Mittwoch, 24. August 2016

Trumbo

„Trumbo“ ist ein Film über den Ungeist einer Epoche, in der Menschen wegen ihrer politischen Gesinnung ihre Existenz verloren oder ins Gefängnis mussten. Regisseur Jay Roach erzählt mit dem Handwerkszeug der Komödie vom listenreichen Widerstand eines Mannes, den das System ausgespuckt hat und der sich durch die Hintertür wieder einschleicht. Es gibt bessere Filme über die McCarthy-Ära, aber „Trumbo“ ist keine Geschichtsklitterung und daher sehenswert.

Bryan Cranston für die Rolle des Dalton Trumbo zu casten, war ein gelungener Schachzug. Dem „Breaking Bad“-Star folgt die Aura des moralisch Ambivalenten quasi auf dem Fuße. In Jay Roachs Film wird dieses Versprechen aber nicht restlos eingelöst, denn Cranstons Darstellung des berühmten Drehbuchautors Dalton Trumbo (
Papillon“) ist weitgehend widerspruchsfrei und gradlinig. So will es das Script über den Scriptwriter. Das entspricht zwar nicht immer ganz den Fakten, ist aber politisch korrekt. Und zwar in dem Sinne, dass die Erinnerung an eine Ära der politischen Verfolgung durch Filme wie „Trumbo“ nicht verloren geht. Hängt man die Latte also so niedrig auf, dann ist „Trumbo“ eine ordentliche Einführungs-Lektion in die Geschichte der politischen Verfolgung in einem demokratisch verfassten Land. Das bedeutet aber nicht, dass „Trumbo“ ein politischer Film geworden ist.



Die härteste Kommunistenjägerin ist eine Klatschbase

Er ist in der Branche ein Star, aber das hilft ihm nicht: Der erfolgreiche Drehbuchautor Dalton Trumbo (Bryan Cranston ) gehört 1947 zu einer Reihe von Autoren und Regisseuren, die vom House Un-American Activities Committee (HUAC, dts. Komitee für unamerikanische Umtriebe) dazu befragt werden, ob sie kommunistische Inhalte in ihre Filme einschmuggeln. Zudem sollen die „Hollywood Ten“ dem Ausschuss Einzelheiten über ihre Mitgliedschaft in der Screen Writers Guild und der Kommunistischen Partei (CPUSA) nennen. Die Vorgeladenen berufen sich auf den ersten Zusatzartikel der Verfassung und verweigern die Antwort.

Hollywood brodelt. Aber die Fronten sind bereits gezogen, auch wenn sich Linke und Rechte auf Partys mehr oder weniger geistreiche, aber letztlich harmlose Gefechte liefern. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem sich abzeichnenden Kalten Krieg soll es den Salonlinken an den Kragen gehen. Nicht länger nur rhetorisch, sondern handfest. 

In Jay Roachs Film verkörpern Helen Mirren als berühmte Klatsch-Kolumnistin Hedda Hopper und David James Elliott als John Wayne die härtesten Kommunistenjäger. Sie haben die Mittel und die Popularität, um die Hollywood-Linken gesellschaftlich zu ruinieren.
Mirrens Darstellung einer zynischen und narzisstischen Yellow Press-Denunziantin ist grandios gespielt, da hat es Elliotts Performance des intellektuell schlichter ausgestatteten Western-Darstellers und beinharten Patrioten deutlich schwerer.
Hedda Hopper und John Wayne verkörperten den Zeitgeist der 1940er und 1950er Jahre in den USA. Insbesondere Hedda Hopper konnte dank ihrer millionenstarken Leserschaft mit ihren Verrissen und Attacken Existenzen vernichten. 
Helen Mirren mit ihren bizarren Hüten und David James Elliott mit wuchtiger Präsenz, aber geringer Ähnlichkeit mit dem „Duke“, bringen dies ziemlich gut auf den Punkt – irgendwo zwischen verschlagen und krachledern.
Jay Roach zeichnet dies in kräftigen Pinselstrichen pointiert nach, etwa wenn Hopper innerhalb weniger Minuten den mächtigen Studioboss Louis B. Mayer zur Entlassung Dalton Trumbos nötigt und sich damit auch für gewisse Zumutungen aus ihrer Starlet-Zeit rächt. Spätestens nach Hoppers grandiosem Coup ist in „Trumbo“ die berüchtigte Blacklist nicht mehr aufzuhalten: Unzählige Schauspieler, Regisseure und Autoren bekommen von den Studios keine Aufträge mehr.

