Samstag, 22. Dezember 2012

Best of 2012

The Help" ist Jahressieger 2012

57 Filme wurden im letzten Jahr geprüft. Da die gemeinsamen Kinobesuche nur einen Bruchteil der Aktivitäten ausmachen und mindestens drei Bewertungen abgegeben werden müssen, um die Endauswertung zu erreichen, hatten bemerkenswerte Filme wie „Cloud Atlas“, „Prometheus“ und „Der kleine Hobbit“ leider keine Chance. Die Best of-Auswertung ist somit eher ein Ranking der besten Filme 2012 auf DVD und Bluray.


Klarer Jahressieger wurde Tate Taylors „The Help“. In der Halbjahreswertung lag er bereits auf Platz 1 und dort ist er auch geblieben. Damals fasste ich zusammen: „Der Südstaaten-Look mit seinen Heckflügel-Limousinen, den gewagten Frisuren der weißen Ladys und der allgegenwärtigen ‚netten’ Apartheid-Stimmung ist irgendwo zwischen „Grüne Tomaten“ und „Mad Men“ angesiedelt. Den subtilen Zynismus und die ausgefeilt zeitkritische Reflexionskraft der TV-Serie erreicht „The Help“ aber nicht ... „The Help“ ist ein gelungenes Rassismus-Drama zwischen Feel-Good-Movie und Melancholie. “
Platz 2 behauptete „War Horse“ (Die Gefährten)  (http://bigdocsfilmclub.blogspot.de/2012/03/war-horse-gefahrten.html) und auch Platz 3 änderte sich nicht: „Hotel Lux“ (http://bigdocsfilmclub.blogspot.de/2012/05/deutsche-komodien-hotel-lux.html) ist unserer Meinung nach die beste deutsche Komödie des Jahres.

Neu auf Platz 4 ist der im November 2011 angelaufene „Ziemlich beste Freunde“ (Intouchables), der von 9 Mio. deutschen Zuschauern gesehen wurde. Ein ehrlicher Film, irgendwo zwischen illusionslosem Realismus und glaubwürdigem Gefühl, aber ohne Sentimentalität und politisch völlig korrekt – so etwas kommt in der Regel bei uns gut an. Persönlich glaube ich nicht, dass ich den Film von Olivier Nakache und Éric Toledano irgendwann zu zweiten Mal sehen werde.

Das ist im Falle von Martin Scorseses „Hugo Cabret“ (Platz 5) (http://bigdocsfilmclub.blogspot.de/2012/09/bluray-review-hugo-cabret.html) mit Sicherheit anders, allein schon, weil der Film eine visuelle Augenweise ist. Abgesehen davon hat es mich etwas überrascht, dass Scorsese sich so souverän im Kömödienfach bewegen kann, aber Scorsese ist im Nebenberuf ein exzellenter Filmhistoriker und die Hommage an einen der größten Künstler des Stummfilms dürfte für ihn eine Herzensangelegenheit gewesen sein.

Auf Platz 6 lief sozusagen in letzter Minute „In Darkness“ ein, der bei der Oscarverleihung 2012 als Bester Fremdsprachiger Film nominiert war. Das Drama um einen polnischen Kanalarbeiter, der während der Nazi-Okkupation Polens einige jüdische Familien in der Kanalisation Lembergs versteckt, ist ein tiefschwarzes Stück Kino, das wenig mit Edel-Schmonzetten wie „Die Kinder von Paris“ oder subtilen Charakterdramen à la „Sarahs Schlüssel“ zu tun hat. Die deutsch-polnisch-kanadische Produktion trägt die Handschrift Agnieszka Hollands, die viele Drehbücher für Andrzej Wajda geschrieben hat und mit ihrem Film auch ein Stück polnischer Geschichte reflektiert.
Im Filmclub wurde gefragt, ob wir uns so etwas immer wieder ansehen müssen. Eine berechtigte Frage, nicht nur für erwachsene Zuschauer. Ich glaube, dass viele Jugendlich aufgrund fehlender Geschichtskenntnisse erst einmal erklärt bekommen müssen, dass die Deutschen vor über 70 Jahren unsere europäischen Nachbarn überfallen haben und den Holocaust auf dem Gewissen haben. Filme gegen das Vergessen zu drehen, ist zweifellos wichtig, dennoch erschrecken die Umfragen, die davon berichten, dass 20-30% der Deutschen immer noch tief verwurzelte anti-semitische Überzeugungen besitzen. Unsinnig ist allerdings die Vermutung, dies dem Kino anlasten zu müssen.

