The Hobbit: An Unexpected Journey - Regie: Peter Jackson - Darsteller: Martin Freeman, Ian McKellen, Cate Blanchett, Ian Holm, Christopher Lee, Hugo Weaving - Prädikat: wertvoll - FSK: ab 12 - Länge: 169 min.

Mit „Der Hobbit“ schickt Peter Jackson erneut einen Helden aus dem Auenland auf eine unerwartete Reise und toppt alles, was man bislang im Fantasy-Film zu sehen bekam. Die Verfilmung von J.R.R. Tolkiens „Hobbit“ punktet mit exzellenter Bildtechnik, überwältigenden Bildern, viel Pathos und Humor, bekommt aber zum Schluss das Actiongewitter nicht ganz in den Griff.

Mit der Trilogie „Der Herr der Ringe“ (2001 – 2003) legte Peter Jackson eine Adaption der erflogreichen Jugendbücher von J.R.R. Tolkien vor, die Filmgeschichte schrieb und die Latte für Fantasy-Filme ziemlich hoch auflegte. Diese wurde dann auch mehrfach gerissen und so gehört die Trilogie nach wie vor zu den bleibenden Kinomythen, aber auch zu den größten Kassenerfolgen der Kinogeschichte.
Mehr als zehn Jahre später ist Jacksons Beginn einer neuen Trilogie über das Gute und Böse in Mittelerde auf dem Weg, ein ähnlicher Box Office-Hit zu werden: fast 760 US-Dollar hat der „The Hobbit – An unexpected Journey“ bereits eingespielt, den größten Teil davon im Ausland.

Wenn die alte Rezeptur stimmt, dann braucht man keine neue

13 Zwerge wollen in „Der Hobbit“ den verlorenen Glanz ihres alten Reiches zurückgewinnen. Angeführt vom legendären Thorin Eichenschild, einem Nachfahren der alten Zwergenkönige, und heimlich geleitet vom Zauberer Gandalf, soll der etwas weltfremde Hobbit Bilbo Beutlin mit auf die Reise gehen. Ausgerechnet als Meisterdieb, so will es Gandalf.
„Er schützt mich vor meiner Angst“, konstatiert der Zauberer, und auch wenn Bilbos Motivation, der kampflustigen Gruppe dann nach anfänglichem Widerstand doch zu folgen, mit psychologischer Plausibilität so gut wie nichts zu tun hat, merkt man doch gleich: Es ist alles, wie es war.
Da sind sie: eine Gruppe von Gefährten, nur dass der kleine Hobbit sich im Gegensatz zum ‚auserwählten’ Frodo erst noch seine Sporen verdienen muss. Abenteuer warten auf die Gefährten, denn um das untergegangene Zwergenreich wieder erstehen zu lassen, muss der böse Drache Smaug besiegt werden. Und auch ein Berg ist erneut das Ziel, diesmal ist es der Einsame Berg, der unheilvoll an das vertraute Böse jenseits von Mittelerde und weit im Osten erinnert. Und auch sonst gibt es wenig Überraschendes: fiese Orks und dämliche Trolle stellen sich den Helden in Weg, aber da gibt es auch die guten Elben, mit denen nur die Zwerge gewisse Animositäten in Sachen Geschichtsbewältigung pflegen, und natürlich tauchen Gollum und sein ‚Schatz’ auf – jener Ring, der seinen Besitzer unsichtbar macht.

„Der Hobbit“ funktioniert ziemlich gut als Prequel, das möglichst alles beim alten lässt. In einem Prolog taucht der alte Bilbo auf, der seine Geschichte erzählt, während einige Flashbacks vom Untergang des Zwergenreiches andeuten, dass der „Hobbit“ alles andere als ein gewaltfreier Märchenfilm werden wird. Dann folgt ein fast vierzigminütiger Prolog im Auenland, der vom Zusammentreffen der Zwerge erzählt, die zunächst einmal Bilbos Vorratskammer plündern, um dann alles in eine Gesangseinlage ausarten zu lassen.
Die durchaus humorige Exposition gehört mit zum Besten, was der Film zu bieten hat, nur merkt man dies nicht auf Anhieb. Aber ohne das ruhige Erzähltempo, mit dem Peter Jackson sein Schiff in See stechen lässt und mit dem auch seine Protagonisten ein Gesicht bekommen, würde der Zuschauer wohl vom anschließenden Actiongewitter völlig erschlagen - gutes narratives Timing, das im positiven Sinne ein wenig an David Lean erinnert.