1950 müssen die „Hollywood Ten“ sogar ins Gefängnis. Trotz einiger Kalamitäten übersteht Trumbo die Monate im Knast mit Humor und Schlagfertigkeit, Letzteres natürlich nur mit Worten. Spätestens in diesen Szenen schlägt sich Roachs Film auf die Seite der Komödie. Diesen Touch behält der Film auch weiterhin. Nach seiner Entlassung gerät Trumbo zwar finanziell schnell ins Abseits, aber Jay Roach skizziert seinen Trumbo nun als listigen Alleskönner, der sogar bereit ist, für Frank Kings Trashfilm-Produktion King Brothers dutzendweise genial-schäbige B-Picture-Scripts aus dem Ärmel zu ziehen, ohne mit der Wimper zu zucken. Alles natürlich anonym. Und die mageren Honorare können nur durch Quantität einigermaßen kompensiert werden.

Natürlich geht das – was auch sonst – nicht spurlos an dem ehemaligen Star-Autor vorbei. Immer stärker rückt Roach daher das fragile Family Life des Autors in den Fokus: Trumbo, der in der Badewanne in die Tasten seiner Schreibmaschine haut; Trumbo, der immer häufiger zu Alkohol und Aufputschmitteln greift; Trumbo, der kantiger wird und lernen muss, dass die Loyalität seiner Frau und seiner Kinder nicht für emotionale Peanuts zu haben sind. Das ist gefällig und durchaus unterhaltsam.


Überleben mit Schmuddelfilmen

Jay Roach, der sich einen Namen als Komödien-Spezialist gemacht hat („Austin Powers“), ist in diesen Sequenzen ganz in seinem Element und entzieht mit lockerer Unbekümmertheit dem Plot alles politisch Kantige zugunsten der Darstellung eines cleveren Charmebolzens. Denn Trumbo gewinnt seine ehemaligen „Hollywood Ten“-Genossen trotz einiger Gesinnungsprobleme als Co-Autoren und danach werden alle Studios gekonnt aufs Kreuz gelegt. So etwas würde auch zu „Ocean’s Eleven“ und ähnlichen Genrefilmen passen. Zusammen drehen Trumbo § Co. also der Blacklist, und damit der HUAC und dem Studiosystem, eine lange Nase. Höhepunkt der listigen Undercover-Kunst Trumbos ist dann der Oscar für die Schnulze „Ein Herz und eine Krone“ – den erhält bei der Preisverleihung allerdings Trumbos Freund Ian McLellan Hunter, der offiziell als Verfasser des Scripts gilt, während Trumbos Familie vor der schwarz-weißen Flimmerkiste Papas Oscar feiert.

Lesen kann man dies auch anders. Dalton Trumbo, der tatsächlich einige Jahre lang Mitglied der ultra-orthodoxen CPUSA war, überlebt ökonomisch deshalb, weil er dem Affen Zucker gibt. Der heimliche Oscar für „Ein Herz und eine Krone“ und danach auch jener für den von den Kings Brothers produzierten „The Brave One“ waren qualitativ eine Ausnahme – tatsächlich standen auf Frank Kings Liste eher Filmplots, in denen Gorillas („Ich habe eine Gorillakostüm gekauft – schreibt was dazu!“) weiße Frauen jagen. Immerhin hat John Goodman als rustikaler Schmuddelfilmer Frank King einen herrlichen Auftritt, wenn er mit dem Baseball-Schläger einen Lakaien Hedda Hoppers aus dem Büro jagt.


Wie auch immer: In Jay Roachs „Trumbo“ scheint es dem Titelhelden zu gefallen, die kapitalistische Illusionsmaschine mit herrlich-perfekten Gross-out-Movies, also Schundfilmen, zu fluten. Da ist Bryan Cranston ganz der alte Walter White, der im Alleingang mit viel Chuzpe die großen gefährlichen Kartelle austrickst.
Wer es mag, kann dies als subversiv goutieren. 
Tatsächlich spielt(e) Trumbo perfekt auf der Klaviatur des von ihm verachteten kapitalistischen Systems und liefert Massenkost mit dem gewissen Etwas. Die gesellschaftskritischen Filme drehte später dagegen ein Mann wie Elia Kazan, aber der hatte dem berüchtigten Komitee zugearbeitet und galt bis zu seinem Tode im Jahre 2003 in der Branche als Verräter. Dieses Dilemma arbeitet Jay Roach nicht auf, allerdings hätte es wohl auch den Plot gesprengt.


Die Ära war komplexer als es die Rezeption ahnen lässt

Authentisch wirkt Roachs Film über weite Strecken schon, auch wenn einige der vermeintlich historischen Bildquellen eben nicht historisch sind, sondern Mockumentary und das eine vom anderen nicht immer leicht zu trennen ist. Nicht korrekt wiedergegeben wurde die Rolle des bekannten Schauspielers Edward G. Robinson, der in Wirklichkeit die „Hollywood Ten“ eben nicht namentlich ans Messer lieferte, um seine Karriere zu retten. Wahr ist, dass Robinson sich in der Hollywood Anti-Nazi League und in anti-faschistischen Gruppen engagierte, deswegen später keine Rollen in A-Majors bekam und sich mit einem devoten Artikel “How the Reds made a sucker out of me“ aus der Affäre ziehen wollte. 