Platz 7 erreichte „Contagion“, Steven Soderberghs Pandemie-Thriller, der in den USA leider floppte. Gemessen an dem, was seither von Soderbergh zu sehen war, muss man dem Film nach wie vor eine herausragende Qualität bescheinigen.
Auf Platz 8 lief „Warrior“ ein, der zu den Filmen gehörten, die man sich häufiger ansehen wird – für mich ein klares Alleinstellungsmerkmal. „Warrior“ hat Kultstatus erreicht und wird, auch für jene interessant, die Tom Hardy erst im dritten Teil der Batman-Trilogie von Christopher Nolan entdeckt haben.

Platz 9: „The Artist“ von Michel Hazanavicius hatte sich schnell bei uns auf einem vorderen Platz festgesetzt, aber ich befürchte, dass der Film nur eine kurze Halbwertszeit hat. Immerhin ist er ebenfalls eine Hommage an das alte Stummfilm-Kino, aber mich persönlich beschleicht das Gefühl, dass er zu jener Sorte von Kinofilmen gehört, die man einmal sieht – und das war’s dann auch.

Auf Platz 10 taucht der erste Film auf, der aktuell im Kino gesehen worden ist und bereits auf DVD und Bluray vorliegt: "The Dark Knight Rises". Hier habe ich eine längere Kritik geschrieben (http://bigdocsfilmclub.blogspot.de/2012/07/the-dark-knight-rises.html), aber auch nach der Sichtung der Bluray habe ich am Gesamturteil wenig zu ändern: Es ist unmöglich, den Film zu bewerten, ohne Vergleiche zu seinen Vorgängern zu ziehen. Und auch beim dritten Mal sah ich meinen ersten Eindruck bestätigt: Nolans dritter Teil der Batman-Trilogie ist kein Reinfall, aber die magischen Momente, die „The Dark Knight“ auszeichneten, hat das große Batman-Finale nicht.

Platz 11: Confessions“ (2010) von Tetsuya Nakashima habe ich ausführlich im Halbjahres-Rückblick besprochen: „Der Film ist hierzulande offenbar so unbekannt, dass er der deutschsprachigen Wikipedia nicht einmal eine kurze Erwähnung wert gewesen ist.“ Daran hat sich nichts geändert, aber in der englischsprachigen Version der Wikipedia kann man sich ausführlich informieren. Für mich immer noch einer der besten Filme der letzten Jahre.

Platz 12: Woody Allens „Midnight in Paris“ verstärkt die Dominanz der Komödien in unseren Top Twenty. Man hat gelegentlich den Eindruck, dass zu wenig Komödien geschaut werden, aber am Ende staunt man darüber, wie viele im Jahres-Ranking landen. Woody Allen macht regelmäßig gute Filme, aber überragende Perlen sind nicht mehr dabei. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau, denn „Midnight in Paris“ ist ein ziemlich guter Film.

überzeugt auf Platz 13 als Film, aber auch als DVD-Release wegen des ausgezeichneten Bonus-Materials. Wie so oft, verdankt auch dieser Film seinen Zuspruch im Club dem Umstand, dass authentische Geschehnisse erzählt werden. Man darf sich fragen, ob der Film weniger wert wäre, wenn es sich um ein rein fiktionales Sujet handeln würde. Aber ich werte derartige Präferenzen als Plädoyer für den filmischen Realismus und die Geschichte der norwegischen Besserungsanstalt Anfang des 20. Jh. geht ja, wenn man ehrlich ist, tatsächlich so unter die Haut, weil man weiß, dass dies eben keine ‚erfundene Geschichte’ ist.

