USA / Kanada 2011 - Regie: Matthijs
van Heijningen Jr. - Darsteller: Mary Elizabeth Winstead,
Eric Christian Olsen, Joel Edgerton, Adewale Akinnuoye-Agbaje, Ulrich Thomsen,
Kim Bubbs, Jonathan Walker - FSK: ab 16 - Länge:
102 min.
Zur Welle der Remakes und
Neu-Adaptionen im US-Kino gehört auch Matthijs van Heijningens gleichnamiges Prequel
zu John Carpenters „The Thing“ (USA 1982, D: Das Ding aus einer anderen Welt).
Herausgekommen ist ein fast klassisch anmutendes B-Picture, das seine enorme physische
Präsenz daraus bezieht, dass es dem Sujet nichts Neues hinzufügt.
Die
Entdeckung des „Dings“ ist purer Zufall: als die Mitglieder einer norwegischen Forschungsstation
in der Antarktis mit ihrem Schneefahrzeug in eine Gletscherspalte stürzen,
entdecken sie unter dem Eis ein gigantisches Raumschiff und nicht weit entfernt
davon ein eingefrorenes Alien. Natürlich bringt man es in die Forschungsstation
und dort passiert genau das, was zu erwarten war: das Alien ist ein Monster,
das die menschlichen Wirtskörper perfekt reproduziert und wie ein Virus unter
den Forschern wütet. Wie in John Carpenters „The Thing“ setzt auch die
Neuadaption mit sujetgerechter Akribie das Zehn-kleine-Negerlein-Prinzip um,
das die um ihr Überleben kämpfenden Forscher konsequent dezimiert, bis nur noch
Drei übrig bleiben.
Kann ein Film, bei dem von Anfang an weiß, dass sein Personal ihn kaum überleben wird, überhaupt noch Spannung erzeugen?
Kann ein Film, bei dem von Anfang an weiß, dass sein Personal ihn kaum überleben wird, überhaupt noch Spannung erzeugen?
Die Erzählung
kann diese Frage eher nicht beantworten: Matthijs van Heijningens Neuadaption
rekonstruiert den Plot von Carpenters Film minuziös und fügt dem Ablauf
lediglich neues Personal hinzu. Als Heldin tritt nun eine Frau in der rauen
Männerwelt auf – die Paläontologin
Dr. Kate Lloyd (Mary Elizabeth Winstead) reist mit einem amerikanischen
Forscherteam unter Leitung von Dr. Sander Halvorsen (Ulrich Thomsen) zur
norwegischen Station, um die Kreatur im Eis näher zu untersuchen. Als Erste
erkennt sie die tatsächliche Beschaffenheit des Monsters und muss sich zudem in
der isolierten Männerwelt behaupten. Dieses aus „Alien“ (1979) bekannte
Subthema erhält aber keine zentrale Gewichtung, genauso wenig wie die
zahlreichen Männerrollen, die sich als tragend erweisen könnten, es aber nie
sind, da das Monster alle sehr rasch umwandelt und dadurch im Gegensatz zu
Carpenters Version für eine dramaturgische Nivellierung der Protagonisten sorgt. Nur der von Joel Edgerton ("Warrior") gespielte Sam Carter ragt aus der Männercrew heraus, für die van Heijningen einige der aktuell bekanntesten skandinavischen Darsteller gecastet hat. Beim tragisch-zynischen Ende des Films, das ähnlich wie bei Carpenter die Möglichkeit eines Sequel offen lässt, geht die Heldin verloren, was natürlich Spekulationen zulässt, aber van Heijningen arbeitet bereits an einem anderen Sequel, nämlich an einer Fortsetzung von Zack Snyders "Dawn of the Dead", ein Film, der bekanntlich selbst ein Remake ist.
Alles klar?
Alles klar?
Einen neuen
Subtext wird man in van Heijningens Film ebenfalls vergeblich suchen.
