Donnerstag, 22. März 2012

Bluray-Review: The Thing (2011)


USA / Kanada 2011 - Regie: Matthijs van Heijningen Jr. - Darsteller: Mary Elizabeth Winstead, Eric Christian Olsen, Joel Edgerton, Adewale Akinnuoye-Agbaje, Ulrich Thomsen, Kim Bubbs, Jonathan Walker - FSK: ab 16 - Länge: 102 min.

Zur Welle der Remakes und Neu-Adaptionen im US-Kino gehört auch Matthijs van Heijningens gleichnamiges Prequel zu John Carpenters „The Thing“ (USA 1982, D: Das Ding aus einer anderen Welt). Herausgekommen ist ein fast klassisch anmutendes B-Picture, das seine enorme physische Präsenz daraus bezieht, dass es dem Sujet nichts Neues hinzufügt.

Die Entdeckung des „Dings“ ist purer Zufall: als die Mitglieder einer norwegischen Forschungsstation in der Antarktis mit ihrem Schneefahrzeug in eine Gletscherspalte stürzen, entdecken sie unter dem Eis ein gigantisches Raumschiff und nicht weit entfernt davon ein eingefrorenes Alien. Natürlich bringt man es in die Forschungsstation und dort passiert genau das, was zu erwarten war: das Alien ist ein Monster, das die menschlichen Wirtskörper perfekt reproduziert und wie ein Virus unter den Forschern wütet. Wie in John Carpenters „The Thing“ setzt auch die Neuadaption mit sujetgerechter Akribie das Zehn-kleine-Negerlein-Prinzip um, das die um ihr Überleben kämpfenden Forscher konsequent dezimiert, bis nur noch Drei übrig bleiben.
Kann ein Film, bei dem von Anfang an weiß, dass sein Personal ihn kaum überleben wird, überhaupt noch Spannung erzeugen?

Die Erzählung kann diese Frage eher nicht beantworten: Matthijs van Heijningens Neuadaption rekonstruiert den Plot von Carpenters Film minuziös und fügt dem Ablauf lediglich neues Personal hinzu. Als Heldin tritt nun eine Frau in der rauen Männerwelt auf – die Paläontologin Dr. Kate Lloyd (Mary Elizabeth Winstead) reist mit einem amerikanischen Forscherteam unter Leitung von Dr. Sander Halvorsen (Ulrich Thomsen) zur norwegischen Station, um die Kreatur im Eis näher zu untersuchen. Als Erste erkennt sie die tatsächliche Beschaffenheit des Monsters und muss sich zudem in der isolierten Männerwelt behaupten. Dieses aus „Alien“ (1979) bekannte Subthema erhält aber keine zentrale Gewichtung, genauso wenig wie die zahlreichen Männerrollen, die sich als tragend erweisen könnten, es aber nie sind, da das Monster alle sehr rasch umwandelt und dadurch im Gegensatz zu Carpenters Version für eine dramaturgische Nivellierung der Protagonisten sorgt. Nur der von Joel Edgerton ("Warrior") gespielte Sam Carter ragt aus der Männercrew heraus, für die van Heijningen einige der aktuell bekanntesten skandinavischen Darsteller gecastet hat. Beim tragisch-zynischen Ende des Films, das ähnlich wie bei Carpenter die Möglichkeit eines Sequel offen lässt, geht die Heldin verloren, was natürlich Spekulationen zulässt, aber van Heijningen arbeitet bereits an einem anderen Sequel, nämlich an einer Fortsetzung von Zack Snyders "Dawn of the Dead", ein Film, der bekanntlich selbst ein Remake ist.
Alles klar?

Einen neuen Subtext wird man in van Heijningens Film ebenfalls vergeblich suchen.
Den hatte noch das große Vorbild geliefert: „The Thing from Another World“ (Das Ding aus einer anderen Welt, 1951) von Christian Nyby und Howard Hawks war nur oberflächlich an die Science Fiction-Erzählung „Who goes there?“ von John W. Campell Jr. angelehnt, setzte den Horror aber so beängstigend um, dass bis heute die exemplarischen Interpretationen des Kultfilms den Schrecken dadurch zu bannen versuchen, dass sie den Film als politische Parabel auslegten -  die Angst vor dem Monster war als Angst vor dem Kommunismus zu deuten. Beruhigend wirkt das aber nicht…

