Donnerstag, 4. Januar 2018

The Long Road Home

Mit der Military Action-Serie „The Long Road Home” hat sich National Geographic Channel ein Bein gestellt. Die achtteilige Serie basiert auf zwar realen Ereignissen während des Irakeinsatzes der US-Army, erzählt aber vom Leiden der Soldaten, ohne auch nur den geringsten Blick auf die historischen Hintergründe zu werfen.

Was lediglich ein Routineeinsatz werden sollte, verwandelt sich für ein texanisches Platoon in die pure Hölle. Abgeschnitten von den eigenen Einheiten müssen sich die Soldaten nach einem Überfall ausgerechnet in einem von Widerstandskräften beherrschten Viertel von Bagdad verschanzen. Der erste gefallene Kamerad ist ein Schock für die kleine Einheit um Lt. Shane Aguero (E.J. Bonilla). Permanenter Beschuss von den gegenüberliegenden Häusern macht eine Flucht unmöglich, die Munition wird knapp und Befreiungsversuche durch andere Einheiten scheitern, weil in den labyrinthischen Straßen Bagdads das Platoon nicht lokalisiert werden kann und die Einsatztruppen nun selbst unter schweren Beschuss geraten. Die Zahl der Toten nimmt zu, während in der Heimat die verzweifelten Familien um Informationen ringen. Während der verantwortliche Offizier, Lieutenant Colonel Gray Volesky (Michael Kelly, „House of Cards“) nach einer militärischen Lösung sucht, versucht seine Frau Leann (Sarah Wayne Callies, „The Walking Dead“) in der texanischen Heimat die verängstigten Frauen der Soldaten zu beruhigen. Bald wird klar, dass dies nicht möglich ist.


Erzählt wird die Geschichte des berüchtigten “Black Sunday, als am 4. April 2004 eine Einheit der US-Army in Sadr City (Bagdad) eingekesselt und belagert wurde. „The Long Road Home“ basiert dabei auf dem Buch „The Long Road Home: A Story of War and Family” (2007) von Martha Raddatz. Die Journalistin arbeitet in leitender Position für ABC News und gilt als sachkundige Expertin für Auslandspolitik. Aufsehen erregte Raddatz 2008, als sie mit Vizepräsident Dick Cheney ein kritisches Interview über den Irak-Einsatz der Amerikaner führte. 

Showrunner Mikko Alanne hat aus der Vorlage allerdings eine Serie gemacht, die nur wenig Interesse für die politischen Hintergründe und die lokalen Bedingungen vor Ort zeigt. Die Geschichte folgt vielmehr einer ermüdenden Chronologie der Gefechte, die immer wieder von Sequenzen in Texas unterbrochen werden. Aber die tragen auch nicht zu Erhellung bei. Nur in der ersten Episode „Black Sunday, Part 1“ fragt die Frau eines abkommandierten Soldaten nach dem Sinn des Einsatzes, wird aber von Volesky mit simplen Durchhalteparolen und dem Hinweis auf die Pflichterfüllung abgespeist.


Faktenfreie Darstellung

Es gehört schon eine große Portion Chuzpe dazu, eine Geschichte über eine historische bekannte Episode des Irak-Kriegs zu erzählen, ohne deren Auslöser näher zu beleuchten. Tatsächlich waren die Ereignisse vom 4. April nicht das Ergebnisse blanker terroristischer Wut, sondern begannen mit dem Verbot der schiitischen Zeitung Al-Hawza durch den Oberbefehlshaber der im Irak stationierten Kräfte, Paul Bremer. Dies rief die Mahdi-Armee des islamischen Klerikers Muktada al-Sadr auf den Plan, der sich als Vertreter der unterprivilegierten Schiiten profilieren wollte. 
Der Einfluss des Schiitenführers ist nach wie vor groß. 2014 lehnte er eine militärische Hilfe der USA im Kampf gegen den Islamischen Staat ab.
Die Attacke im April 2004 war nur der erste einer Serie von militärischen Zwischenfällen, die auf beiden Seiten zu zahlreichen Toten führten und bis 2008 andauerten. Dass dies mit den von den Amerikanern unterschätzten Feindseligkeiten zwischen Sunniten und Schiiten zu tun hatte, hat die Serienmacher allerdings nicht interessiert.

Dass der Irak-Krieg auf Lügen basierte, ist eine Binse. Dass die Amerikaner in der Folge mit der Kontrolle der religiösen innerirakischen Auseinandersetzungen komplett überfordert waren, ist auch nichts Neues. Dies muss nicht erneut erzählt werden, man könnte es aber tun. Man könnte auch von „Blackwater“ und der Auslagerung militärischer Aktionen erzählen, die zu einer unverhältnismäßigen Dominanz von kommerziell agierenden Söldnertruppen im Irak führte. Auch dies tut die Serie nicht. 
Stattdessen zieht sich „The Long Road Home“ auf die übliche Agenda distanzloser Kriegsfilme zurück, die darauf insistiert, dass die einfachen Soldaten keine Schuld an den Ursachen des Krieges tragen, aber mit ihrem Leben und ihre Gesundheit die größten Opfer bringen. Heldenmut und unerschütterliche Kameradschaft erweisen sich dann auch in „The Long Road Home“ prompt als das Wahre im Unwahren.