Noch eine Komödie: „The Best Exotic Marigold Hotel“ von John Madden landete auf Platz 14. Weltweit entpuppte sich die neo-koloniale Komödie über Rentner, die ihr Glück in Indien suchen, als Kassenknaller. Eigentlich wollte ich eine Kritik schreiben, brach dann nach wenigen Zeilen ab, weil mir der Film dann doch zu flach war. Auch weil in Indien offenbar recht durchschnittliche Europäer den Einheimischen erst mal zeigen müssen, wie man ein Geschäft führt. Nun ist dieser Film bei den Golden Globe Awards im Gespräch, was mich offen gestanden umhaut.

Platz 15 und 16: „Crazy, Stupid, Love“ (http://bigdocsfilmclub.blogspot.de/2012/02/bluray-review-crazy-stupid-love.html) und „Skyfall“ (http://bigdocsfilmclub.blogspot.de/2012/11/skyfall.html) sind mehr oder weniger ausführlich besprochen worden.

Kriegerin“ (Platz 17) von David F. Wnendt ist ein Film, der sich in einem fast dokumentarischen Stil mit der ostdeutschen Neo-Nazi-Szene beschäftigt und die Erwartungen des liberalen Kinogängers nicht durchkreuzt und von anderen sowieso nicht angeschaut wird. Wnendts Film muss mit einigem Leerlauf kämpfen, überzeugt aber dank einer überragenden Hauptdarstellerin (Alina Levshin). Einen analytischen Beitrag zu dem Thema liefert der Film nicht, eine atmosphärische Studie ist er allemal.

Erwähnenswerter ist auf jeden Fall Wes Andersons „Moonrise Kingdom“, der für mich einer der besten Filme des Jahres 2012 gewesen ist und eigentlich auch einen besseren Platz als Nr. 18 verdient hätte. Aber geschenkt, Andersons skurriler Humor ist manchmal gewöhnungsbedürftig. Der Eröffnungsfilm in Cannes 2012 ist eine etwas schrullige Kinderkomödie, gespickt mit Stars wie Bruce Willes, Edward Norton, Bill Murray, Frances McDormand, Tilda Swinton und Harvey Keitel. Aber das ist nur die Oberfläche: in Wirklichkeit erzählt Andersen einen Film über die wahre Liebe, und man bekommt den Eindruck, dass nur Kinder wirklich dazu fähig sind. In „Der phantastische Mr. Fox“ hat Andersen einen Kinderfilm ziemlich ‚erwachsen’ erzählt, nun erzählt er eine Geschichte aus kindlicher Perspektive, aber am Ende ist ist „Moonrise Kingdom“ auch ein sehr trauriger Film. Mit derartig unklaren Zuordnungen kommen einige Zeitgenossen nicht klar und Anderson wird daher ein genialer Außenseiter bleiben. Wie die meisten seiner Hautfiguren.

Platz 19: „J. Edgar“ von Clint Eastwood wurde besprochen (http://bigdocsfilmclub.blogspot.de/2012/01/j-edgar.html), über „Margin Call“ auf Platz 20 muss allerdings noch einiges nachgeholt werden, weil der Film auch brandaktuell bleibt.
Die letzten 24 Stunden vor dem Urknall: härter und unsentimentaler als „Inside Men“ führt J.C. Chandor die Mechanismen vor, die 2007 zur US-Immobilienkrise geführt haben. Der Thriller demonstriert vielmehr die kriminelle Entschlossenheit, mit der eine Investmentbank in der langen Nacht vor dem großen Crash versucht, ihre faulen Hypothekenpapier abzustoßen. Hier diente offensichtlich die Geschichte der Lehmann-Brothers als Vorbild. Der mit Jeremy Irons, Kevin Spacey und Paul Bettany exzellent besetzte Film führt dem Zuschauer eine messerscharfe, aber nicht immer mitreißende Milieustudie aus der Welt der Broker und Trader vor, die anders als Oliver Stones „Wall Street II“ nicht auf charismatische Bösewichter setzt: Die Gurus der Finanzwelt in „Margin Call“ sind monströs und empathiefrei, aber anders als die großen Kinogangster arbeiten sie nicht mit Maschinenpistolen, sondern mit schnellen Computern.

