Donnerstag, 14. Juli 2016

Serien für feuchte Sommertage - Teil 3

Platz 3: „The Night Manager“ – Gut und Böse in elegantem Ambiente


Wie in einer Lieschen Müller-Phantasie verwandelt sich ein Nachtportier in einen gewieften Undercover-Agenten, um dem mächtigsten Waffenhändler der Welt das Handwerk zu legen. Wenn man als Night Manager aber so elegant aussieht wie Tom Hiddleston und der Gegenspieler Hugh Laurie wie in House ein ätzender, zynischer und unglaublich faszinierender Kotzbrocken ist, dann glaubt man dem Plot und taucht nur zu gerne ab in die Welt John le Carrés.

John le Carrés 1993 erschienenes Buch „The Night Manager“ gehört zum Spätwerk des Autors. Der Kalte Krieg als zentraler Erzähltopos in le Carrés Post-Cold-War-Büchern hat keine große Bedeutung mehr. Le Carrés Agenten müssen sich stattdessen um andere Feindbilder kümmern. Gefahr droht von Terroristen und Waffenhändler. Geblieben sind die korrupten und amoralischen Bürokraten, die in der britischen Regierung und beim Auslandsgeheimdienst MI6 längst mit den Schurken dieser Welt unter einer Decke stecken und ihre Agenten im Außeneinsatz skrupellos verraten, wenn es sein muss.

In der britisch-amerikanischen Miniserie (BBC, AMC) sind wir schnell mittendrin in der dunklen Welt John le Carrés. 2011, während des Arabischen Frühlings, werden dem Night Manager Jonathan Pine (Tom Hiddleston) in einem Hotel in Kairo Dokumente in die Hände gespielt, die auf eine Verbindung zwischen dem berüchtigten ägyptischen Hamid-Clan und Richard Onslow Roper (Hugh Laurie) hinweisen. Es geht um brisante Waffengeschäfte, und Roper, der sich öffentlich als Philanthrop gibt, ist global die Nr. 1 im dreckigen Geschäft. Pine leitet die Dokumente weiter, aber weder die britische Botschaft noch der MI6 haben Interesse an den Fakten. Stattdessen wird Roper gewarnt und wenig später ist Pines Quelle Sophie Alekan (Aure Atika), die Geliebte eines Clan-Mitglieds, tot. Pine, der eine kurze Affäre mit Sophie hatte, sinnt auf Rache, kann aber nur seine eigenen Spuren erfolgreich verwischen.



Vier Jahre arbeitet Pine in einem idyllisch gelegenen Schweizer Berghotel. Dort begegnet er Roper, und auch seiner neuen Geliebten Jed Marshall (Elisabeth Debicki), zum ersten Mal persönlich. Doch diesmal kann Pine dank eines alten Kontakts eine unscheinbare Nebenabteilung innerhalb des SIS für den Fall interessieren. Eine Handvoll Analysten, die in miefigen Büros hocken und von einer älteren Dame geleitet werden, die wie ein Hausfrau aussieht: Angela Burr (Olivia Colman), die bereits seit längerem weiß, dass Roper den Schutz der Politik und der Geheimdienste gekauft hat. Hinter dem biederen Aussehen Burrs verbirgt sich professionelle Härte: Sie überredet Pine, undercover in den inneren Zirkel von Ropers Imperium vorzudringen. Ein lebensgefährliches Katz-und-Maus-Spiel, denn im „River House“, dem Sitz des MI6, darf niemand die Identität Pines aufdecken.

Man muss nicht unbedingt so enthusiastisch reagieren wie die englische Zeitung „The Sun“ , die in ihrer Review von „one of the greatest series of all time“ berichtete. Der Plot von „The Night Manager“ überrascht nämlich nicht allzu sehr, aber die qualitativ hochwertig produzierte und exzellent fotografierte Serie ist mehr als ein konventioneller Agententhriller. Die Geschichte mit ihrer weitreichenden Verschwörung bietet Spannung à la carte und eben alles, was man an John le Carrés Romanen und den vielen Kinoadaptionen so liebt: gute Unterhaltung, die immer nah dran ist am Zeitgeist. Und der ist wieder einmal sehr böse.

