Samstag, 1. Juni 2024

Star Trek: Discovery, Staffel 5 – ein Nachruf

Mit der fünften Season endete die Geschichte um Captain Burnham und ihre Crew. Vier Staffeln lang ging es qualitativ auf und ab. Das Serienende bot dann ordentlichen Durchschnitt. Es war auch nicht zu erwarten, dass „Star Trek: Discovery“ sich in der letzten Staffel neu erfindet.

So trat die doch ziemlich teure „Discovery“ mit gepflegtem Mittelmaß und viel Nostalgie die Reise in den Serienhimmel an. Und so traurig es ist: Im Großen und Ganzen ist die fünfte Staffel so bräsig, dass man sich etwas nur schwer vorstellen kann - nämlich, sich das Ganze ein zweites Mal anzuschauen. Abgesehen vom gelungenen Staffelende holte einen die Story nicht ab. Für eine Star Trek-Serie ist das der finale KO-Schlag.

Immer muss das verdammte Universum gerettet werden

Noch einmal eine mitreißend gute Staffel zu kreieren, das hatte am Ende offenbar niemand mehr vor. Das Ende der Serie wäre schwer zu erklären gewesen. Dabei darf man nicht vergessen, dass die vierte Staffel 2022, also fünf Jahre nach der Premiere, endlich für ein ‚richtiges‘ Star Trek-Feeling gesorgt hatte. Man durfte auf mehr hoffen. Bis die Absetzung folgte. Gut, „Discovery“ war teuer und die großen Studios sparen mittlerweile, aber am Ende dürften wie üblich die Quoten darüber entschieden haben, ob der Daumen sich senkt oder nicht.

Die 2017 an den Start gegangene Serie war von Anfang an kein Vergnügen für jene Trekkies, die am Kanon festhielten und damit an der Erzähllogik des Franchise inklusive korrekter Timeline. War „Discovery“ logisch? Ein Hi-Tech-Raumschiff mit Sporenantrieb und der Möglichkeit, sofort an jeden x-beliebigen Ort im Universum zu springen? Und das in der Prä-Kirk-Phase? Nein. In Sachen Technik sprengte die USS Discovery alles weg, was nach Kontinuität und Logik aussah. Captain Kirk hätte sich sehr über eine empfindungsfähige KI als Bordcomputer gefreut. Gab es aber nicht. Wie auch viele andere Gimmicks, die sehr nützlich gewesen wären.
Bedenken hatte man im Writer’s Room aber nicht. Man hielt sich daran, dass ein modernes Star Trek kinoreife Effekte und ein elegantes Set Design präsentieren müsse. Und natürlich sollten in bester Roddenberry-Tradition gesellschaftliche Themen, Trends und Kontroversen widergespiegelt werden. Und so waren Figuren mit unterschiedlichen sexuellen Präferenzen an Bord der „Discovery“, was einigen Zuschauern zu woke war.
Recht machen kann man es im globalen Kulturkampf sowieso keinem. So freute sich ein Kritiker über die non-binären Figuren in „Discovery“, tadelte aber, dass Captain Pike in „Strange New Worlds“ den Zuschauern wieder eine hetero-normative Ideologie in den Kopf hämmern würde.

