Mittwoch, 13. Juli 2016

Serien für feuchte Sommertage - Teil 2

Platz 4: „12 Monkeys“ – auf Dauer ermüdend


Die von Syfy produzierte Geschichte über die Paradoxien von Zeitreisen gehört zu den Serien, die man nur bedingt braucht. Das liegt aber weniger daran, dass die Showrunner Terry Matalas und Travis Fickett die Theoretische Physik über den Haufen rennen, sondern an der Hektik und der fehlenden Übersichtlichkeit des Narrativs. Besonders im letzten Drittel ermüden die Zeitsprünge, die Flashbacks und Erinnerungsfetzen nicht nur die Hauptfigur.

„12 Monkeys“ erzählt die Geschichte von James Cole (Aaron Stanford), der aus dem fernen 2043 von der Wissenschaftlerin Katarina Jones (Barbara Sukowa) mit einer Zeitmaschine in die Vergangenheit geschickt wird, um dort die fast völlige Auslöschung der Menschheit durch ein tödliches Virus zu verhindern. Die hat bereits stattgefunden und James Cole gehört zu den 7%, die sich als immun erwiesen haben. Die Korrektur der Zeitlinie ist allerdings komplizierter als es nach den ersten Erfolgen erscheint, denn die für Pandemie verantwortlichen Übeltäter sind Cole oft einen Schritt voraus. Der pendelt ergebnislos zwischen der postapokalyptischen Gesellschaft des Jahres 2043 und verschiedenen Dekaden des 20. Jh. hin und her. Er ist der Einzige, der als Jumper die Prozedur des Zeitsprungs überlebt. Zusammen mit der Virologin „Cassie“ Railly (Amanda Schull, u.a. „Suits“) muss Cole nicht nur das Geheimnis der „Armee der 12 Monkeys“ aufklären, sondern auch mit den persönlichen und emotionalen Verwerfungen klar kommen, die Zeitreisen offenbar mit sich bringen.


Time Travels sind mittlerweile ein eigenes Film- und Seriengenre geworden. In den letzten Jahren sind sie auch quantitativ ein zu beachtendes Phänomen geworden. Zuletzt konnte man in „11.23.63“ (Der Anschlag) einen brillanten und stringent erzählten Vertreter dieser Spezies bewundern. Anders als die 8-teilige Miniserie, für die Stephen King mit „11/23/63“ (dts. Der Anschlag) die literarische Vorlage geliefert hat, ist „12 Monkeys“ weniger stringent und tendiert eher in Richtung Mindfuck.

Das liegt vielleicht auch am berühmten gleichnamigen Vorbild, das Terry Gilliam 1995 auf die Leinwand brachte. Dass in dem Film Bruce Willis als James Cole zu guter Letzt scheitert, während er als Kind seinen eigenen Tod erlebt, war recht bizarr. Und auch heute noch bietet der Film viele Möglichkeiten, um sich den Kopf über die Widersprüche von Zeitreisen zu zerbrechen. 
Gilliam bediente sich mit seinem ästhetisch allerdings sehr spektakulären und schrägen Beinahe-Kultfilm wiederum bei Chris Markers Kurzfilm „Le Jetée“ (1962). Dessen Collage würde heute bei der jüngeren Generation der Medienkonsumenten wohl eher Entsetzen und völliges Unverständnis auslösen, der Film des Cinema Verité-Vertreters genoss bei den Fans des experimentellen Kinos
aber großes Wohlwollen. Wer es mag, kann ihn sich auf VIMEO anschauen.

Die Serienversion des Films ist weder experimentell anregend noch ästhetisch aufregend, sondern eher ein bieder und unauffällig inszenierter Erzählstoff. Dabei sind die Darsteller noch das geringste Problem, denn Aaron Stanford (Nebenrolle u.a. in „X-Men: The Last Stand“) als Zeitreisender macht wie auch die ehemalige Rainer Werner Fassbinder-Actrice Barbara Sukowa (u.a. „Die bleierne Zeit“ (1980), „Lola“ (1981), und für Margarethe von Trotta in „Rosa Luxemburg“ (1986) und „Hannah Arendt“ (2012)) eine gute Figur. Auch der Serienprofi Kirk Acevedo (Main Cast in „Oz“, „Law & Order“ und „Fringe“), der als José Ramse das moralische Gewissen des Time Travel-Teams geben darf, ist ganz auf der Höhe – ganz zu schweigen von der herrlich irren Emily Hampshire (u.a. in „The Returned“ (2013), nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen US-Remake der erfolgreichen französischen Serie „Les Revenants“) als Jennifer Goines.

Nein, was in „12 Monkeys“ mit zunehmender Episodenzahl lästig wird, ist der innere Widerstand, der sich langsam beim Zuschauen aufbaut. Und das liegt nicht nur daran, dass sich die Protagonisten in zähen Dialogen gegenseitig die Handlung erklären. Nein, es liegt daran, dass man sich intuitiv eine Geschichte wünscht, die den Gesetzen der Folgerichtigkeit gehorcht. Nach den ersten drei, vier durchaus spannenden Episodenbeginnen die ständigen Twists zu nerven und das Interesse erlahmt.

Während die Physik uns lehrt, dass (relativ betrachtet) Zeitreisen in die Zukunft möglich sind (Zeitdilatation), scheint sich die erzählende Zunft allerdings eher für jenen Zeitpfeil zu interessieren, der in die andere Richtung zeigt. Leider führt dies in aller Regel dazu, dass nach dem ersten Zeitsprung entweder die Kontinuität der Zeitlinie ruiniert wird oder die Handlungen des Jumpers eben zu den Ereignissen führen, die er verhindern wollte (die sogenannte Prädestinationsparadoxie). 
Das Ergebnis sind Zeitschleifen à la „Und täglich grüßt das Murmeltier“ oder jene, die Tom Cruise in „Edge of Tomorrow“ (2014) durchlaufen muss. Die X-Men haben ebenfalls den Reset-Knopf gedrückt, selbst Woody Allen konnte in „Midnight in Paris“ nicht an sich halten. Mixt man das Ganze noch mit Parallel-Universen, kann man wie in den aktuellen „Star Trek“-Filmen einfach alles nach eigenem Gusto neu erzählen.

In „12 Monkeys“ kommt nun auch noch in extremer Form die völlige Umkehrung von Ursache und Wirkung hinzu. Dies ist für theoretische Physiker und ambitionierte Philosophen sicher ein nettes spekulatives Thema, für den Freund einer konsistenten Erzählung aber kann das der Todesstoß sein, denn irgendwann quittiert auch das Hirn des Geduldigsten den Dienst. Wir sind nun mal auf Kausalität getrimmt. 
Wohin das alles führen kann, hat man nicht nur in „Terminator: Genisys“ bis zum Überdruss gesehen. Mindfuck halt wie etwa "Predestination" und in Teilen auch in "Interstellar", und der führt zu kognitiven Dissonanzen. Gelinde gesagt. Der Fan sollte sich also mit Stift und Papier bewaffnen, denn ohne Notizen übersteht man die „12 Monkeys“ nicht unbeschadet. Time Travel-Fans werden allerdings auf ihre Kosten kommen.
Seit April läuft trotz bescheidener Quoten von weniger als 0.5 Mio. Zuschauern die zweite Staffel, die dritte geht 2017 an den Start. In Deutschland kann die erste Staffel bei AMAZON Video im kostenfreien Prime-Segment gestreamt werden.

Note = 3,5