Solche Analogien passten bereits nicht mehr, als der große Meister des B-Picture John Carpenter mit seinem „The Thing“ (Das Ding aus einer anderen Welt, USA 1982) eine Splatter-Variante vorlegte, die aus dem blutsaufenden Nyby-Monster einen genetischen Attentäter machte, der beliebige Formen annehmen konnte und fast unaufhaltsam eine kleine soziale Gemeinschaft unterwanderte. Damit wurde Carpenters „Ding“ deutlich blutrünstiger, hielt sich aber auch genauer an die literarische Vorlage Campbells, was in den 1980er Jahren leider nicht gewürdigt wurde. Persönlich schätzte ich Carpenters Versuch als überragenden Genrebeitrag – Paranoia-Horror par excellence. Leider wurde „The Thing“ damals überwiegend ablehnend rezipiert und 1984 in Deutschland sogar indiziert, bis er 2009 nach neuerlicher Prüfung mit einer Altersfreigabe „ab 16 Jahren“ freigegeben wurde und mittlerweile in einer technisch exzellenten Bluray-Edition vorliegt.
Van Heijningens Film dekliniert das Thema weitgehend genauso durch wie Carpenter: Körper explodieren regelrecht und verwandeln sich in bizarre Monstrositäten, der Blick mit dem Mikroskop zeigt Zellen, die sich wie Formwandler auf ihre humanoiden Antipoden stürzen und wie bei Campbell und Carpenter gibt es einen nervenzerreißenden Test, der die Kopien von den Menschen unterscheiden soll.
 
Campbell war sogar noch einen Schritt weiter gegangen und hatte seine Kreatur mit telepathischen Fähigkeiten ausgestattet und offen gelassen, ob die Wirtskörper wussten, was mit ihnen geschehen war – der Horror bestand in der Frage „Wer bin ich?“.
Ganz so weit ging John Carpenter nicht, auch van Heijningen tut es nicht. Sein Film endet dort, bereits als Teil des Abspanns, wo Carpenters Film beginnt, nämlich mit der Jagd auf den Schlittenhund: „The Thing“ (2011) will also ein Prequel sein und tatsächlich wurde dies von dem niederländischen Filmregisseur bis ins kleinste Detail umgesetzt, sodass viele Beobachtungen, die Kurt Russell in Carpenters Film in der norwegischen Station macht, haarklein in ihrer Vorgeschichte aufgebröselt werden.

Nicht sehr originell, aber sehr spannend
Bei so viel Hingabe an ein großes Vorbild kann schon mal die Originalität verloren gehen. Tatsächlich ist „The Thing“ (2011) auch eher als Hommage zu sehen, die besonders durch die Übernahme der Plotstruktur so nah der Vorlage verhaftet bleibt, dass man eher von einem Remake sprechen kann. Das gilt auch für den Score von Marco Beltrami, der unüberhörbar an den von Carpenters Film anknüpft und wer genau hinsieht, wird im Abspann auch einen Verweis auf Ennio Morricone finden.

Dass „The Thing“ dennoch eine soghafte Spannung aufbaut, liegt wohl daran, dass der Film fast vampiristisch das Spannungspotential der 1982er-Vorlage aufgesaugt hat, was witzig ist, weil der der Film damit die Eigenschaften des Monsters übernimmt: er ist eine (fast) perfekte Kopie seines Wirts. Dabei entpuppt sich Matthijs van Heijningen als Regisseur mit einem sicheren Gespür für die B-Film-Ästhetik, bei der es um eine präzise naturalistische Sichtweise geht, die Überflüssiges ausspart, um sich ganz auf die physischen Elemente der Geschichte zu konzentrieren. Der  Film ist ähnlich wie Sci-Fi- B-Movies der 1950er Jahre dabei sehr nah am Horrorfilm angesiedelt, aber der Body Horror des „Dings“ erinnerte bereits bei Carpenter und nun auch bei van Heijningen noch stärker an die Themenwelt von David Cronenberg.