Den hatte noch das große Vorbild geliefert: „The Thing from Another World“ (Das Ding aus einer anderen Welt, 1951) von Christian Nyby und Howard Hawks war nur oberflächlich an die Science Fiction-Erzählung „Who goes there?“ von John W. Campell Jr. angelehnt, setzte den Horror aber so beängstigend um, dass bis heute die exemplarischen Interpretationen des Kultfilms den Schrecken dadurch zu bannen versuchen, dass sie den Film als politische Parabel auslegten - die Angst vor dem Monster war als Angst vor dem Kommunismus zu deuten. Beruhigend wirkt das aber nicht…
Den hatte noch das große Vorbild geliefert: „The Thing from Another World“ (Das Ding aus einer anderen Welt, 1951) von Christian Nyby und Howard Hawks war nur oberflächlich an die Science Fiction-Erzählung „Who goes there?“ von John W. Campell Jr. angelehnt, setzte den Horror aber so beängstigend um, dass bis heute die exemplarischen Interpretationen des Kultfilms den Schrecken dadurch zu bannen versuchen, dass sie den Film als politische Parabel auslegten - die Angst vor dem Monster war als Angst vor dem Kommunismus zu deuten. Beruhigend wirkt das aber nicht…
Solche
Analogien passten bereits nicht mehr, als der große Meister des B-Picture John
Carpenter mit seinem „The Thing“ (Das Ding aus einer anderen Welt, USA 1982)
eine Splatter-Variante vorlegte, die aus dem blutsaufenden Nyby-Monster einen
genetischen Attentäter machte, der beliebige Formen annehmen konnte und fast
unaufhaltsam eine kleine soziale Gemeinschaft unterwanderte. Damit wurde
Carpenters „Ding“ deutlich blutrünstiger, hielt sich aber auch genauer an die
literarische Vorlage Campbells, was in den 1980er Jahren leider nicht gewürdigt
wurde. Persönlich schätzte ich Carpenters Versuch als überragenden Genrebeitrag
– Paranoia-Horror par excellence. Leider wurde „The Thing“ damals überwiegend
ablehnend rezipiert und 1984 in Deutschland sogar indiziert, bis er 2009 nach
neuerlicher Prüfung mit einer Altersfreigabe „ab 16 Jahren“ freigegeben wurde
und mittlerweile in einer technisch exzellenten Bluray-Edition vorliegt.
Van
Heijningens Film dekliniert das Thema weitgehend genauso durch wie Carpenter:
Körper explodieren regelrecht und verwandeln sich in bizarre Monstrositäten,
der Blick mit dem Mikroskop zeigt Zellen, die sich wie Formwandler auf ihre
humanoiden Antipoden stürzen und wie bei Campbell und Carpenter gibt es einen nervenzerreißenden
Test, der die Kopien von den Menschen unterscheiden soll.
Campbell war sogar noch einen Schritt weiter gegangen und hatte seine Kreatur
mit telepathischen Fähigkeiten ausgestattet und offen gelassen, ob die
Wirtskörper wussten, was mit ihnen geschehen war – der Horror bestand in der
Frage „Wer bin ich?“.
Ganz so weit ging John Carpenter nicht, auch van Heijningen tut es nicht. Sein Film endet dort, bereits als Teil des Abspanns, wo Carpenters Film beginnt, nämlich mit der Jagd auf den Schlittenhund: „The Thing“ (2011) will also ein Prequel sein und tatsächlich wurde dies von dem niederländischen Filmregisseur bis ins kleinste Detail umgesetzt, sodass viele Beobachtungen, die Kurt Russell in Carpenters Film in der norwegischen Station macht, haarklein in ihrer Vorgeschichte aufgebröselt werden.
Ganz so weit ging John Carpenter nicht, auch van Heijningen tut es nicht. Sein Film endet dort, bereits als Teil des Abspanns, wo Carpenters Film beginnt, nämlich mit der Jagd auf den Schlittenhund: „The Thing“ (2011) will also ein Prequel sein und tatsächlich wurde dies von dem niederländischen Filmregisseur bis ins kleinste Detail umgesetzt, sodass viele Beobachtungen, die Kurt Russell in Carpenters Film in der norwegischen Station macht, haarklein in ihrer Vorgeschichte aufgebröselt werden.
