„The Help" ist Jahressieger 2012
57 Filme wurden im letzten Jahr geprüft. Da die gemeinsamen
Kinobesuche nur einen Bruchteil der Aktivitäten ausmachen und mindestens drei
Bewertungen abgegeben werden müssen, um die Endauswertung zu erreichen, hatten
bemerkenswerte Filme wie „Cloud Atlas“, „Prometheus“ und „Der kleine Hobbit“
leider keine Chance. Die Best of-Auswertung ist somit eher ein Ranking der
besten Filme 2012 auf DVD und Bluray.
Klarer Jahressieger wurde Tate Taylors „The Help“. In der
Halbjahreswertung lag er bereits auf Platz 1 und dort ist er auch geblieben.
Damals fasste ich zusammen: „Der Südstaaten-Look mit seinen Heckflügel-Limousinen, den gewagten
Frisuren der weißen Ladys und der allgegenwärtigen ‚netten’ Apartheid-Stimmung
ist irgendwo zwischen „Grüne Tomaten“ und „Mad Men“ angesiedelt. Den subtilen
Zynismus und die ausgefeilt zeitkritische Reflexionskraft der TV-Serie erreicht
„The Help“ aber nicht ... „The Help“ ist ein gelungenes Rassismus-Drama
zwischen Feel-Good-Movie und Melancholie. “
Platz 2
behauptete „War Horse“ (Die Gefährten) (http://bigdocsfilmclub.blogspot.de/2012/03/war-horse-gefahrten.html)
und auch Platz 3 änderte sich nicht: „Hotel Lux“ (http://bigdocsfilmclub.blogspot.de/2012/05/deutsche-komodien-hotel-lux.html)
ist unserer Meinung nach die beste deutsche Komödie des Jahres.
Neu auf
Platz 4 ist der im November 2011 angelaufene „Ziemlich beste Freunde“
(Intouchables), der von 9 Mio. deutschen Zuschauern gesehen wurde. Ein
ehrlicher Film, irgendwo zwischen illusionslosem Realismus und glaubwürdigem
Gefühl, aber ohne Sentimentalität und politisch völlig korrekt – so etwas kommt
in der Regel bei uns gut an. Persönlich glaube ich nicht, dass ich den Film von
Olivier Nakache und Éric Toledano irgendwann zu zweiten Mal sehen werde.
Das ist im Falle von Martin Scorseses „Hugo Cabret“ (Platz
5) (http://bigdocsfilmclub.blogspot.de/2012/09/bluray-review-hugo-cabret.html)
mit Sicherheit anders, allein schon, weil der Film eine visuelle Augenweise
ist. Abgesehen davon hat es mich etwas überrascht, dass Scorsese sich so
souverän im Kömödienfach bewegen kann, aber Scorsese ist im Nebenberuf ein
exzellenter Filmhistoriker und die Hommage an einen der größten Künstler des
Stummfilms dürfte für ihn eine Herzensangelegenheit gewesen sein.
Auf Platz 6 lief sozusagen in letzter Minute „In Darkness“
ein, der bei der Oscarverleihung 2012 als Bester Fremdsprachiger Film nominiert
war. Das Drama um einen polnischen Kanalarbeiter, der während der
Nazi-Okkupation Polens einige jüdische Familien in der Kanalisation Lembergs
versteckt, ist ein tiefschwarzes Stück Kino, das wenig mit Edel-Schmonzetten
wie „Die Kinder von Paris“ oder subtilen Charakterdramen à la „Sarahs
Schlüssel“ zu tun hat. Die deutsch-polnisch-kanadische Produktion trägt die
Handschrift Agnieszka Hollands, die viele Drehbücher für Andrzej Wajda
geschrieben hat und mit ihrem Film auch ein Stück polnischer Geschichte
reflektiert.
Im Filmclub wurde gefragt, ob wir uns so etwas immer wieder ansehen müssen. Eine berechtigte Frage, nicht nur für erwachsene Zuschauer. Ich glaube, dass viele Jugendlich aufgrund fehlender Geschichtskenntnisse erst einmal erklärt bekommen müssen, dass die Deutschen vor über 70 Jahren unsere europäischen Nachbarn überfallen haben und den Holocaust auf dem Gewissen haben. Filme gegen das Vergessen zu drehen, ist zweifellos wichtig, dennoch erschrecken die Umfragen, die davon berichten, dass 20-30% der Deutschen immer noch tief verwurzelte anti-semitische Überzeugungen besitzen. Unsinnig ist allerdings die Vermutung, dies dem Kino anlasten zu müssen.
