Mittwoch, 13. März 2013

TV-Kritik: "Der Minister"

Deutschland 2013 – Länge: 93 Minuten – Regie: Uwe Janson, Drehbuch: Dorothee Schön – D.: Kai Schumann, Johann von Bülow, Katharina Thalbach, Alexandra Neldel
 

Am Anfang ist „Der Minister“ eine sympathische Buddy-Story. Franz Ferdinand von und zu Donnersberg und sein Jugendfreund Max Drexel bilden ein gut funktionierendes Team: Max kann schreiben, ist aber ein echter Sozialphobiker, der nicht öffentlich sprechen kann; „Donnie“ hat als Spross eines altehrwürdigen Adelsgeschlechts das freie Sprechen von Kindesbeinen an üben müssen, kann aber die blankpolierte rhetorische Fassade nicht in fundiertes Denken zurückführen. Wenn beide sich helfen, können sie einiges erreichen. Eigentlich sogar alles.
Und so beginnt „Donnie“ eine steile Karriere als Politiker und wird mit seiner auch nicht gerade intellektuell aufreizenden Gattin Viktoria zum königlichen Ehepaar der Yellow Press und bei den Fans zur Pop-Ikone. Rasch geht es ins Kabinett von Angela „Murkel“, zunächst als Wirtschaftsminister und dann – durchaus ein Himmelfahrtskommando – als Verteidigungsminister. Und immer, wenn Donnie nicht ein noch aus weiß, und das kommt eigentlich täglich vor, souffliert ihm sein persönlicher Referent Max, was zu tun ist.
Erst als Franz Ferdinand in die Fänge des „Blitz-Kurier“-Chefredakteurs Jan Breitmann gerät, fällt ein langer Schatten auf die Freundschaft von Minister und Ghostwriter, von Herr und Knecht.


Rise and Fall eines Windbeutels

Das ist nur eine Seite der SAT 1-Produktion „Der Minister“. Allerdings eine Spannende, denn man mag sich manchmal nicht ausdenken, wer hinter all den souverän vorgetragenen politischen Statements unserer Volksrepräsentanten steckt. Nicht vergessen: erst unlängst deckte eine Umfrage auf, dass die Volksvertreter bei einer Abstimmung über den „Rettungsschirm“ nur ‚Bahnhof‘ verstanden hatten!
Vor dem Hintergrund einer Männerfreundschaft geht es also auch um die Hybris, die maßlose Selbstüberschätzung, die eine gut funktionierende Freundschaft und Kompetenzgemeinschaft ruiniert und am Ende dafür sorgt, dass der stille Max nicht mehr im Hintergrund bleiben kann und den Sturz des politischen Überfliegers aus Gewissensgründen inszeniert. Von und zu Donnersberg als Bundeskanzler? Shit happens, aber das geht dann doch zu weit!
Das ist die emotionale und moralische Essenz der Geschichte, der wirklich saukomische politische Rest ist eine pointensichere und ziemlich detailsichere Rekonstruktion der „Guttenberg-Affäre“, die alle wichtigen Stationen des Freiherrn bis zum bitteren Ende nacherzählt. Wenn der von Drehbuchautorin Dorothee Schön („Der letzte schöne Tag“) erdachte und Regisseur Uwe Janson (u.a. „Tatort: Schleichendes Gift“) flott inszenierte Komödienstadl endet, sehen wir die für Bildung und Wissenschaft zuständige Bundesministerin zusammen mit der Bundeskanzlerin. Beide stehen im Fotogewitter auf einer Treppe, jene berühmt-berüchtigte Szene, in der Frau Dr. S. jene SMS zu lesen bekommt, die vom Rücktritt des Verteidigungsministers berichtet. Ihr selbstgefälliges Grinsen darüber ist mittlerweile schon selbst ein Stück Realsatire geworden.
 

