Dienstag, 4. Dezember 2012

Cosmopolis


Kanada / Frankreich 2012 - Regie: David Cronenberg - Darsteller: Robert Pattinson, Juliette Binoche, Sarah Gadon, Mathieu Amalric, Jay Baruchel, Kevin Durand, K'Naan, Emily Hampshire, Samantha Morton, Paul Giamatti - FSK: ab 12 - Länge: 108 min.

David Cronenberg hat einen Roman des Untergangspropheten Don DeLillo verfilmt: das hätte er besser nicht getan. Die Geschichte eines blutleeren Superkapitalisten, der in seiner gepanzerten Limousine durch Manhattan fährt, um sich einen Haarschnitt verpassen zu lassen, versinkt in schwurbeligen Dialogen über Geld, Sex und Körpergerüche.

Eric Packer („Twilight“-Vampir Robert Pattinson) ist das, was sich Lieschen Müller unter einem Finanzmarkt-Monster vorstellt: ein Egomane, der etliche Milliarden mit Spekulationen diverser Art gescheffelt hat. Umgeben von Bodyguards fährt er durch Manhattan, um am anderen Ende der Stadt seinen Frisör aufzusuchen. Das könnte er einfacher haben, aber er will es halt so. In seiner Liga bekommt man, was man will.
Zwischendurch empfängt er seinen Hofstaat: vom kulturskeptischen Systemadministrator, der ihm versichern soll, dass nicht einmal die Stretch-Limousine gehackt werden kann, in der beide gerade sitzen, bis zum Doktor, der on the fly seinem mächtigen Patienten aufreizend lange die Prostata abtastet. Da der US-Präsident in der Stadt weilt und die Straßen verstopft sind, werden zwischendurch in Fast-Food-Restaurants wenig frugale Portionen verzehrt und Zeit für einen Quickie mit seiner deutlichen älteren Kunsthändlerin (Juliette Binoche) hat Packer auch. Als dies absolviert er mit stoischer Gelassenheit, die angesichts der etwas limitierten Schauspielkünste Pattinsons fast zombieartig wirken. 
Aber irgendwie passt das auch zu dem Film.

Was David Cronenberg aber bewogen hat, ausgerechnet diesen Stoff zu adaptieren, findet man nicht heraus. Dafür versinkt der Film in skurrilen Dialogen, die zwar gelegentlich den absurden Charme eines Samuel Beckett besitzen, aber die Story mit einem anarchistischen Einlauf spätestens nach einer halben Stunde aus dem Auto spülen. Je länger die sinnfreien Gespräche andauern, desto weniger erfährt man von Packer, obwohl dieser in jeder Szene zu sehen ist. 
Möglicherweise ist es gerade die relative Sinnfreiheit, die Cronenberg interessiert hat. Jene Mischung aus Autismus und blitzschnellen Analysen asiatischer Währungsbewegungen, die als typisch für die gierige Weltfremdheit von älter gewordenen New Economy- Strategen herhalten soll. Doch mit Lieschen Müller haben wir eins gemeinsam: wir wissen nichts oder nur wenig von den heimlichen Herrschern der Welt, deren Computer in Bruchteilen einer Sekunde Transaktionen abwickeln, die Millionen in den Abgrund stürzen können und wenige reich werden lassen.
Und länger diese inhaltlichen Leerstellen mit Leerlauf gefüllt werden, desto ermüdender wird „Cosmopolis“. Auch wenn man sich diebisch freuen mag über das Auftauchen von Anarchos, die mit toten Ratten die Schickeria des Geldadels attackieren. Das erinnert zumindest an bessere Ideen Cronenbergs, zum Beispiel in „eXistenZ“, aber mehr auch nicht. Der Film gibt sich als Rätsel, aber auch Rätsel haben gelegentlich etwas zu sagen, auch wenn man sie nicht auf Anhieb lösen.

Auch technisch hat sich Cronenberg überraschende Blößen gegeben. Viele Szenen wurden im Studio gedreht, die Straßenlandschaften der Mega-City wurden per CGI in die Autofenster hineingerechnet. Aber vielleicht ist die digitale Künstlichkeit in ihrer Hässlichkeit mehr als eine Erinnerung an die klassischen Rückprojektionen des US-Kinos früherer Tage. Um Theodor W. Adorno umzustricken: Es kann nichts Echtes im Unechten geben.

Noten: BigDoc = 4