Freitag, 2. März 2012

DVD-Review: "Am Fuss der Blauen Berge"


Freunde der US-Western-Serie „Laramie“ (Am Fuss der Blauen Berge) sind mittlerweile wohl schon in Rente oder es ist gar Schlimmeres passiert. Wer durchgehalten hat, darf sich nun über nostalgische Gefühlen freuen, denn John Smith und Robert Fuller reiten wieder.
In Deutschland startete die Serie kurz nach Weihnachten am 27. Dezember 1959 und es ist sehr erfreulich, dass der auf Raritäten und Serien-Klassiker spezialisierte PIDAX Film-Verleih nun drei Folgen der Serie in ausgezeichnet restaurierter und mit deutschem Ton versehenen Fassungen auf DVD anbieten kann.
Ein Stück deutscher Mediengeschichte, gewürzt mit einigen kleinen Abenteuern.

Ende der 1950er Jahre war „Am Fuss der Blauen Berge“ keineswegs der erste TV-Western, der stilecht in Schwarz-weiß auf dem Röhrenfernseher flimmerte. Die ARD hatte bereits ab 1956 mit Erfolg „Rin-Tin-Tin“, „Union Pacific“ und andere Western ausgestrahlt, aber die Geschichten um Slim Sherman (John Smith) und Jess Harper (Robert Fuller), die auf der
Sherman-Ranch in der Nähe von Laramie/Wyoming einen Postkutschenstopp für die Great Central Overland Mail betrieben, wurde bald TV-Kult. Das wiederum verdankte die Serie dem für die damalige Zeit ziemlich mega-coolen Robert Fuller, der es sogar zu einem Star-Schnitt in der deutschen Jugendzeitschrift BRAVO brachte und zudem einige Publikumspreise gewann.

Fernseh-Hit in kleinen Häppchen
In Deutschland wurde die Serie zwischen Dezember 1959 und Februar 1965 von der ARD ausgestrahlt. Zwischen März 1969 und Februar 1970 wurden weitere Folgen, diesmal in Farbe, gesendet. Damals herrschten noch andere Zeiten und Serien wurden noch nicht schnelllebige Opfer des Quotendrucks, aber von den insgesamt 124 Folgen der in vier Staffeln produzierten Serie bekamen die deutschen Zuschauer nur eine handverlesene Auswahl zu sehen, wie Hans Schaffner, in den 1980er Jahren Programmeinkäufer für die Kirch-Gruppe, im sehr lesenswerten Booklet zur Serie berichtet.

Die erste Episode lief Ende 1959 noch unter dem Label „Maskierte Reiter – Ein Film aus dem Wilden Westen“. Den Originaltitel „Laramie“ wollte man dem deutschen Publikum (noch) nicht zumuten.
Drei Monate später durfte wegen des großen Zuspruchs der in den Universal-Studios gedrehten NBC-Serie noch eine Episode ran – und das war’s dann schon. Zu viel des Guten muss ja schließlich nicht sein.
Allerdings hatte man die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Bis Dezember 1965 wurden wegen der großen Publikumsnachfrage 44 Episoden (einschließlich Wiederholungen!) von „
Am Fuss der Blauen Berge“ gesendet. Dann sollte Schluss sein, aber die Serie hatte in kurzer Zeit eine riesige Fangemeinde erworben, die nicht bereit war, die Absetzung zu akzeptieren. Nach drei Jahren intensiver Beratungen – inzwischen war das Farbfernsehen eingeführt worden – rang man sich dazu durch, die vorhandenen synchronisierten Folgen noch einmal in Farbe zu senden und zusätzliche noch acht neue Farbfolgen von „Laramie“ zu präsentieren. Wie man vermuten darf, führten Quotenerfolge „damals“ eher dazu, dass die Sender sehr verhalten und asketisch reagierten.

Die Wiederaufnahme der Serie im März 1969 wurde ein Bombenerfolg und bis August 1970 schafften dann doch insgesamt 25 Folgen den Sprung über den Großen Teich.
Anfang der 1980er Jahre interessierten sich die Privaten für den Kult-Western, aber aus lizenzrechtlichen Gründen kam es zu keinem erneuten Vertragsabschluss.