Old School ist auch die gute Ausarbeitung der einzelnen Figuren. Das gilt für Martin Freeman (Dr. Watson in „Sherlock“) als junger Bilbo Beutlin, dessen pazifistisches Naturell weniger seinen moralischen Einsichten als vielmehr seiner Bequemlichkeit entspringt, aber auch für Richard Armitage als granteliger und rachsüchtiger Zwergenführer, der erst spät seine charakterlichen Qualitäten entdeckt.
Natürlich spielt Ian McKellen (leider mit neuem Synchronsprecher) den Gandalf gewohnt eindrucksvoll, wird aber nicht ganz überraschend von Andy Serkis getoppt, der erneut der Figur des Gollum eine erstaunliche Tiefe gibt – trotz oder wegen Motion Capture-Verfahren sei mal dahingestellt.

Also ein familiengerechtes Filmspektakel? Nicht ganz. War schon der „Herr der Ringe“ nicht zimperlich, so geht es in dem erstaunlicherweise (oder auch nicht) ab 12 Jahren freigegebenen Film ziemlich drastisch zu: Arme werden abgeschlagen, abgetrennte Ork-Köpfe fliegen durch die Luft und Jacksons filmische Vergangenheit als Splatter-Experte lässt sich kaum verdrängen. Ob das durch den skurrilen Humor einiger Szenen und einiger während der Synchronisation zu dämlich geratener Dialogszenen verdaulicher gemacht wird, ist anzuzweifeln.
Dafür glänzt der Film spätestens nach einer Stunde mit wahrhaft atemberaubenden Szenen, die nicht nur die neuseeländischen Naturparks als dreidimensionale Hingucker präsentieren, sondern auch die Untiefen der zerklüfteten Berglandschaft und der unheimlichen Ork-Höhlen so grandios ins Bild setzen, dass es dem Zuschauer dank 3 D-Brille förmlich den Boden unter den Füßen wegzieht.

Inwieweit nun der „Der Hobbit“ der Vorlage entspricht oder durch das Drehbuch von Jackson, Benicio del Toro sowie Jacksons Lebensgefährtin Frances Walsh und der HdR-erfahrenen Phillipa Boyens aufgeblasen wurde, soll hier nicht weiter verfolgt werden – die Reaktionen waren ambivalent. Einige US-Kritiker bemängelten die zu große Nähe zur Vorlage, während hierzulande die fehlende Treue zur Vorlage Gegenstand von Mäkeleien wurde.
Über weite Strecken entspricht Jacksons Adaption dem „kleinen Hobbit“ und angesichts der unappetitlichen Auseinandersetzungen über die Rechte an den unterschiedlichen Tolkien-Stoffen, die sowohl die HdR-Trilogie und auch die Projektierung des neuen Films begleiteten, kann man sich ohnehin nicht vorstellen, dass Elemente aus anderen Tolkien-Büchern verwendet werden können, ohne dass die Verteilungskämpfe an den Film-Milliarden erneut aufflammen. Der Kuchen, der verteilt werden soll, ist ziemlich groß.