Was Herrn Guttenberg und Frau Schavan eint, ist: sie haben beide bei ihren Doktorarbeiten abgekupfert und damit betrogen. Was sie trennt: Frau Schavan wird bald vergessen sein, der Superstar der breiten Masse, Karl-Theodor zu Guttenberg hat einen seiner Titel verloren, 20.000 € an die Kinderkrebshilfe gezahlt und mischt auf internationalem Parkett als Distinguished Statesman (deutsch: „angesehener Staatsmann) wieder dezent mit.
Der Mann ist nicht unterzukriegen und wer sich angesichts eines möglichen Comebacks fürchterlich echauffiert, sollte ins Archiv gehen und nachlesen, mit welcher Distanzlosigkeit noch vor zwei Jahren namhafte Publizisten über den Polit-Star geschrieben haben und weitgehend selbst Opfer des Guttenberg-Hypes wurden. Nicht ohne Grund, denn weißgott nicht alles, was der Freiherr getan und gesagt hat, ist nun und in Zukunft als unsäglich abzutun. Auch akademische Betrüger gehören nicht auf einen Scheiterhaufen.
 

Und wenn die Realität schlimmer ist als die Satire?

Ein Unwohlsein beschleicht einen schon, wenn man erkennt, dass die Macher ziemlich unverhohlen mit der Politikverdrossenheit des sogenannten ‚kleinen Mannes‘ kokettiert haben. Dass Politiker einfach nur Knallchargen sind und eine Kabinettssitzung bei Frau Dr. Murkel so aussieht wie der Werbeclip eines großen Sparkassen-Unternehmens – nämlich als Ansammlung von Windbeuteln ohne Meinung und Kompetenz – greift tief in den Fundus fest verwurzelter Vorurteile. „Der Minister“ – nur eine Klamotte?
Aber kann man es aber wirklich so einfach auf einen Genrebegriff herunterbrechen?
DIE WELT hat angedeutet, dass es problematisch ist, wenn eine Satire möglicherweise durch die Realsatire ausgeknockt wird. Nur was wäre denn, wenn es zutrifft? Wird die Satire dann zu Recht ausgehebelt oder ist sie vielmehr das Gebot der Stunde?
Das ist nicht leicht zu beantworten, aber die Unsäglichkeiten der noch laufenden Affären (im Film ruft ja irgendwann ein „Herr Wuff“ den Blitzkurier-Macher an) lassen den Unwillen von ‚denen da draußen‘ mehr als verständlich erscheinen. Die peinliche Raffgier derer, die Dialoge organisieren, um sich die Taschen zu füllen, die Lobbyisten-Heere in Berlin und Brüssel, die keine Möglichkeit versäumen, um legislative Prozesse zu manipulieren und die endlos erscheinende Unfähigkeit, gigantische Bauprojekte ohne irrwitzige Budgetüberschreitungen fertig zu stellen, muss jeden mittelständischen Unternehmer mit seriösen kaufmännischen Grundsätzen in den blanken Zynismus treiben.
 

Unterm Strich bleibt eine durchaus gelungene Polit-Satire mit gut aufgelegten Darstellern. Kai Schumann gibt seinen Franz Ferdinand durchaus als nicht völlig unsympathischen Aufschneider und politischen Gernegroß, auch Johann von Bülow überzeugt dann, wenn es gelegentlich ernst zugeht in dieser knallbunten und leicht klamottigen Überzeichnung Berliner Verhältnisse. An die Wand werden alle gespielt von einer grandiosen Katharina von Thalbach, die als „Angela Murkel“ die treffsichersten Lacher erzielt und erkennen lässt, warum Frau Merkel im richtigen Leben häufig richtig böse zu ihren Bubis ist. „Barbie lebt“, stellt „Frau Murkel“ lakonisch fest, als sie zum ersten Mal dem Freiherrn und seiner Gattin begegnet. So viel Einsicht traut man unserer realen Bundeskanzlerin auch zu.