Spannend wurde es dagegen, als der Hessische Rundfunk 1998 ein neues Sendeformat für den späten Abend entwickelte. Die „Late Lounge“ sollte mit u.a. mit Serien bestückt werden und Schaffner erhielt den Auftrag, passende Lizenzen zu erwerben. Darunter auch „Laramie“. Leider stellte sich bei der Anlieferung heraus, dass die deutschen Bildmaster inkl. der deutschen Tonspur nicht mehr auffindbar waren. Recherchen ergaben, dass diese notwendigen Materialien in den Staaten aus Kostengründen nicht eingelagert, sondern vernichtet worden waren. Das Aus für „Am Fuss der Blauen Berge“?

Phoenix aus der Asche
In der Zwischenzeit hatte auch PIDAX Film versucht, den Klassiker wieder zugänglich zu machen, doch aus den bekannten Gründen schien dies aussichtslos zu sein. Dann erreichte den Verleih 2011 die erlösende Nachricht: ein Fan hatte in der 1960er Jahren mit dem Tonbandgerät den deutschen Ton von drei Episoden des Western-Hits aufgenommen – und das in passabler Qualität. Der Weg schien frei zu sein, aber als sich dann herausstellte, dass der Vertragspartner in den Staaten nur noch über alte VHS-Mitschnitte verfügte und angenommen werden musste, dass die alten Bildmaster allesamt vernichtet worden waren, sah es erneut übel aus für den deutschen Nostalgiegucker. Endlose Recherchen führten in Sackgassen, doch dann folgte das Happy End: im Verzeichnis einer amerikanischen Bibliothek waren „Laramie“-Folgen gelistet – auf 16mm-Film, in Farbe und in bester Qualität. Rechtzeitig vor Weihnachten kamen die drei Episoden aus dem Presswerk – deutsche Tonspur inklusive.

John Smith ist bereits 1995 im Alter von 64 Jahren gestorben. Nach „Laramie“ konnten lediglich zwei weitere Aktivitäten als Schauspieler nachgewiesen werden: „Circus World“ (1964) und „Justin Morgan Had a Horse“ (1972). Robert Fuller wirkte dagegen noch in einigen Serien mit und hatte seinen letzten Auftritt in „Walker, Texas Ranger“ an der Seite von Chuck Norris. Der 78-jährige lebt heute stilgerecht auf einer Farm in Texas.
Auf der PIDAX-DVD reiten sie wiedeu und der Fan findet drei Episoden aus der 4. und letzten Staffel der Serie: „No Place to Run“ (St 4, Ep. 18, dts.: Unter falscher Anklage), „Broken Honor“ (St 4 Ep. 26, dts.: Die Versuchung) und „The Marshals“ (St 4 Ep. 29, dts.: Die Stunde des Marshals).
Besonders Robert Fuller-Fans kommen auf ihre Kosten: in allen Episoden ist von John Smith und den anderen Protagonisten der Sherman-Ranch so gut wie nichts zu sehen.
Angenehm überrascht auch nach fünf Jahrzehnten die erzählerische Qualität: „Laramie“ ist kein Western-von-gestern-Nostalgie-Trip, sondern bietet gediegenes und weitgehend gewaltarmes Erzählniveau. Die Episode „The Marshals“ ist sogar eine gelungene Variation des High Noon-Themas, obwohl überraschenderweise die beiden Serienstars Smith und Fuller keine große Rolle in ihr spielen.
Besonders empfehlenswert ist das Booklet, dass eine erstaunliche Geschichte erzählt und verblüffende Einblicke gestattet und deutlich macht, wie mit Filmen vor dem Zeitalter der allumfassenden Digitalisierung umgegangen wurde.
In technischer Hinsicht ist PIDAX ein kleines Wunder gelungen. Die sorgfältig restaurierten Filmkopien lassen in punkto Schärfe und Farbtreue keinen Wunsch offen.
Mit anderen Worten: „Am Fuss der Blauen Berge“ wird man so schön wohl nie wieder sehen können!