Im Filmclub wurde gefragt, ob wir uns so etwas immer wieder ansehen müssen. Eine berechtigte Frage, nicht nur für erwachsene Zuschauer. Ich glaube, dass viele Jugendlich aufgrund fehlender Geschichtskenntnisse erst einmal erklärt bekommen müssen, dass die Deutschen vor über 70 Jahren unsere europäischen Nachbarn überfallen haben und den Holocaust auf dem Gewissen haben. Filme gegen das Vergessen zu drehen, ist zweifellos wichtig, dennoch erschrecken die Umfragen, die davon berichten, dass 20-30% der Deutschen immer noch tief verwurzelte anti-semitische Überzeugungen besitzen. Unsinnig ist allerdings die Vermutung, dies dem Kino anlasten zu müssen.
Platz 7 erreichte „Contagion“, Steven Soderberghs
Pandemie-Thriller, der in den USA leider floppte. Gemessen an dem, was seither
von Soderbergh zu sehen war, muss man dem Film nach wie vor eine herausragende
Qualität bescheinigen.
Auf Platz 8 lief „Warrior“ ein, der zu den Filmen gehörten,
die man sich häufiger ansehen wird – für mich ein klares
Alleinstellungsmerkmal. „Warrior“ hat Kultstatus erreicht und wird, auch für
jene interessant, die Tom Hardy erst im dritten Teil der Batman-Trilogie von
Christopher Nolan entdeckt haben.
Platz 9: „The Artist“ von Michel Hazanavicius hatte sich
schnell bei uns auf einem vorderen Platz festgesetzt, aber ich befürchte, dass
der Film nur eine kurze Halbwertszeit hat. Immerhin ist er ebenfalls eine Hommage
an das alte Stummfilm-Kino, aber mich persönlich beschleicht das Gefühl, dass
er zu jener Sorte von Kinofilmen gehört, die man einmal sieht – und das war’s
dann auch.
Auf Platz 10 taucht der erste Film auf, der aktuell im Kino
gesehen worden ist und bereits auf DVD und Bluray vorliegt: "The Dark Knight Rises". Hier habe ich eine
längere Kritik geschrieben (http://bigdocsfilmclub.blogspot.de/2012/07/the-dark-knight-rises.html),
aber auch nach der Sichtung der Bluray habe ich am Gesamturteil wenig zu
ändern: Es ist unmöglich, den Film zu bewerten, ohne Vergleiche zu seinen
Vorgängern zu ziehen. Und auch beim dritten Mal sah ich meinen ersten Eindruck
bestätigt: Nolans dritter Teil der Batman-Trilogie ist kein Reinfall, aber die
magischen Momente, die „The Dark Knight“ auszeichneten, hat das große
Batman-Finale nicht.
Platz 11: „Confessions“ (2010) von Tetsuya Nakashima habe ich ausführlich im
Halbjahres-Rückblick besprochen: „Der Film ist hierzulande offenbar so
unbekannt, dass er der deutschsprachigen Wikipedia nicht einmal eine kurze
Erwähnung wert gewesen ist.“ Daran hat sich nichts geändert, aber in der
englischsprachigen Version der Wikipedia kann man sich ausführlich informieren.
Für mich immer noch einer der besten Filme der letzten Jahre.
Platz 12:
Woody Allens „Midnight in Paris“ verstärkt die Dominanz der Komödien in unseren
Top Twenty. Man hat gelegentlich den Eindruck, dass zu wenig Komödien geschaut
werden, aber am Ende staunt man darüber, wie viele im Jahres-Ranking landen.
Woody Allen macht regelmäßig gute Filme, aber überragende Perlen sind nicht
mehr dabei. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau, denn „Midnight in Paris“ ist
ein ziemlich guter Film.
„King of Devil’s Island" (http://bigdocsfilmclub.blogspot.de/2012/10/king-of-devils-island.html)
überzeugt auf Platz 13 als Film, aber auch als DVD-Release
wegen des ausgezeichneten Bonus-Materials. Wie so oft, verdankt auch dieser
Film seinen Zuspruch im Club dem Umstand, dass authentische Geschehnisse
erzählt werden. Man darf sich fragen, ob der Film weniger wert wäre, wenn es
sich um ein rein fiktionales Sujet handeln würde. Aber ich werte derartige
Präferenzen als Plädoyer für den filmischen Realismus und die Geschichte der
norwegischen Besserungsanstalt Anfang des 20. Jh. geht ja, wenn man ehrlich
ist, tatsächlich so unter die Haut, weil man weiß, dass dies eben keine
‚erfundene Geschichte’ ist.