Technisch perfekt mit edler Optik

„Der Hobbit“ ist der erste Kinofilm, der mit der neuen HFR (High Frame Rate) 3 D-Technik gedreht wurde. Eingesetzt wurden mehrere Dutzend „Epic“-Modelle der Red Digital Cinema Camera Company, die den „Hobbit“ mit 48 FPS (Frames per Second) aufnahmen. Die auch „Red One“ genannte Kamera erreicht  höhere Auflösungen als das Full HD-Heimkino mit 1920x1080, aber im mit 2k gedrehten HFR-„Hobbit“ geht es zunächst um die Bildwiederholfrequenz, wobei Jackson den seit den Kindertagen des Kinos gültigen Standard von 24 fps auf 48 fps verdoppelt hat. Die High Frame Rate gilt zurzeit als Brückentechnologie, sowohl James Cameron als auch Effekt-Spezialist Douglas Trumball experimentieren bereits mit 60 und 120 Bildern.
Der Nutzen ist einfach auf den Punkt zu bringen: HFR soll Shutter-Effekte[1] und Motionblur[2] in 3 D-Filmen beseitigen. HFR-Filme in 2 D sind zurzeit überhaupt nicht im Gespräch, deshalb war in Ridley Scotts „Prometheus“ zwar die Red One im Einsatz, aber nur mit 24 fps.

Die Reaktionen auf Peter Jacksons Experiment waren unterschiedlich. Mein Eindruck: ich habe bislang keinen digitalen Kinofilm gesehen, der ein so natürliches und gleichzeitig detailreiches Bild zu bieten hatte wie „Der Hobbit“. Zuletzt überzeugte mich „Cloud Atlas“ in fast allen Belangen, aber „Der Hobbit“ legt noch einmal deutlich nach. Das Bild wirkt ‚rund’, also nicht unnatürlich scharf, dennoch sieht man jedes Härchen in Gandalfs Bart. Die Gesichtsfarben sind natürlich, die Bewegungen klar und authentisch. In Totalen wird man von der Detailfreudigkeit des Bilds fast erschlagen, was die Vorfreude auf die Heimkino-Nachverwertung nicht unerheblich gesteigert hat. Nur bei schnellen Kamera- oder schnellen Objektbewegungen gibt es noch leichte Nachzieh-Effekte, die aber der ‚Technik’ des menschlichen Auges entsprechen. Insgesamt aber ist das Bild superb und die Frage bleibt offen, was denn wohl nach dem Downsizing auf 1920x1080 übrig bleibt.

Die 3 D-Dramaturgie verdient ebenfalls Bestnoten. Man sieht, dass Jackson, der bereits als Produzent von „Die Abenteuer von Tim und Struppi“ einen perfekten 3 D-Film hingelegt hatte, genau weiß, worauf es ankommt: wenig Kamerabewegung, dafür aber eine Inszenierung des Raums, also eine Mise-en-scène für das dreidimensionale Kinobild. Kameramann Abdrew Lesnie, der bereits für die HdR-Trilogie verantwortlich war, plättet die Bilder nicht mit einer von Laien häufig als angemessen betrachteten Tiefenschärfe, sondern arbeitet sehr filmisch mit unterschiedlichen Schärfeebenen. Plakative 3 D-Effekte, die ansonsten Inszenierungsschwächen zukleistern sollen, fehlen fast vollständig, und wenn dann mal ein Schmetterling in den Zuschauerraum fliegt, so ist dies fast schon eine auffällige Ausnahme.

Merke: wenn Kritiker von Soap-Effekten und Flat Screen-Look schreiben oder gar anmerken, der Film wirke billig, so zeigt dies zweierlei. Erstens wird bei Verrissen mittlerweile gelogen und polemisiert, dass sich die Balken biegen, und zweitens merkt man, dass die Schreiber offenbar nur wenig Ahnung von Fernseh- und Filmtechnik haben oder gar nicht bereit sind, seriös zu recherchieren. Natürlich kriegt man es auf 200- oder 400 Hz-Boliden mit den falschen Einstellungen schnell hin, ein Bild „soapig“ zu machen, aber derartige Verschlimmbesserungen sind kein Kriterium für eine Filmkritik[3].
Entscheidende Kriterien seien deshalb kurz erwähnt: „Der Hobbit“ läuft derzeit in sechs Varianten in den Kinos, digital u.a. in 2 D, 3 D und HFR 3D, aber auch in analogem 35mm und diversen IMAX-Varianten. Wer also meint, mit flapsigen Sprüchen seine Leser zu überrumpeln, sollte hoffentlich zuvor geprüft haben, welche Technik in ‚seinem’ Kino zum Einsatz kam – alles andere ist billige Polemik. Mein Kino steht übrigens auf der Liste der deutschen HFR-Abspielstätten[4].

