Freitag, 2. März 2012

Colombiana


USA / Frankreich 2011 - Regie: Olivier Megaton - Darsteller: Zoë Saldana, Jordi Mollà, Cliff Curtis, Lennie James, Michael Vartan, Callum Blue, Graham McTavish, Max Martini, Monica Acosta, Sam Douglas - FSK: ab 16 - Länge: 107 min.

„Colombiana“ beginnt mit einem deutlichen Zeichen der Affirmation: als die Schergen des kolumbianischen Mafiabosses Don Luis (Beto Benites) die Eltern der neunjährigen Cataleya (Amandla Stenberg) ermorden, wird das überlebende Mädchen von einem Killer nach geheimen Informationen befragt. Die Kleine gibt sich scheu und eingeschüchtert, doch dann rammt sie dem Profi ein Jagdmesser durch die Hand und entkommt der Bande bei einer wilden Jagd über die Dächer der Stadt.
Produzent Luc Besson und Regisseur Olivier Megaton („Transformers“) zeigen uns ein Kind mit außergewöhnlichen Gaben.
Wenig später wird Cataleya einem Mitarbeiter der US-Botschaft einen Datenchip übergeben, der ihr die Eintrittskarte in die Vereinigten Staaten verschafft. Dort entzieht sie sich den Behörden und flieht weiter nach Chicago, wo sie ihrem offenbar auch als Killer arbeitenden Onkel Emilio (Cliff Curtis) ankündigt, sich von ihm zur Profikillerin ausbilden zu lassen. Ihr Onkel schickt sie aber zunächst auf eine normale Schule, damit sie die Menschen, die sie später töten soll, besser kennenlernt. 15 Jahre später ist Cataleya (nun gespielt von Zoë Saldana, u.a. „Avatar“) das, was sie immer werden wollte: Sie ist Profi-Killerin, sie will späte Rache  und sie hinterlässt dabei eine Blutspur.

Bluternst und ohne Ironie
Die Glaubwürdigkeit von Plots ist schon lange kein Kriterium mehr, um die Qualität eines Films, insbesondere eines Genrefilms, zu bewerten. Dies hat eine Ursache: alles ist schon einmal erzählt worden und da jüngere Zuschauer wohl keine Ahnung davon haben, was vor 20, 30 Jahre so alles im Kino lief, kann man ihnen alten Wein in neuen Schläuchen andienen. Um alles noch einmal erzählen zu können, betreibt man entweder eine konsequente visuelle Ästhetisierung oder man greift zur Ironie. Oder zur Comic-Adaption, die es möglich macht, beide Strategien zu verbinden.

Den Filmtopos der Profikillerin hat Quentin Tarantino mit Erfolg ironisch und damit auch selbst-referentiell aufgearbeitet („Kill Bill Vol. 1 & 2“). Ein Kind anfangs in diese Rolle schlüpfen zu lassen, ist lediglich eine exzessive Variante des Themas, die man offenbar nur mit einer dicken Portion Unernst wie in „Kick-Ass“ ertragen kann.
Jüngere und seriös gemeinte Beispiele dieses Sub-Genres wie „Hanna“ (Wer ist Hanna? Joe Wright, USA, GB, Deutschland 2011) sind nicht gerade ermutigend, laufen aber in der im Vergleich mit der bluternsten Version dieses Themas durch Besson/Megaton deren Film noch locker den Rang ab.
Und das liegt auch daran, dass „Columbiana“ selbst nur ein Vehikel ist, das bekannte Genretraditionen aufgreift, dabei aber entkernt und sinnfrei der cineastischen Zweitverwertung anbietet. So bewegt sich „Colombiana“ bar jeder Ironie in den Traditionen des Heroic Bloodshed-Subgenres, ohne die artifizielle Kunstfertigkeit und die ästhetische Eleganz der opernhaften Inszenierung durch die großen Vorbilder John Woo und Ringo Lam zu erreichen. Bereits Patrick Leung hat mit seinem kleinen Meisterwerk „Beyond Hypothermia“ (Hongkong 1996) gezeigt, dass man weibliche Figuren dieses Schlages durchaus facettenreich betrachten kann.
 
Zynisch, kalt und hässlich
„Colombiana“ ist dagegen in der Zeichnung der Hauptfigur so bedrückend eindimensional, dass man den Choreographien der durchaus clever und gelegentlich ein wenig an „Mission Impossible“ erinnernd ins Bild gesetzten Gewaltorgien nach spätestens einer halben Stunde nur noch gelangweilt zuschauen kann. Wenn Cataleya dann auch einmal Gefühle zeigen darf, wirkt dies so, als hätte eine Soziopathin mit einer ernsten Erkrankung zu kämpfen. Und wenn sich die Killerin am Ende den entscheidenden Kampf mit dem eigentlichen Bösewicht liefert, dann wird im Halbsekundentakt wie rasend geschnitten, sodass der Film dem Zuschauer eigentlich das vorenthält, was er dennoch zu sehen glaubt.

Actionkino als 08/15-Artikel ist natürlich auch nur Teil eines unter Umständen ökonomisch erfolgreichen Geschäftsmodells. Und dabei liegt es am Konsumenten, ob er bereit ist, sich in flache Gewässer zu begeben. Und genau dies sind die Umstände.
Sollte dies der Fall, dann hat er es nicht besser verdient und er wird genau das erhalten, was er bestellt hat. Traurig ist nur, das Luc Besson das Thema in „Colombiana“ bereits stilbildend durchgenommen hat: „Nikita“ (Frankreich/Italien 1990) konnte man eine gewisse Originalität nicht absprechen, während „Léon“ (Léon – Der Profi, Frankreich/USA 1994) aufgrund der empathischen Erzählung zu Recht als Meisterwerks des Thrillers gilt.
„Colombiana“ ist dagegen ein kalter Film. Zynisch und hässlich, wie am Reißbrett geplant, ein Film, dem die Figuren herzlich egal sind. Stattdessen darf man sich darüber freuen, wie artistisch Zoë Saldana sich durch die rasch anwachsenden Leichenberge bewegt. Dass sie den bösen Drogenboss schließlich lebendig an ihre Hunde verfüttert, überrascht nicht wirklich. Himmel, wohin geht diese Frau, wenn der Film zu Ende ist?