Nicht sehr originell, aber sehr
spannend
Bei so viel
Hingabe an ein großes Vorbild kann schon mal die Originalität verloren gehen. Tatsächlich
ist „The Thing“ (2011) auch eher als Hommage zu sehen, die besonders durch die Übernahme
der Plotstruktur so nah der Vorlage verhaftet bleibt, dass man eher von einem
Remake sprechen kann. Das gilt auch für den Score von Marco Beltrami, der
unüberhörbar an den von Carpenters Film anknüpft und wer genau hinsieht, wird
im Abspann auch einen Verweis auf Ennio Morricone finden.
Dass „The
Thing“ dennoch eine soghafte Spannung aufbaut, liegt wohl daran, dass der Film fast
vampiristisch das Spannungspotential der 1982er-Vorlage aufgesaugt hat, was witzig
ist, weil der der Film damit die Eigenschaften des Monsters übernimmt: er ist
eine (fast) perfekte Kopie seines Wirts. Dabei entpuppt sich Matthijs van
Heijningen als Regisseur mit einem sicheren Gespür für die B-Film-Ästhetik, bei
der es um eine präzise naturalistische Sichtweise geht, die Überflüssiges
ausspart, um sich ganz auf die physischen Elemente der Geschichte zu
konzentrieren. Der Film ist ähnlich wie
Sci-Fi- B-Movies der 1950er Jahre dabei sehr nah am Horrorfilm angesiedelt, aber
der Body Horror des „Dings“ erinnerte bereits bei Carpenter und nun auch bei van
Heijningen noch stärker an die Themenwelt von David Cronenberg.
Dabei drängen
sich politische Konnotationen nur bedingt auf. In „The Thing from Another World“
(1951) besitzt das Monster, das sich wie eine Pflanze reproduziert, weder
Sexualität noch Gefühle und droht seinen Opfern mit Körper-Exploitation, ohne
ihnen wie in „Invasion oft the Body Snatchers“ einen Diskurs
über eine Welt ohne Sex, Liebe und Gefühle anzubieten. Carpenters Film nahm die
Exploitation dagegen sehr wörtlich.
In den monströsen Prozessen der Körperaneignung und Körperverwandlung kann man natürlich nach politischen Subtexten suchen, aber auch eine Lesart, die sich der psycho-sexuellen Dimensionen des Sujets annimmt, erscheint mir legitim zu sein – immerhin zeigte bereits der klassische Horrorfilm oft sehr unverhüllt, dass die Rätsel des Körperlichen möglicherweise unbekannte Schrecken bereithalten und uns im schlimmsten Fall der völlige Kontrollverlust droht – oder das Aufgefressenwerden. Und so ist auch der Beitrag eines Kritikers filmhistorisch falsch, der in einer aktuellen Kritik des 2011er-Prequels der Carpenter-Adaption eine anti-kommunistische Symbolik untergejubelt hat. Richtig ist, dass dies eher für die 1951er-Adaption der Campell-Novelle durch Christian Nyby und Howard Hawks gilt und noch mehr für "The Invasion of the Body Snatchers" zutreffend ist, während es auch nach längerem Nachdenken nicht nachvollziehbar wird, wie eine Lebensform, die perfekt das Aussehen ihres Feindes annimmt, in diesen ideologiekritischen Kontext passen sollte.