Auslassen und Wegblenden

Mikko Alanne, der auch die meisten Scripts für die Serie schrieb, schwebte eine authentische Darstellung des Irak-Kriegs vor, wollte dabei aber auch „Heldenmut und Tapferkeit“ der Soldaten zeigen. Ein Spagat, der einfach nicht gelingen kann, wenn man sich nahezu faktenfrei auf eine kleine Episode des Geschehens kapriziert und acht Episoden lang atemlos Feuergefechte zeigt. Die Männer, von denen „The Long Road Home“ dabei erzählt, sind angesichts der Botschaft von Mikko Alanne dann auch fast folgerichtig und ausnahmslos integere mutige Männer mit einem vorbildlichen Wertesystem. Gradlinige Figuren ohne Zynismus, Charaktere, die mühelos in einen Propagandafilm passen würden. 

Um diesen Figuren mehr Individualität zu geben, rückt jede einzelne Episode der Serie einen der Soldaten, quer durch alles Dienstgrade, in den Fokus. Man erfährt einiges über ihre persönliche Lebensgeschichte, auch über Ereignisse, die ihrem Einsatz vorangingen und ihre Motivation erklären. Das ist keineswegs ungeschickt, gibt den Figuren auch mehr Tiefe, rettet das Narrativ aber nicht.
 

In welchem Ausmaß der Irakkrieg zu Menschenrechtsverletzungen und einer umfassenden Verrohung der Soldaten geführt hat, haben andere Filme wie „Hurt Locker“, „Green Zone“ und „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ gelinde gesagt etwas genauer erzählt. Dazu mussten sie nicht einmal besonders gut sein.

Man muss aber nicht derartige Vergleiche bemühen, um zu verstehen, was an der Serie von National Geographic Channel faul ist. Faul ist nämlich das inszenatorische Prinzip des Auslassens und Wegblendens. Etwa wenn das eingeschlossene Platoon in einer Schlüsselszene gezwungen wird, auf Zivilisten, darunter auch Kinder, zu schießen, weil sich inmitten der Menschenmenge feindliche Angreifer verstecken, die die Unschuldigen als Schild benutzen. Hier blendet „The Long Road Home“ das Gemetzel gnädig aus, zeigt anschließend aber immerhin die traumatisierten Soldaten.

Genauso vielsagend zieht sich die Kamera zurück, wenn in einer Episode die Geschichte des in USA sehr bekannt gewordenen Irak-Veteranen Tomas Young erzählt wird, der querschnittsgelähmt aus dem Einsatz zurückkehrte und danach in der Heimat zu einem entschlossenen Kriegsgegner wurde, der besonders die unzureichende Betreuung verletzter Veteranen in der Heimat kritisierte. Die Serie zeigt den von Noel Fisher gespielten Kriegsgegner zwar bei öffentlichen Auftritten in den Staaten, blendet aber ab, wenn er zu reden beginnt und zeigt danach nur den Beifall der Zuhörer. Young warf übrigens George W. Bush und Dick Cheney nichts anders als „War Crimes“ vor.

So ist es auch keine Überraschung, dass „The Long Road Home“ den feindlichen Kombattanten kein Gesicht gibt. Nur die Figur des irakischen Übersetzers Jassim (Darius Homayoun) lässt ahnen, dass die Angreifer, die aus Fensters und von Dächern aus alles mit ihren Kalaschnikows zusammenschießen, auch für die Zivilbevölkerung Bagdads eine tödliche Gefahr sind und keineswegs irakische Patrioten, die sich gegen die Besatzer wehren. Ihre Agenda inmitten eines fundamentalistisch-religiösen Kriegs um die Macht wird ebenfalls aus- und weggeblendet.
Sie würde die ganze Absurdität eines Krieges deutlich machen, der auf Fake News basierte. Am Ende wird Jassim die Uniform der US-Army tragen und wie alle anderen Überlebenden nach kurzer Erholungspause wieder ins Gefecht zurückkehren. Man muss sich schließlich die Stadt zurückholen.
Eine ärgerliche Serie, die nach gelungenen National Geographic-Serien wie „Mars“ (2016) und „Genius“ (2017) auf der ganzen Linie enttäuscht. Die Darstellung eines Krieges zu enthistorisieren, ist nichts Anderes als pure Ideologie.

Note: BigDoc = 5


The Long Road Home – USA 2017 – National Geographic Channel – Showrunner: Mikko Alanne – 8 Episoden – D.: Michael Kelly, Jason Ritter, Sarah Wayne Callies, Noel Fischer, E.J. Bonilla - Streaminganbieter: SKY