Was Vielfalt bedeutet, zumindest für Michael Burnham (Sonequa Martin-Green), erfährt man in der allerletzten Folge „Life, Itself“. Viele unterschiedliche Charaktere, die zu einer Familie verschmelzen. Abgesehen von der ersten sehr harten und erwachsenen ersten Staffel spielte Sonequa Martin-Green eine mutige, unkonventionelle und außerordentlich empathische Frau. Auch in ferner Zukunft gehörte sie zu den selbstbewussten Frauen, die in der Sternenflotte Karriere machen durften, bevor sie in der Kirk-Ära wieder subalternen Tätigkeiten nachgehen mussten. Sieht man mal von Roddenberrys Provokation ab, nämlich mit Michelle Nichols als Nyota Uhura eine selbstbewusste und zudem farbige Frau in den 1960er-Jahren auf der „Brücke“ zu präsentieren.
Die Serie hatte wie die klassische TOS also von Beginn an ein hohes Konfliktpotential und die Fans fetzten sich bereits nach den ersten Episoden. Warum sehen Klingonen so völlig anders aus? Warum pfeift man auf die Traditionen? Weil man es kann. Aber auch, weil man neue Zielgruppen ansprechen musste. Die Trekkies, die von Anfang an dabei waren und es blieben, dürften allesamt 60-70 Jahre alt sein. Neue Fans zu gewinnen, war ein Muss - und das gelang: Die 3. Season erreichte mit 91% bei Rotten Tomatoes ihren höchsten Zustimmungswert. Auf der IMDB war der Zuschauerzuspruch verhaltener. Trotzdem: Flops sehen anders aus.

Trotzdem wurden die leidigen Kanon-Debatten lästig. Mit einem Sprung in eine über 900 Jahre entfernte Zukunft schrieben die Autoren daher einen Plot Twist in die Serie, mit dem sich Captain Michael Burnham und ihre Crew sich elegant von den Zumutungen des Kanons befreien konnten. Die Macher natürlich auch, denn die netten Technologien mitsamt Sporenantrieb waren danach so schnell aus dem 23. Jh. verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. Und niemand durfte davon erzählen, dass es sie gegeben hatte. Die Timeline war wieder logisch. Und endlich konnte jeder verstehen, warum Captain Kirk ohne Sporenantrieb durchs All düsen musste.

Wohlgesonnene konnten über diese narrativen Tricks hinwegsehen. Denn nicht alles, was man in den letzten sieben Jahren an Bord der Discovery zu sehen bekam, war unterirdisch. Man konnte sogar von gutem Durchschnitt und zunehmender Qualität sprechen, auch wenn es nervte, dass die tapfere Besatzung der Discovery (eigentlich immer) den gesamten Kosmos retten musste.
Nein, nicht nur die Milchstraße, sondern auch den ganzen verdammten Rest. Und dabei ging es stets tränenreich zu, denn „Discovery“ war randvoll zugepackt mit Beziehungskrisen und emotionalen Herausforderungen. Auch das nervte streckenweise, aber Optimismus, Loyalität und Teamspirit gehörten bis zu Schluss zu den emotionalen Schlüsselbotschaften der Serie. Am Ende war man trotzdem froh, dass es mit Jett Reno (Tig Notaro) wenigstens eine Figur an Bord gab, die regelmäßig sarkastische Kommentare ablieferte.

Milde Traurigkeit

Damit ist nun Schluss. Eine milde Traurigkeit liegt in der letzten Season über der Crew, so als würden die Figuren spüren, dass es ihnen an den Kragen gehen soll. Nicht nur das, auch die USS Discovery soll mitsamt dem Sporenantrieb auf dem Schiffsfriedhof verschwinden, was heftig an der Identität Paul Stamets (Anthony Rapp) rüttelt. Nur er beherrscht den Sporenantrieb perfekt. Lebenspartner Dr. Hugh Culber (Wilson Cruz) mag da trösten, aber beide wissen: Eine vergleichbare Technik gibt es auch in ferner Zukunft nicht.

Auch Burnhams Nr. 1 verlässt das Schiff. Saru (Doug Jones) und die vulkanische Föderations-Präsidenten T'Rina (Tara Rosling) haben bereits in Staffel 4 zueinander gefunden. Nun steht die Hochzeit ante portas. Der feinfühlige Saru musste Platz machen für eine neue Nr. 1., die ziemlich ruppiger war. Callum Keith Rennie als undiplomatischer, querdenkender Ex-Captain Rayner fliegt nur deshalb nicht aus der Starfleet, weil Michael Burnham ihm eine letzte Chance gibt. Tatsächlich brachte die neue, unbequeme Figur mehr Drama in die Geschichten. Auch weil Burnham in diesem Dauerkonflikt ihre harte Seite zeigen konnte.

