Mittwoch, 13. Juli 2016

Serien für feuchte Sommertage - Teil 1

Unlängst schrieb ein Fan (offenbar unter Tränen), dass nur derjenige über seine Lieblingsserie XYZ schreiben dürfe, der sie so innig liebe wie er dies tue. Ich will nicht über kulturellen Paradigmenwandel schwafeln, möchte aber auch nicht, dass ein ganzer Berufsstand in den Mülleimer wandert. Also: Kritik ist eine auf nachvollziehbaren Argumenten basierende Beurteilung einer Sache, die auch Meinung sein darf. Der Literatur- und Filmkritiker ist von Natur aus also kein Spaßvernichter und erst recht kein Troll, und auch wenn ich nicht alle der nachfolgend rezensierten Serien liebe, so mag ich dennoch die eine oder andere. Ich begebe mich daher gerne auf eine abschüssige Bahn und kritisiere fünf Serien, die man abseits der großen Hits wie „Game of Thrones“ oder „House of Cards“ sehen muss – oder auch nicht.

Platz 5: „Fear The Walking Dead“ – ein flaues Spektakel


Vor einem Jahr stopfte das sechsteilige Spin-off mit erträglichen US-Quoten und durchwachsenen Kritiken nur mäßig das Sommerloch. Zu durchschnittlich waren die Figuren und auch der Plot konnte nur mit viel Geduld die TWD-Junkies bei Laune halten. Das Gute daran: man konnte sehen, was man am Original hat.
 

Für den Sommer 2016 spendierte AMC der Serie weitere 15 Episoden, die in zwei Hälften inklusive Midseason-Pause gezeigt werden. Eine dritte Staffel mit 16 Episoden wurde bereits in Auftrag gegeben. AMAZON streamte die zweite Season „Fear The Walking Dead“ in deutsch synchronisierter Fassung (und als Original) bereits 24 Stunden nach der US-Ausstrahlung. Im August geht es weiter.

Mehr ist oft weniger. Die Überlebenden der ersten Staffel befinden sich auf der „Abigail“, dem Schiff von Viktor Strand (Colman Domingo). Ziel ist das mexikanische Baja, wo Strand auf dem Anwesen seines Geliebten Thomas (Dougray Scott) einen sicheren Unterschlupf erhofft. Auf dem Weg in mexikanische Gefilde müssen sich die Überlebenden mit Piraten auseinandersetzen und an Land warten triste Begegnungen auf sie. In Baja werden die Familien um Travis Manawa (Cliff Curtis) und Daniel Salazar (Rubén Blades) dann mit einer unangenehme Überraschung konfrontiert. Und die ist keine.


„Fear The Walking Dead“ will inmitten der Zombie-Apokalypse eine Familienserie sein - inmitten von Gewalt, Terror und Untoten. Die Weite des Meeres als neuer Schauplatz ist dafür keine schlechte Metapher, kann man sich doch dort in aller Ruhe dem familiären Biotop widmen. Und so hält FTWD sein Kernsujet auf Abstand und will lieber von den seelisch-familiären Nöten der Protagonisten erzählen, da ist der begrenzte Raum auf einem Schiff sicher ein guter Katalysator. Dachten die Macher wohl. Allerdings gibt es in diesen endlosen Weiten keine Untoten und nur wenig Potential für dramatische Konflikte. Es sei denn, man zieht sie an den Haaren herbei.

Das gelingt nur in bescheidenem Umfang. Denn auch im zweiten Durchgang leidet das Spin-off an schlechten Büchern und Darstellern ohne Charisma. Robert Kirkman hat diesmal kein Script beigesteuert, man merkt es. Dafür durfte Showrunner Dave Erickson (Sons of Anarchy“) für 2.01 „Monster“ ebenso ran wir der serienerfahrene Brian Buckner („Friends“, „Treu Blood“) in 2.06 „Sicut Cervus“. Die titelgebende Zeile aus dem 42. Psalm „Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir?“, vertont als Psalmlied von Giovanni Pierluigi da Palestrina, meint die nach Gott dürstende Seele inmitten einer elenden (spirituellen) Wüstenei. Den Verfasser dieser Zeilen dürstet es dagegen nach guten Scripts, aber wenn andere Autoren wie Kate Barnow ihre Serienvita mit Erfahrungen als Writer’s Assistant schmücken, ist das nicht gerade Erste Liga. Und so wirkt alles wie ein schlechtes Zweitligaspiel, in dem die Kleinen die Spielzüge und Laufwege der Großen nachahmen, dabei aber über ihre eigenen Füße stolpern.
Sicut Cervus.
Bemerkenswert ist daher - nichts. Die Plotwendungen sind leicht zu antizipieren, man gähnt und weiß fast immer, was die Hauptfiguren an der nächsten Ecke erwartet. Während in „The Walking Dead“ die Figuren von den Ereignissen gepusht werden und sich anschließend auf bedrohliche und beängstigende Weise verändern, geht FTWD einen anderen Weg: Die Scriptwriter verändern die Figuren willkürlich und schaffen erst anschließend die dazu passenden Ereignisse. Nick und Chris, die beiden Söhne von Travis, bekommen mehr Spielzeit, aber weder die massiven mentalen Probleme von Chris noch die meist blutigen Unternehmungen von Nick, der die Untoten offenbar seiner Familie vorzieht, wirken plausibel, durchdacht und nachvollziehbar. Alles am Reißbrett erdacht, alles an den Haaren herbeigezogen. So, als sollten die Figuren die Handlung ‚irgendwie’ voranbringen.

Das ‚Irgendwie’ wird durchgehend zum roten Erzählfaden. Trauriger Höhepunkt sind die Erlebnisse in Baja. Auf dem großen Weingut erwartet die Gruppe nicht nur ein von den Zombies gebissener und sterbender Thomas, sondern mit Celia auch eine sektiererische Verwalterin, die Zombies wie Familienangehörige im Keller untergebracht hat. Das wurde aus der zweiten Season von TWD geklaut. Ärgerlich. Passt aber zum großen Rest. Das Ergebnis: man schaut weitgehend desinteressiert zu und langweilt sich.
 

Fazit: „The Walking Dead“ ist deswegen so grandios, weil sich hinter der blutigen Fassade richtige Geschichten ereignen, die einiges über die conditio humana zu berichten wissen. Die Geschichten der zweiten Season von FTWD wirken bislang irgendwie verzweifelt. Ihr Thema ist offenbar der Wahnsinn, der sich langsam in der Gruppe ausbreitet. Er ist an den Haaren herbeigezogen und lässt pünktlich zur Sommerpause alles in Flammen aufgehen. Nur glaubt man den Charakteren längst nicht mehr, was sie dabei denken und fühlen. Gerade aberwitzig: eine der wenigen Figuren, die wirklich neugierig auf mehr gemacht jaben, wird im Zwischenfinale gekillt. Aber vielleicht wird sie ja wieder aus dem Hut gezaubert. Irgendwie halt. „Fear The Walking Dead“ ist eine langweilige und überflüssige Mission, die in erster Linie an ihren schlechten Drehbüchern scheitert.

Note = 4