Montag, 18. März 2013

TV-Tipp: Howl - Das Geheul


"Howl", USA 2010; Regie: Rob Epstein und Jeffrey Friedman; Darsteller: James Franco, Aaron Tveit, Jon Hamm; 84 Minuten

Gestern zeigten die Öffentlich-Rechtlichen zu nachtschlafender Zeit, dass sie ihren Mumm nicht ganz eingebüßt haben: ausgestrahlt wurde eine filmische Hommage an den lyrischen Vorreiter der Beat Generation Allen Ginsburg. "Howl" wird heute abend auf EinsFestival um 20.15 Uhr wiederholt - eine Perle der Filmkunst.

"Howl" wurde 2010 von Rob Epstein und Jeffrey Friedman gedreht, die für "The Times of Harvey Milk" einen OSCAR für den besten Dokumentarfilm erhalten haben. Erzählt wird vom Prozess gegen den Verleger Lawrence Ferlinghetti, der Mitte der 1950er Jahre den ersten Lyrikband des weitgehend unbekannten Dichters Alan Ginsburg veröffentlichte. Besonders das Gedicht "Howl" wurde in der durch die McCarthy-Ära bereits stark beschädigten amerikanischen Gesellschaft als "obszön" eingeschätzt, wobei sich die Staatsanwaltschaft durchaus als Repräsentant der schweigenden und keineswegs moderne Gedichte lesenden Mehrheit verstand.

"Howl" (Das Geheul) ist kein Courtroom-Drama, sondern schafft es, durch ein kongeniales ästhetisches und formales Konzept, ein Gedicht, das mittlerweile zur Weltliteratur gehört, visuell umzusetzen. Der Film erzählt auf mehreren ineinander verflochtenen Ebenen: zum einen über das Gerichtsverfahren, in dem Jon Hamm ("Mad Men") als Ferlinghettis Anwalt gegen die Zensur kämpft, zum anderen sehen wir Ginsbergs (James Franco) berühmte Lesung im Club Six Gallery (San Francisco 1955), die durch Zeichentrickssequenzen von Eric Drooker (dritte Ebene) eine ungemein verdichtende Visualisierung erfährt. Als prosaisches Biopic (vierte Ebene) tritt der Film dann auf, wenn in einem nachgestellten Interview mit Ginsburg Autobiografisches erhellt wird.

"I saw the best minds of my generation, destroyed by madness."

"Howl" gilt nicht nur als Bekenntnis Ginsburgs zur seiner Homosexualität, sondern auch als poetische Reflexion des American Dream, den Ginsburg als alles zerstörende Egomanie kennzeichnet, als Moloch - Frank Schirrmachers "Ego" lässt grüßen.
Als Beat Generation wird eine Richtung der US-amerikanischen Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg in den 1950er Jahren bezeichnet. Bekannte Beat-Autoren waren Jack Kerouac, Allen Ginsberg und William S. Burroughs. Diese sub-kulturelle Strömung beeinflusste nicht nur die US-amerikanischen Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern buchstäblich ("beat" = müde, ermattet, geschlagen) auch das Lebensgefühl einer ganzen Generation zwischen 1948 und in den 1950er Jahren. Bekannte Beat-Autoren waren Jack Kerouac, Allen Ginsberg und William S. Burroughs.
Etwas unbekannter ist dagegen einer der großen Inspiratoren der Bewegung, Neal Cassady, der Vorbild für die Hauptfigur des Dean Moriarty in Jack Kerouac's Roman "On the Road" war.

Empfehlenswert ist John Byrums "Heart Beat" (Herzschläge, 1980), in dem Nick Nolte überaus gelungen Neal Cassady ein Gesicht gab. Leider gibt es diesen Film nur in der Originalfassung, einen Anbieter der deutsch synchronisierten Fassung konnte ich nicht finden.

"Howl" ist ein überwältigend guter Film. Nur rate ich bei den langen Rezitationen des Gedichts dringend davor ab, sich mit Fragen à la "Was hat das zu bedeuten?" allzu lange zu beschäftigen. Stattdessen sollte man sich dem Sprachfluss Ginsburgs (die deutsche Übersetzung ist durchaus adäquat) überlassen. Emotional findet man wesentlich schneller einen Zugang.