Kanada / Frankreich 2012 - Regie: David
Cronenberg - Darsteller: Robert Pattinson, Juliette
Binoche, Sarah Gadon, Mathieu Amalric, Jay Baruchel, Kevin Durand, K'Naan,
Emily Hampshire, Samantha Morton, Paul Giamatti - FSK: ab
12 - Länge: 108 min.
David Cronenberg hat einen Roman des
Untergangspropheten Don DeLillo verfilmt: das hätte er besser nicht getan. Die
Geschichte eines blutleeren Superkapitalisten, der in seiner gepanzerten
Limousine durch Manhattan fährt, um sich einen Haarschnitt verpassen zu lassen,
versinkt in schwurbeligen Dialogen über Geld, Sex und Körpergerüche.
Eric Packer
(„Twilight“-Vampir Robert Pattinson) ist das, was sich Lieschen Müller unter
einem Finanzmarkt-Monster vorstellt: ein Egomane, der etliche Milliarden mit
Spekulationen diverser Art gescheffelt hat. Umgeben von Bodyguards fährt er
durch Manhattan, um am anderen Ende der Stadt seinen Frisör aufzusuchen. Das
könnte er einfacher haben, aber er will es halt so. In seiner Liga bekommt man,
was man will.
Zwischendurch empfängt er
seinen Hofstaat: vom kulturskeptischen Systemadministrator, der ihm versichern
soll, dass nicht einmal die Stretch-Limousine gehackt werden kann, in der beide
gerade sitzen, bis zum Doktor, der on the fly seinem mächtigen Patienten
aufreizend lange die Prostata abtastet. Da der US-Präsident in der Stadt weilt
und die Straßen verstopft sind, werden zwischendurch in Fast-Food-Restaurants
wenig frugale Portionen verzehrt und Zeit für einen Quickie mit seiner
deutlichen älteren Kunsthändlerin (Juliette Binoche) hat Packer auch. Als dies
absolviert er mit stoischer Gelassenheit, die angesichts der etwas limitierten
Schauspielkünste Pattinsons fast zombieartig wirken.
Aber irgendwie passt das
auch zu dem Film.
Was David Cronenberg aber
bewogen hat, ausgerechnet diesen Stoff zu adaptieren, findet man nicht heraus.
Dafür versinkt der Film in skurrilen Dialogen, die zwar gelegentlich den
absurden Charme eines Samuel Beckett besitzen, aber die Story mit einem
anarchistischen Einlauf spätestens nach einer halben Stunde aus dem Auto spülen. Je
länger die sinnfreien Gespräche andauern, desto weniger erfährt man von Packer, obwohl dieser in
jeder Szene zu sehen ist.
Möglicherweise ist es gerade die relative
Sinnfreiheit, die Cronenberg interessiert hat. Jene Mischung aus Autismus und
blitzschnellen Analysen asiatischer Währungsbewegungen, die als typisch für die
gierige Weltfremdheit von älter gewordenen New Economy- Strategen herhalten
soll. Doch mit Lieschen Müller haben wir eins gemeinsam: wir wissen nichts oder
nur wenig von den heimlichen Herrschern der Welt, deren Computer in Bruchteilen
einer Sekunde Transaktionen abwickeln, die Millionen in den Abgrund stürzen
können und wenige reich werden lassen.
Und länger diese
inhaltlichen Leerstellen mit Leerlauf gefüllt werden, desto ermüdender wird
„Cosmopolis“. Auch wenn man sich diebisch freuen mag über das Auftauchen von
Anarchos, die mit toten Ratten die Schickeria des Geldadels attackieren. Das
erinnert zumindest an bessere Ideen Cronenbergs, zum Beispiel in „eXistenZ“, aber mehr
auch nicht. Der Film gibt sich als Rätsel, aber auch Rätsel haben gelegentlich
etwas zu sagen, auch wenn man sie nicht auf Anhieb lösen.
Auch technisch hat sich
Cronenberg überraschende Blößen gegeben. Viele Szenen wurden im Studio gedreht,
die Straßenlandschaften der Mega-City wurden per CGI in die Autofenster
hineingerechnet. Aber vielleicht ist die digitale Künstlichkeit in ihrer
Hässlichkeit mehr als eine Erinnerung an die klassischen Rückprojektionen des
US-Kinos früherer Tage. Um Theodor W. Adorno umzustricken: Es kann nichts
Echtes im Unechten geben.
Noten: BigDoc = 4