Samstag, 17. März 2012

Bluray-Review: The Deer Hunter


Exzellenter Bluray-Transfer zum Schnäppchenpreis
D: Die durch die Hölle gehen, USA  1978, Länge, Länge 175 Minuten FSK 16, Regie: Michael Cimino,  Drehbuch: Michael Cimino, Deric Washburn. D: Robert de Niro, Christopher Walken, John Savage, Meryl Streep, John Cazale, George Dzundza

Michael Ciminos mit fünf Oscars (1979: u.a. „Bester Film“, „Beste Regie“) ausgezeichneter Klassiker ist in den letzten dreißig Jahren differenziert gedeutet und interpretiert worden. Fast wundert man sich, wie es dem Film gelingt, auch heute noch einen überwältigenden Eindruck zu hinterlassen, während man immer wieder neue Facetten entdeckt.
Drei junge patriotische Männer, die als Stahlarbeiter in einer russischen Gemeinde in Pennsylvania arbeiten und leben, ziehen 1968 in den Vietnam-Krieg, aber nur zwei kehren lebend zurück: Steven (John Savage) hat beide Beine, Michael (Robert de Niro) dagegen seine Identität verloren. Der Dritte, Nick (Christopher Walken), verliert erst seinen Verstand und danach auch sein Leben bei illegalen „Russisches Roulette“-Veranstaltungen in Saison. Er wird am Ende von der Gemeinde seiner Heimatstadt zu Grabe getragen.

Dreieinhalb Jahrzehnte später stellt man fest, dass nur einer so anmaßend, ungezügelt und provozierend Filme gemacht hat wie Michael Cimino: Terrence Malick. Allein Ciminos Prolog in „The Deer Hunter“ ist ein Schlag ins Gesicht des normalen Kinogängers: sechzig Minuten lang sieht man den Männern bei nichts anderem als der Arbeit im Stahlwerk, beim Saufen in der Kneipe und auf der Hochzeit ihres Freundes John und schließlich beim Jagen in den Bergen zu. Erst dann schneidet Cimino hart auf die Kriegsgeschehnisse in Vietnam, auf die legendären „Russisches Roulette“-Szenen der drei Freunde, die in vietnamesische Gefangenschaft geraten sind. Und ganz am Ende des dreistündigen Epos, wenn Michael es nicht geschafft hat, seinen Freund aus Saigon herauszuholen, landen wir wieder in dem schmutzigen Industriekaff und alle singen „God bless America“. Beschädigte Patrioten in einem Homeland, das nie wieder so sein wird wie es war.

Immer noch ein wenig rätselhaft und politisch garantiert nicht korrekt
„The Deer Hunter“ wurde ambivalent rezipiert. Für einen Anti-Vietnam-Film waren seine Helden zu patriotisch, für ein Heldenepos zu kaputt. Auf der Berlinale 1979 sorgte der Film für einen Skandal, Cimino wurde Rassismus und dazu auch Verunglimpfung der Vietcong (!) vorgeworfen. Auch die berühmten Jagdszenen, in denen de Niro, untermalt von pathetischer russischer Folklore, einen Hirsch erlegt, irritierten. Das tun sie noch heute.
Mit anderen Worten: „The Deer Hunter“ ist politisch nicht korrekt und wird es wohl nie sein. Und Michael Ciminos Film ist zudem kontraproduktiv, wenn es um Ideologie und Psychologie geht: die Männer reden nicht über ihre Motive und Gefühle, höchstens im Angesicht des Todes. Sie tun sich trotz eines unübersehbaren Machismo schwer mit Frauen, sie sind Waffennarren. De Niros brillant gespielte Figur ist die eines anti-intellektuellen erzkonservativen Stoikers, ein Außenseiter mit einem Wertecodex, der dunkel bleibt und nicht verhandelbar ist und dessen Bruchstellen erst dann sichtbar werden, wenn Michael nach seiner Rückkehr unfähig ist zu jagen.
Und wie bei Malick bleibt die Verbindung zwischen dem qualvollen Töten im Krieg und den ästhetisch überhöhten Jagdszenen der Deer Hunter in einer nicht weniger mythisch überhöhten, unberührbaren Natur zutiefst rätselhaft.

Auch nach über 30 Jahren beeindruckt die visuelle Pracht des Films.
Hier geht es nicht um konventionell Schönes, sondern um die ästhetischen Mittel, mit denen Cimino seine „Welt“ erschaffen hat. Ähnlich wie später in „Heavens‘ Gate“ braucht er dafür unendlich viel Zeit; lange, kaum durch Schnitte unterbrochene Einstellungen, ein genaues Hinschauen, ein Verweilen, bei dem Film narrativ auf der Stelle zu treten scheint und einfach nicht vom Fleck kommt. Dazu die überwältigend präzise Musik von Stanley Myers, dessen „Cavatina“ immer noch zum Besten gehört, was im Kino zu hören war und ist. Jenseits aller ideologischen Deutungen hat Ciminos Stil einen Mikrokosmos erschaffen, der den Zuschauer sogartig anzieht und ihn eine ungeheure emotionale Tiefe erleben lässt.

Bluray herausragend
Auf Bluray liegt der Film in der ungekürzten US R-Rated Fassung mit einer Laufzeit von 183 Minuten vor. Der MPEG 4/AVC-Transfer im Bildformat 1920x1080p (2.35:1) ist nicht nur gemessen am Alter des Films, sondern auch im Vergleich mit aktuellen Referenzfilmen überwiegend herausragend gelungen. Die Farben sind eher kühl gehalten, die Schärfe ist im Fokusbereich makellos und gibt nur zu den Rändern hin gelegentlich nach. Filmkorn ist nicht erkennbar. Nur in den Vietnam-Szenen sieht man, dass gelegentlich mit anderem Filmmaterial gearbeitet wurde, auch unter Verwendung von dokumentarischem Material.
Die Originalfassung liegt in DTS-HD MA 5.1 vor, die deutsche Synchronspur wie nicht anders zu erwarten in DTS-HD MA 1.0, also mono. Die Bluray besitzt deutsche Untertitel.
Besprochen wurde die von Studio Canal Ende 2010 aufgelegte Single-Bluray, die im Gegensatz zu anderslautenden Beschreibungen, kein Bonusmaterial enthält und bei AMAZON GB aktuell für unglaubliche £ 6,29 (= € 7,56) zu erhalten ist.
Preiswerter wird man diesen überragend restaurierten Klassiker wohl kaum bekommen.

Postscriptum: Vergnügen bereiten die junge Meryl Streep und besonders der leider zu früh verstorbene John Cazale (erkrankte während der Dreharbeiten an Knochenkrebs), der wie kein anderer dem Typus des extravertierten, sich dennoch unterlegen fühlenden und "schwachen Mannes" ein Gesicht verlieh.