Die schlechtesten Filme 2012

Die „Gelbe Banane“ oder so ähnlich – Preise für die schlechtesten Filme, Regisseure und Darsteller haben komische Namen. Nicht selten werden Jahrhundertwerke auf diese Weise verunglimpft, wie zum Beispiel „Heaven’s Gate“ von Michael Cimino. Bei uns dagegen kommen nur wirklich schlechte Filme auf den Index. Die Regisseure werden nur in wenigen Fällen genannt, man will ja höflich bleiben...

Platz 1 erreichte mit der Gesamtnote 6 „Die Relativitätstheorie der Liebe“. Und noch schlimmer: wir haben nach einer Viertelstunde abgeschaltet, weil es nicht auszuhalten war.
Auf Platz 2 und 3 landeten zwei Anti-Terrorfilme: „Four Lions“ von Chris Morris will irgendwie lustig sein, fand aber nur deswegen Beachtung, weil er in Deutschland fast zensiert worden wäre. „Cleanskin“ mit Sean Bean in der Hauptrolle geriet aus meiner Sicht zu Unrecht unter die Räder. Der Film ist auf jeden Fall ein straightes B-Movie.
„Die Tribute von Panem“ erreichte Platz 4 eine Note von 4,1 und da muss schon einiges zusammenkommen, um bei uns so durchzufallen. Die Gründe habe ich ausgeführt: http://bigdocsfilmclub.blogspot.de/2012/09/die-tribute-von-panem-hunger-games.html
Kaum anzusehen war auch Steven Soderberghs enttäuschender „Haywire“ (Note 4), während Joe Carnahans „The Grey“ von mir eine 2,5 bekam, dafür aber von anderen Notengebern in den Abgrund gerissen wurde.

Close but no Cigar

Die Meinungen gehen immer auseinander, aber manchmal sind formale Gründe für eine Nicht-Nominierung verantwortlich. „Bester Film des Jahres“ ist vermutlich „Cloud Atlas“, über den ich eine wieder einmal monströs lange Kritik geschrieben habe (http://bigdocsfilmclub.blogspot.de/2012/12/cloud-atlas.html). Von zwei Mitgliedern erhielt er eine fette 1 als Note. Unschlagbar.

Prometheus“ von Ridley Scott musste das gleiche Schicksal erleiden: 2x eine 2, aber leider fehlte die dritte Note, sonst hätte es zum geteilten 5. Platz gereicht.

Ein besonders krasser Fall war Álex de la Iglesias „Mad Circus“ (http://bigdocsfilmclub.blogspot.de/2012/10/mad-circus-eine-ballade-von-liebe-und.html), der für mich (Note 1) einer des besten Filme der letzten zehn Jahre ist, aber mit einer 2 und einer 5 dann knapp aus den Top Twenty flog. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass eine Debatte über einen Film jemals so lautstark und wütend geführt wurde.
Ebenfalls knapp gescheitert ist übrigens „Dame, König, As, Spion“ (http://bigdocsfilmclub.blogspot.de/2012/08/bluray-review-dame-konig-as-spion.html), den leider nur zwei Mitglieder gesehen haben (Note: 2,5) und aus den gleichen Gründen David Cronenbergs exzellenter Psychothriller „A Dangerous Method“ (Note: 2).

Auf jeden Fall war es wieder einmal ein spannendes Kinojahr. 2013 wird sicher nicht weniger aufregend, alle sind schon auf den neuen Film von Quentin Tarantino gespannt. Ich freue mich auch auf das neue Meisterwerk von Michael Haneke, und so hat jeder seiner Hoffnungen und Wünsche. Schauen wir mal, was Ende dabei herauskommt.