Noch eine Komödie: „The Best Exotic Marigold Hotel“ von John
Madden landete auf Platz 14. Weltweit entpuppte sich die neo-koloniale Komödie
über Rentner, die ihr Glück in Indien suchen, als Kassenknaller. Eigentlich
wollte ich eine Kritik schreiben, brach dann nach wenigen Zeilen ab, weil mir
der Film dann doch zu flach war. Auch weil in Indien offenbar recht
durchschnittliche Europäer den Einheimischen erst mal zeigen müssen, wie man
ein Geschäft führt. Nun ist dieser Film bei den Golden Globe Awards im Gespräch,
was mich offen gestanden umhaut.
Platz 15 und 16: „Crazy, Stupid, Love“ (http://bigdocsfilmclub.blogspot.de/2012/02/bluray-review-crazy-stupid-love.html)
und „Skyfall“ (http://bigdocsfilmclub.blogspot.de/2012/11/skyfall.html)
sind mehr oder weniger ausführlich besprochen worden.
Erwähnenswerter ist auf jeden Fall
Wes Andersons „Moonrise Kingdom“, der für mich einer der besten Filme des
Jahres 2012 gewesen ist und eigentlich auch einen besseren Platz als Nr. 18 verdient
hätte. Aber geschenkt, Andersons skurriler Humor ist manchmal
gewöhnungsbedürftig. Der Eröffnungsfilm in Cannes 2012 ist eine etwas
schrullige Kinderkomödie, gespickt mit Stars wie Bruce Willes, Edward Norton,
Bill Murray, Frances McDormand, Tilda Swinton und Harvey Keitel. Aber das ist
nur die Oberfläche: in Wirklichkeit erzählt Andersen einen Film über die wahre
Liebe, und man bekommt den Eindruck, dass nur Kinder wirklich dazu fähig sind.
In „Der phantastische Mr. Fox“ hat Andersen einen Kinderfilm ziemlich
‚erwachsen’ erzählt, nun erzählt er eine Geschichte aus kindlicher Perspektive, aber am
Ende ist ist „Moonrise Kingdom“ auch ein sehr trauriger Film. Mit derartig
unklaren Zuordnungen kommen einige Zeitgenossen nicht klar und Anderson wird
daher ein genialer Außenseiter bleiben. Wie die meisten seiner Hautfiguren.
Platz 19: „J. Edgar“ von Clint
Eastwood wurde besprochen (http://bigdocsfilmclub.blogspot.de/2012/01/j-edgar.html),
über „Margin Call“ auf Platz 20 muss allerdings noch einiges nachgeholt werden,
weil der Film auch brandaktuell bleibt.
Die letzten 24 Stunden vor dem Urknall: härter und unsentimentaler als „Inside Men“ führt J.C. Chandor die Mechanismen vor, die 2007 zur US-Immobilienkrise geführt haben. Der Thriller demonstriert vielmehr die kriminelle Entschlossenheit, mit der eine Investmentbank in der langen Nacht vor dem großen Crash versucht, ihre faulen Hypothekenpapier abzustoßen. Hier diente offensichtlich die Geschichte der Lehmann-Brothers als Vorbild. Der mit Jeremy Irons, Kevin Spacey und Paul Bettany exzellent besetzte Film führt dem Zuschauer eine messerscharfe, aber nicht immer mitreißende Milieustudie aus der Welt der Broker und Trader vor, die anders als Oliver Stones „Wall Street II“ nicht auf charismatische Bösewichter setzt: Die Gurus der Finanzwelt in „Margin Call“ sind monströs und empathiefrei, aber anders als die großen Kinogangster arbeiten sie nicht mit Maschinenpistolen, sondern mit schnellen Computern.