Fazit: in punkto Technik räumte „Der Hobbit“ in HFR 3 D nicht nur bei mir eine klare Eins ab. Was man in Peter Jacksons neuer Saga zu sehen bekommt, ist visuell eine Augenweide und setzt Maßstäbe für alles, was danach im digitalen Kinofilm zu sehen sein wird.

Abus non tollit usum - oder: Mit Speck fängt man Mäuse
Narrativ hat „Der Hobbit“ nicht durchgehend ein so gutes Standing. Mit anderen Worten: es gab Abzüge. Mit Einschränkungen.
Natürlich ist eine Verlängerung der Tolkien-Saga nach dem weltweiten Erfolg der HdR-Trilogie ein riskantes Unterfangen, da das Unterhaltungskino wirtschaftliche Ziele verfolgt und dabei die Zielgruppe passgenau bedienen muss. Wie gesagt: „Der Hobbit“ macht nur technisch alles neu und besser, ansonsten bleibt alles beim alten.
Trotzdem entstanden einige Verrenkungen. Völlig daneben ist zum Beispiel eine völlig belanglose 20 sec-Sequenz, in der Elijah Wood durchs Bild läuft. Ich konnte alledings auch nach langem Suchen kein Filmplakat, Wallpaper o.ä. entdecken, in dem plakativ mit dem Frodo-Darsteller Werbung betrieben wurde, so wie sich das ein verrissfreudiger Kritiker in bunten Farben ausgemalt hat.
Grenzwertig sind auch die Auftritte von Cate Blanchett und und Hugo Weaving als mythische Elben, zumal die Bruchtal-Szenen außer dunklen Andeutungen über das Böse aus der Tiefe (H.P. Lovecraft lässt grüßen!) dramaturgisch nicht viel hergeben, aber visuell recht hübsch aussehen. Etwas mehr Sinn machte da eher der Auftritt von Christopher Lee, der zumindest die interessante Frage andeutete, ob 60 Jahre vor den Ring-Ereignissen bereits das Böse am Zauberer Saruman nagt. Hier strecke ich allerdings die Waffen, denn mich würde Spoiler-Kritik überrollen, wenn ich hier eine Mutmaßung äußern würde.

Aber geschenkt, das sind alles Peanuts. Deutlich ärgerlicher empfand ich den völligen Verlust der Selbstkontrolle im letzten Filmdrittel, wo ein CGI-Höhepunkt den nächsten jagt und damit den Filmzuschauer möglicherweise (!) in ratlose Erschöpfung treibt.
Die alten Griechen haben das Probleme schon erkannt und nannten die Kunst der Selbstbeherrschung ganz einfach gelassene Besonnenheit. Das Ganze nennt sich auch Sophrosyne und bekundet die Fähigkeit, auch mal auf Dinge zu verzichten, die man zwar tun möchte, weil man sie kann, auf die zu verzichten aber auch sinnvoll sein kann.
Das Gegenteil von Sophrosyne ist übrigens die Naivität und das Tempo, mit dem Peter Jackson seine Zwerge mitsamt des Anti-Helden Bilbo immer schneller in haarsträubende Actionszenen jagt, bezeugt ein wenig von jener naiven Freude, ein Spielzeug perfekt zu beherrschen und dann auch richtig die Sau rauszulassen. Und immer dann, wenn man glaubt, nun ist Schluss, wird einfach noch einer drangehängt. Und am Rande: einige Szenen stellen sich doch als Belastung der Galubwürdigkeit heraus. Auch für einen Fantasy-Film.