Das geht angesichts der künstlerischen Freiheit in einem erträglichem Umfang auf das Konto des von John McNamara verfassten Drehbuchs, das auf der von Bruce Alexander Cook geschriebenen Biografie „Dalton Trumbo“ basiert. McNamara zeichnet das Portrait eines aufrechten Moralisten und listenreichen Kämpfers für die Freiheit des Wortes, das als Biopic dann doch etwas zu stromlinienförmig daherkommt.
Dalton Trumbo, das sollte schon erwähnt werden, war kein Salonlinker. Zur politischen Korrektheit gehört nunmal auch seine politische Naivität und/oder ideologische Blindheit. Trumbo schrieb, unter anderem für Rob Wagner’s „Script“, Artikel, in denen er die weltpolitische Rolle der Sowjetunion und den stalinistischen Terror entweder nicht richtig einschätzen konnte oder überhaupt nicht kannte. Für wahrscheinlicher hielt er es, dass in den USA Konzentrationslager gebaut werden. Trumbos bekannten Artikel „The Russian Menace“ (25. May 1946 in „Script“) kann man diesbezüglich bequem online nachlesen. Und der Text zeichnet einige Facetten nach, die man kennen sollte.

Und Joseph McCarthy? Der wird in „Trumbo“ nicht gezeigt, abgesehen von etwas dokumentarischem Footage. Das ist historisch korrekt, denn mit dem HUAC und der Blacklist hatte McCarthy nichts zu tun. Der erzkonservative und bei seinen Kollegen unpopuläre Kommunistenfresser fiel zwar in den frühen 1950er Jahren mit einschlägigen Statements auf, konnte aber erst ab 1953 als Vorsitzender des Government Operations Committee (GOC) einen Unterausschuss für seine Menschenjagd instrumentalisieren. McCarthy, der einer traurigen Ära seinen Namen gab, befand sich damit in direkter Konkurrenz zum HUAC, in dem der spätere US-Präsident Richard Nixon eine dominierende Rolle spielte.

Weit über 60 Jahre später sind die komplexen politischen und verfassungsrechtlichen Probleme, die die USA über zwei Dekaden lang spalteten, nicht einfach zu rekonstruieren. Und das meint nicht den moralischen Anspruch der Kommunistenjäger, sondern die komplizierten Details ihrer Vorgehensweise, die im Falle McCarthys darin gifelten, dass der machtgierige und eitle Senator am Ende sogar die US-Army frontal angriff.
Wer ein präziseres Bild dieser Jahre sehen möchte, sollte sich Lutz Hachmeisters Docu-Fiction „Der wirkliche Amerikaner – Joe McCarthy“ anschauen (bis zum 30. August auf Arte+7) oder George Clooneys Film „Good Night, and Good Luck“ (2005), in dem ein mutiger Fernsehjournalist den Kampf gegen ein klaustrophobisches Amerika hart am Rande der Paranoia aufnimmt. Clooneys Film ist anstrengender, basiert auf wahren Begebenheiten und ist besser als
„Trumbo“.

In der Version von Jay Roach findet man durchaus Spuren dieser Zeit, muss aber dafür einen weichgespülten Titelhelden schlucken, den man am Ende gar für einen waschechten Liberalen halten könnte.
Dalton Trumbo erkämpft sich am Ende des Films nicht aus eigener Kraft seine Rehabilitation. Vielmehr buhlen Kirk Douglas (Dean O’Gorman) und Otto Preminger (Christian Berkel) um den Autor: der eine will ihn für „Spartacus“ (Regie: Stanley Kubrick), der andere für „Exodus“. Beide kriegen ihn und beide wollen den Autoren in den Credits nennen. Und das zählt schließlich.
 Als John F. Kennedy dann von „Spartacus“ begeistert ist, ist die HUAC beinahe am Ende. Erst 1975 wurde sie formell aufgelöst. Dalton Trumbo dagegen bekam offiziell seine Oscars und die Rede, die er in der letzten Sequenz des Films irgendwann in den 1970ern hält, handelt davon, dass alle Opfer waren: die Denunzierten und die Denunzianten. Ganz zum Schluss wird Jay Roachs Film plötzlich ganz ernst und ganz sentimental. Und das passt dann auch zu einer Dramödie, die nichts falsch machen wollte und eigentlich auch nicht viel falsch gemacht hat.

Noten: BigDoc, Klawer = 2

Trumbo - USA 2015 - Regie: Jay Roach. Drehbuch: John McNamara. Kamera: Jim Denault. D.: Bryan Cranston, Diane Lane, Helen Mirren, Elle Fanning, John Goodman, Dean O’Gorman, Christian Berkel. Laufzeit: 124 Minuten – FSK: ab 6 Jahren.