Dabei drängen sich politische Konnotationen nur bedingt auf. In „The Thing from Another World“ (1951) besitzt das Monster, das sich wie eine Pflanze reproduziert, weder Sexualität noch Gefühle und droht seinen Opfern mit Körper-Exploitation, ohne ihnen wie in „Invasion oft the Body Snatchers“ einen Diskurs über eine Welt ohne Sex, Liebe und Gefühle anzubieten. Carpenters Film nahm die Exploitation dagegen sehr wörtlich.
In den monströsen Prozessen der Körperaneignung und  Körperverwandlung kann man natürlich nach politischen Subtexten suchen, aber auch eine Lesart, die sich der psycho-sexuellen Dimensionen des Sujets annimmt, erscheint mir legitim zu sein – immerhin zeigte bereits der klassische Horrorfilm oft sehr unverhüllt, dass die Rätsel des Körperlichen möglicherweise unbekannte Schrecken bereithalten und uns im schlimmsten Fall der völlige Kontrollverlust droht – oder das Aufgefressenwerden. Und so ist auch der Beitrag eines Kritikers filmhistorisch falsch, der in einer aktuellen Kritik des 2011er-Prequels der Carpenter-Adaption eine anti-kommunistische Symbolik untergejubelt hat. Richtig ist, dass dies eher für die 1951er-Adaption der Campell-Novelle durch Christian Nyby und Howard Hawks gilt und noch mehr für "The Invasion of the Body Snatchers" zutreffend ist, während es auch nach längerem Nachdenken nicht nachvollziehbar wird, wie eine Lebensform, die perfekt das Aussehen ihres Feindes annimmt, in diesen ideologiekritischen Kontext passen sollte.

Wie gesagt: viel Neues erfährt man in van Heijningens Version nicht. Im direkten Vergleich mit dem 1982er-Kultklassiker schneidet der Film sogar etwas schlechter ab, weil Carpenter seinen Figurenpark deutlich differenzierter präsentiert hat und – was angesichts geringerer technischer Möglichkeiten vielleicht überraschend ist – seinen Body Horror weitaus beängstigender zur Schau stellte als sein Nachfolger. Damals, in den achtziger Jahren, verschaffte Carpenters Film der sich bereits abzeichnenden Steigerung  der Gewaltdarstellung in Genrefilmen einen vorläufigen Höhepunkt, und auch heute noch erzeugt der Film eine eisig-paranoide Atmosphäre, die sein Nachfolger nie ganz erreicht. Und so hat das Prequel wenigstens erreicht, dass man sich dem großen Vorbild deutlich respektvoller nähert und vielleicht auch mal Campells Story in die Hand nimmt, die bis heute als eine der besten Science-Fiction-Erzählungen aller Zeiten gilt (1).

Respektable Bildqualität
„The Thing“ liegt als Steelbook und im Amaray-Case vor. Die nachfolgenden Angaben beziehen sich auf die Steelbook-Edition, die die Region Codes A, B und C aufweist. Der im Bildformat 1920x1080p (2.35:1) vorliegende Film besitzt eine deutschsprachigen DTS 5.1-Ton, das englische Original liegt in DTS-HD MA 5.1 vor. Universal hat dem Steelbook eine Digital Copy auf DVD beigefügt. Die Bildqualität ist angemessen, ohne dass man von Referenzqualität sprechen kann. Im direkten Vergleich mit der Neuauflage des 30 Jahre älteren Films schneidet "The Thing" (2011) sogar etwas schlechter ab.

Das Bonusmaterial hat diesmal einiges zu bieten, wenngleich auch hier die Bluray-Edition von Carpenters Film allein schon wegen eines informativen 90 min-Features in einer ganz anderen Liga spielt. Immerhin: Den Filmfreunden, die sich kenntnisreich in Foren über die „hollywood-typischen“ CGI-Effekte aufgeregt haben, darf tröstend erwidert werden, dass in „The Thing“ (2011) der Body Horror als Mischung aus klassischem Special Effects (SFX: also jenen Effekten, die man am Set mit Modellen, Latex-Masken etc. in Szene setzt) und Visual Effects (VFX: hierbei handelt es sich um Effekte, die in der Post-Production realisiert werden) entstand. Wenn also der Flammenwerfer zum Einsatz kommt, dann wurden am Set tatsächlich Stuntmen und Darsteller (!) mit Anti-Feuer-Gel etc. präpariert und anschließend „abgefackelt“. Alles also recht altmodisch. Und leider überwiegend kein CGI, sorry. In solchen Fällen hilft ein gutes Filmlexikon.

(1) Wer John W. Campbells „Who Goes There?“ lesen möchte, kann dies hier tun: http://nzr.mvnu.edu/faculty/trearick/english/rearick/readings/manuscri/Who%20Goes%20There/Who%20Goes%20There%20Index.htm

Noten: BigDoc = 3