Ein wenig hat mich das an Sergio Corbuccis „Il Mercenario“ (1968) erinnert, jenen zum Kult gewordenen Spaghetti-Western, der gleich mehrere Enden spendierte und jedesmal die Zuschauer in Erwartung des Abspanns aus dem Kino hasten ließ. Doch dann ging es weiter, alle blieben verblüfft stehen. Dann wieder ein typisches Filmende, aufwallende Musik, weiter geht’s in Richtung Ausgang – doch der Film ging weiter. Und irgendwann, als alle wieder Platz genommen hatten, war er dann wirklich zuende.

Ähnliches erlebt man in „Der Hobbit“, wo gleich mehrere Cliffhanger-typische Schlussszenen serviert werden, nur um den Zuschauer danach in eine noch haarsträubendere Fortsetzung zu stürzen, bis schließlich Thorin Eichenschild den armen Bilbo in die Arme und damit in die Gruppe der neuen Gefährten aufnimmt. Nein, doch nicht zuende, noch ein kleiner Plot Twist wird drangehängt, damit auch keiner wirklich glaubt, dass die Geschichte auserzählt ist.

Abusus non tollit usum sagten die alten Römer und meinten damit nicht den Speck, mit dem man Mäuse fängt, sondern vielmehr, dass der Missbrauch den richtigen Gebrauch nicht aufhebt, sondern eher das Wesen der Sache bestätigt.
Ich interpretiere dies zugunsten Peter Jacksons gerne positiv (wer gehässig ist, kann natürlich auch etwas Gegenteiliges vermuten): „Der Hobbit“ ist überwiegend rundes und gelungenes Abenteuerkino für ältere Kinder und Erwachsene, die hoffentlich ein kritisches Verhältnis zu ihrem Eskapismus haben.
Die unübersehbare Zügellosigkeit des letzten Filmdrittels vermag das nicht grundsätzlich in Frage zu stellen, auch wenn man anschließend etwas groggy aus dem Kino stolpert. Das Effektgewitter hat nämlich Methode und macht Sinn, denn so werden die Tolkien-Aficionados den Film zum zweiten Mal und später auch zuhause noch endlos anschauen können, denn es gibt garantiert immer etwas Neues zu entdecken. Und nach Ridley Scotts „Prometheus“ war es ja auch nicht anders: beim dritten und vierten Gucken im gemütlichen Heimkino wirkt alles viel ruhiger und logischer.
Es lebe also das Merchandising. Und die Kraft, alles Beschwerliche mit Humor ertragen zu können, wenn das Große und Ganze doch recht gelungen ist. „The Hobbit“ macht unterm Strich eine Menge Spaß und ist ein würdiges Prequel für den HdR-Kosmos, auch wenn der ganze große Wurf nicht gelungen ist. Es sei denn, wir werden wieder mit einem Extended Director’s Cut abgemolken.

Postscriptum: nach dem Kinobesuch empfehle ich, sich daheim einen Film von Eric Rohmer anzuschauen. Das beruhigt die Nerven ungemein. Und an alle Kritiker, die sich um den Eskapismus der Zuschauer sorgen: Danke, ihr macht das gut. Und eigentlich habt ihr ja auch Recht. Aber mal ehrlich: Wer hat denn nicht seine Leichen im Keller? Ich gebe mich jedenfalls regelmäßig und mit großem Vergnügen dem Eskapismus hin und verdanke ihm meine schönsten Kinostunden. Man kann nicht jeden Abend "Letztes Jahr in Marienbad" sehen oder VHS-Kassetten mit alten Bresson-Filme reinschieben, Bazin im Original oder tolle psychoanalytische Abhandlungen über den "The Wizard of Oz" lesen. Geht nicht. Etwas niedergeschlagen erinnere ich dann an die alten Kritiken von Hans C. Blumenberg oder Wolf Donner und muss schmunzeln, wenn jemand, der einen ideologiekritischen Verriss über den "Hobbit" geschrieben hat, vor Jahren Michael Bay mitsamt seinen Transformers (zugegeben: das war ironisch von ihm gemeint und auch toll geschrieben) einen Autorenfilmer nennt. Vorsicht: es gibt Leute, die glauben so etwas, wenn sie es lesen.