Die letzten 24 Stunden vor dem Urknall: härter und unsentimentaler als „Inside Men“ führt J.C. Chandor die Mechanismen vor, die 2007 zur US-Immobilienkrise geführt haben. Der Thriller demonstriert vielmehr die kriminelle Entschlossenheit, mit der eine Investmentbank in der langen Nacht vor dem großen Crash versucht, ihre faulen Hypothekenpapier abzustoßen. Hier diente offensichtlich die Geschichte der Lehmann-Brothers als Vorbild. Der mit Jeremy Irons, Kevin Spacey und Paul Bettany exzellent besetzte Film führt dem Zuschauer eine messerscharfe, aber nicht immer mitreißende Milieustudie aus der Welt der Broker und Trader vor, die anders als Oliver Stones „Wall Street II“ nicht auf charismatische Bösewichter setzt: Die Gurus der Finanzwelt in „Margin Call“ sind monströs und empathiefrei, aber anders als die großen Kinogangster arbeiten sie nicht mit Maschinenpistolen, sondern mit schnellen Computern.
Die schlechtesten Filme 2012
Die „Gelbe Banane“ oder so ähnlich – Preise für die
schlechtesten Filme, Regisseure und Darsteller haben komische Namen. Nicht
selten werden Jahrhundertwerke auf diese Weise verunglimpft, wie zum Beispiel
„Heaven’s Gate“ von Michael Cimino. Bei uns dagegen kommen nur wirklich schlechte Filme auf den Index.
Die Regisseure werden nur in wenigen Fällen genannt, man will ja höflich
bleiben...
Platz 1 erreichte mit der Gesamtnote 6 „Die Relativitätstheorie der Liebe“. Und noch schlimmer: wir haben
nach einer Viertelstunde abgeschaltet, weil es nicht auszuhalten war.
Auf Platz 2 und 3 landeten zwei Anti-Terrorfilme: „Four Lions“ von Chris Morris will
irgendwie lustig sein, fand aber nur deswegen Beachtung, weil er in Deutschland
fast zensiert worden wäre. „Cleanskin“
mit Sean Bean in der Hauptrolle geriet aus meiner Sicht zu Unrecht unter die
Räder. Der Film ist auf jeden Fall ein straightes B-Movie.
„Die
Tribute von Panem“ erreichte Platz 4 eine Note von 4,1 und da muss
schon einiges zusammenkommen, um bei uns so durchzufallen. Die Gründe habe ich
ausgeführt: http://bigdocsfilmclub.blogspot.de/2012/09/die-tribute-von-panem-hunger-games.html
Kaum anzusehen war auch Steven Soderberghs enttäuschender „Haywire“ (Note 4), während Joe
Carnahans „The Grey“ von mir eine
2,5 bekam, dafür aber von anderen Notengebern in den Abgrund gerissen wurde.
Close but no Cigar
Die Meinungen gehen immer auseinander, aber manchmal sind
formale Gründe für eine Nicht-Nominierung verantwortlich. „Bester Film des
Jahres“ ist vermutlich „Cloud Atlas“, über
den ich eine wieder einmal monströs lange Kritik geschrieben habe (http://bigdocsfilmclub.blogspot.de/2012/12/cloud-atlas.html).
Von zwei Mitgliedern erhielt er eine fette 1 als Note. Unschlagbar.
„Prometheus“ von
Ridley Scott musste das gleiche Schicksal erleiden: 2x eine 2, aber leider
fehlte die dritte Note, sonst hätte es zum geteilten 5. Platz gereicht.
Ein besonders krasser Fall war Álex de la Iglesias „Mad Circus“ (http://bigdocsfilmclub.blogspot.de/2012/10/mad-circus-eine-ballade-von-liebe-und.html),
der für mich (Note 1) einer des besten Filme der letzten zehn Jahre ist, aber
mit einer 2 und einer 5 dann knapp aus den Top Twenty flog. Ich kann mich nicht
daran erinnern, dass eine Debatte über einen Film jemals so lautstark und
wütend geführt wurde.
Ebenfalls knapp gescheitert ist übrigens „Dame, König, As,
Spion“ (http://bigdocsfilmclub.blogspot.de/2012/08/bluray-review-dame-konig-as-spion.html),
den leider nur zwei Mitglieder gesehen haben (Note: 2,5) und aus den gleichen
Gründen David Cronenbergs exzellenter Psychothriller „A Dangerous Method“
(Note: 2).
Auf jeden Fall war es wieder einmal ein spannendes Kinojahr.
2013 wird sicher nicht weniger aufregend, alle sind schon auf den neuen Film von
Quentin Tarantino gespannt. Ich freue mich auch auf das neue Meisterwerk von
Michael Haneke, und so hat jeder seiner Hoffnungen und Wünsche. Schauen wir
mal, was Ende dabei herauskommt.