Die visuelle Textur der Serie ist allerdings nicht düster wie in anderen le Carrée-Adaptionen, sondern mondän, elegant und hell. Gedreht wurde im schweizerischen Zermatt und in London, aber die Drehorte in Marrakesh und auf Mallorca sorgen für viel Sonne und einen trügerischen Wohlfühl-Effekt, der das Abgründige und Böse, das sich in den Luxushotels und –villen vor der Öffentlichkeit verbirgt, sehr wirkungsvoll konterkariert. Gelegentlich glaubt man sogar, einem 007-Spektakel mit seinen unvermeidbaren Sightseeing-Sequenzen zuzuschauen. Allerdings ist „The Night Manager“ eher 007 light, denn spektakulärer Actionszenen gibt es selten. Die Serie ist ein psychologischer Thriller.

Bemerkenswert ist, dass ausgerechnet Susanne Bier aus le Carrés Roman eine Serie gemacht hat. Die erfolgreiche Filmregisseurin („In a Better World“, „Love is All You Need“) ist offenbar ein weiteres Beispiel für die neue Lust gestandener Filmemacher am Kreativpotential einer Serie. Mit Steven Soderbergh (TV-Serie „The Knick“) hat bereits ein renommierter Regisseur die Welt des Kinos verlassen, nicht ohne das moderne Blockbuster-Kino mit einer krachenden Kritik zu attackieren. Bei Susanne Bier dürfte es sich eher um einen Sidestep handeln, obwohl die 56-jährige Dänin die aktuelle Entwicklung ähnlich kritisch einschätzt wie Soderbergh: „... das Kino läuft zurzeit Gefahr, sich immer mehr in zwei Extreme aufzuteilen - entweder Riesen-Blockbuster oder Filme mit sehr speziellen Zielgruppen. Fernsehen schnappt sich gerade die Mitte des Publikums, die das polarisierte Kino nicht mehr erreicht. Mir geht es ja auch so: Ich bleibe manchmal lieber zu Hause und gucke fünf Folgen einer tollen Serie, als ins Kino zu gehen.“

Interessant dürfte für Susanne Bier auch die Aussicht auf eine Zusammenarbeit mit John le Carré gewesen sein, der in „The Night Manager“ nicht nur einen Cameo-Auftritt hat, sondern als Produzent auch an der Stoffentwicklung und dem Script des Shakespeare-Spezialisten David Farr beteiligt gewesen ist. Und etwas Shakespeare findet man in der Rise-and-Fall-Geschichte, die Susanne Bier und John le Carré erzählen, allemal. Obwohl die Serie im Mittelteil wegen eines etwas zu breit erzählten Love Interest zwischen Jonathan Pine und Jed Marshall einen leichten Durchhänger hat, ist das Duell zwischen Tom Hiddleston und Hugh Laurie durchweg phänomenal. Denn Hiddleston begibt sich in die Nähe eines äußerst kultivierten und auf seine ganz eigene Weise charmanten Monsters, das mitunter im Bademantel herumläuft und die von ihm erst möglich gemachten Kriege cool als „Zuschauersport“ bezeichnet.
Eine Paraderolle für Hugh Laurie, der bereits in House als fulminantes Ekelpaket wie ein böser schwarzer Stern alle Akteure in die von ihm festgelegten Umlaufbahnen zwang, ohne sie endgültig abzustoßen. Tom Hiddleston begegnet diesem Powerpack allerdings mit seiner chamäleonhaften Anpassungsfähigkeit auf Augenhöhe – und scheint kurz davor zu stehen, sich in der Welt des Luxus, der edlen Settings und der absoluten Freiheit des Bösen zu verlieren. Wäre da nicht jene Nacht in Kairo, in der eine Frau getötet wurde. Und so wird in „The Night Manager“ am Ende die Rache wieder einmal kalt serviert.

„The Night Manager“ lief auf BBC One in sechs Folgen (60 Minuten). Die Fassung für den internationalen Markt besteht aus acht Episoden (45 Minuten) und ist seit Ende März bei Amazon Video zu sehen.

Note = 2,5