Noten: BigDoc, Melonie = 1,5, Klawer = 2, Mr. Mendez = 3

Pressespiegel:

„...Peter Jackson hat mit "Eine unerwartete Reise" den Standard in Sachen Fantasy-Film noch mal deutlich erhöht. Der erste Teil seines "Hobbit"-Epos glänzt mit unvergesslichen Bildern, er facht die Emotionen an und erschafft Momente voll verträumter Poesie. Ein Meisterwerk“ (Ulrich Lössl, SPIEGEL Online).

„Peter Jackson wendet die neuesten und teuersten technischen Errungenschaften der Illusionskunst auf, um eine vorweltliche, vorzeitliche Archaik ins Bild zu setzen. Das Ergebnis ist enttäuschend“ (DIE ZEIT).

Vielleicht hat Der Hobbit von allem etwas zu viel. Zu viele Orks, zu viele Goblins auf zu vielen Brücken in zu tiefen Höhlen. Zu viel von dem großen Bruder Herr der Ringe und zu wenig Eigenständigkeit in Komik und Persönlichkeit der Figuren. Aber er bleibt als Fantasy-Abenteuer ein Dokument des zurzeit filmisch Machbaren“ (Ulrich Sonnenschein, epd Fillm).

„Es war eine offensichtliche Fehlentscheidung, das Hobbit-Projekt zu einer Filmtrilogie auszuwalzen. Viele Szenen, vor allem in der ersten Filmhälfte, wirken zu lang, erfolglos um Komik bemüht und schlicht billig inszeniert. Die unerbittlich scharfen 3D-Bilder offenbaren ihre Studioherkunft in jedem Moment, Bilbos Höhle sieht aus, als sei sie für eine ARD-Doku über Mittelerde eingerichtet worden, nicht aber wie Teil einer magischen Welt ... Der Hobbit (bleibt) ein Skandal, sowohl in politischer wie künstlerischer Hinsicht“ (Nico Klingler, critic.de).

„Man kann natürlich, wie es bereits geschehen ist, dieser Geschichte und damit Tolkien wie Jackson vorwerfen, dass sie den Konflikt von Gut und Böse als Differenz äußerer Schönheit und Hässlichkeit erzählt und damit implizit rassistisch ist. Man kann feststellen, dass Bücher wie Filme geistesaristokratische Werte predigen, von Führertum und Ehre geschwafelt wird, dass sie reaktionäre Wunschmaschinen sind, die auf die niedrigen Instinkte ihres Publikums setzen, es manipulieren und ruhig stellen, es der Realität ihres Daseins entführen“ (Rüdiger Suchsland, heise.de)


[1] Aufnahmen mit extrem kurzer Belichtungszeit, häufig mit High-Speed-Kameras gedreht, erzeugen Bilder ohne die filmtypischen Bewegungsunschärfen, wirken dabei aber unnatürlich und ruckelig (Beispiele: Gladiator, 28 Weeks Later)
[2] Bewegungsunschärfen in Teilen des Bildes, die durch Kamera- oder Objektbewegungen entstehen (kennt jeder Hobbyfotograf, der nachts Aufnahmen von vorbeifahrenden Autos macht)
[3] Ich habe zur Bildqualität ein halbes Dutzend Filmfreunde befragt: Fünf haben nichts Ungewöhnliches bemerkt, sprachen aber von einem prächtigen Bild, nur einer war bei gleichzeitiger Indifferenz der Kritikpunkte nicht ganz zufrieden.
[4] Wofür ich auch gerne einen seriösen Quellennachweis abliefere: http://www.digitaleleinwand.de/hfr-3d/