In den monströsen Prozessen der Körperaneignung und Körperverwandlung kann man natürlich nach politischen Subtexten suchen, aber auch eine Lesart, die sich der psycho-sexuellen Dimensionen des Sujets annimmt, erscheint mir legitim zu sein – immerhin zeigte bereits der klassische Horrorfilm oft sehr unverhüllt, dass die Rätsel des Körperlichen möglicherweise unbekannte Schrecken bereithalten und uns im schlimmsten Fall der völlige Kontrollverlust droht – oder das Aufgefressenwerden. Und so ist auch der Beitrag eines Kritikers filmhistorisch falsch, der in einer aktuellen Kritik des 2011er-Prequels der Carpenter-Adaption eine anti-kommunistische Symbolik untergejubelt hat. Richtig ist, dass dies eher für die 1951er-Adaption der Campell-Novelle durch Christian Nyby und Howard Hawks gilt und noch mehr für "The Invasion of the Body Snatchers" zutreffend ist, während es auch nach längerem Nachdenken nicht nachvollziehbar wird, wie eine Lebensform, die perfekt das Aussehen ihres Feindes annimmt, in diesen ideologiekritischen Kontext passen sollte.
Wie gesagt:
viel Neues erfährt man in van Heijningens Version nicht. Im direkten Vergleich
mit dem 1982er-Kultklassiker schneidet der Film sogar etwas schlechter ab, weil
Carpenter seinen Figurenpark deutlich differenzierter präsentiert hat und – was
angesichts geringerer technischer Möglichkeiten vielleicht überraschend ist – seinen Body Horror weitaus beängstigender zur
Schau stellte als sein Nachfolger. Damals, in den achtziger Jahren, verschaffte
Carpenters Film der sich bereits abzeichnenden Steigerung der Gewaltdarstellung in Genrefilmen einen
vorläufigen Höhepunkt, und auch heute noch erzeugt der Film eine
eisig-paranoide Atmosphäre, die sein Nachfolger nie ganz erreicht. Und so hat
das Prequel wenigstens erreicht, dass man sich dem großen Vorbild deutlich
respektvoller nähert und vielleicht auch mal Campells Story in die Hand nimmt,
die bis heute als eine der besten Science-Fiction-Erzählungen aller Zeiten gilt
(1).
Respektable Bildqualität
„The Thing“
liegt als Steelbook und im Amaray-Case vor. Die nachfolgenden Angaben beziehen
sich auf die Steelbook-Edition, die die Region Codes A, B und C aufweist. Der
im Bildformat 1920x1080p (2.35:1) vorliegende Film besitzt eine deutschsprachigen DTS 5.1-Ton, das englische
Original liegt in DTS-HD MA 5.1 vor. Universal hat dem Steelbook eine Digital
Copy auf DVD beigefügt. Die
Bildqualität ist angemessen, ohne dass man von Referenzqualität sprechen kann. Im direkten Vergleich mit der Neuauflage des 30 Jahre älteren Films schneidet "The Thing" (2011) sogar etwas schlechter ab.
Das Bonusmaterial
hat diesmal einiges zu bieten, wenngleich auch hier die Bluray-Edition von Carpenters Film allein schon wegen eines informativen 90 min-Features in einer ganz anderen Liga spielt. Immerhin: Den Filmfreunden, die sich kenntnisreich in
Foren über die „hollywood-typischen“ CGI-Effekte aufgeregt haben, darf tröstend
erwidert werden, dass in „The Thing“ (2011) der Body Horror als Mischung aus
klassischem Special Effects (SFX: also jenen Effekten, die man am Set mit
Modellen, Latex-Masken etc. in Szene setzt) und Visual Effects (VFX: hierbei
handelt es sich um Effekte, die in der Post-Production realisiert werden) entstand.
Wenn also der Flammenwerfer zum Einsatz kommt, dann wurden am Set tatsächlich
Stuntmen und Darsteller (!) mit Anti-Feuer-Gel etc. präpariert und anschließend
„abgefackelt“. Alles also recht altmodisch. Und leider überwiegend kein CGI,
sorry. In solchen Fällen hilft ein gutes Filmlexikon.
(1) Wer John W.
Campbells „Who Goes There?“ lesen möchte, kann dies hier tun: http://nzr.mvnu.edu/faculty/trearick/english/rearick/readings/manuscri/Who%20Goes%20There/Who%20Goes%20There%20Index.htm
Noten: BigDoc = 3