Abgesehen von diesen mikroskopischen Einschnitten geht es den ersten beiden Episoden der 5. Season um Adieus und tränenreiche Abschiede. Und da auch Tilly (Mary Wiseman) eine Dozentenstelle in der Starfleet den Abenteuern in den Weiten des unerforschten Weltraums vorzieht, dann aber doch noch diese letzte Mission mitmacht, menschelt es an allen Ecken und Kanten kräftig. „Star Trek: Discovery“ wich keinen Millimeter ab von den sentimentalen und gelegentlich sogar rührseligen Dialogen, die – sorry, aber es muss gesagt werden – pädagogisch wertvoll, aber auch etwas konstruiert wirkten.  „Star Trek: Discovery“ war halt nette Familienunterhaltung.

Schnitzeljagd im Kosmos

Zwar geht es in der letzten Staffel ausnahmsweise nicht um die Rettung des Universums, aber Doc Kovich (David Cronenberg ist erneut ein Highlight) konfrontiert Michael Burnham mit einem geheimen Geheimauftrag, der eigentlich super-geheim ist und damit zu den „Roten Direktiven“ gehört. Das bedeutet: keine Fragen stellen, sondern den Job erledigen.
Es geht um eine geheimnisvolle Technologie, die die Crew der USS Discovery von einem romulanischen Kriegsschiff holen soll, das bereits seit 800 Jahren durchs All treibt. Wenn man etwas retten soll und nicht weiß, wie das Objekt aussieht, dann hat man ein Problem. Doc Kovich erklärt daher missmutig, dass ein romulanischer Wissenschaftler die Technologie der „Progenitoren“ entdeckt hat. Und die sind vermutlich die erste intelligente Spezies der Galaxis gewesen. Eine schöpferische Spezies, die humanoide DNA auf geeigneten Planeten platzierte (s.a. „The Next Generation“ (TNG) 6x20 „The Space“). Sowas darf natürlich nicht in falsche Hände geraten. Nur am Rande: Wer sich hinter Doc Kovich verbirgt, wird in den letzten Minuten der Staffel enthüllt.

Doch auch andere sind hinter der Super-Technologie her. Es sind die Space Pirates Moll (Eve Harlow) und der Breen L'ak (Elias Toufexis), die immer wieder schneller sind als Burnhams Crew. Moll ist irgendwie über sieben Ecken mit Cleveland Booker (David Ajala) verwandt und erinnert an die Replikantin Pris (Daryl Hannah) in Ridley Scotts „Blade Runner“. Und mit etwas Phantasie erkennt man in L’ak einen entfernten Vetter der Ingenieure in Ridley Scotts „Prometheus“. Allerdings ist L’ak für das aggressive Volk der Breen aus politischen Gründen unentbehrlich. Für eine Karriere als Raumpirat ist da kein Platz. Mit den Breen hat es die Discovery mit einem scheinbar überlegenen Gegner zu tun – eine Erzählfloskel, die wirklich niemanden fassungslos umhaut.

Die interstellare Schatzsuche kann also beginnen. Die Progenitoren hatten vor 4 Milliarden Jahren (!) schwer zu lösende Rätsel hinterlassen, die den Weg zu ihrer Technologie beschreiben. Zehn Episoden lang muss nun die Crew um ihren Captain Michael Burnham die knifflige „Aufgabe der Woche“ lösen, um dem Geheimnis der Progenitoren auf die Spur zu kommen. Eine Schnitzeljagd im Kosmos.

Das brachte eine Prise vertikales Erzählen in die Staffel, aber wer die insgesamt 10 Folgen von „Star Trek: Discovery“ mit den kreativen und umwerfend guten Geschichten von „Strange New Worlds“ vergleicht, wird erkennen, dass sich die Discovery etwas müde und mit wenig Elan von uns verabschiedet. Natürlich mit einer obligatorischen Prä-Warp-Gesellschaft und anderen Dauergästen in den Star Trek-Plots. Aber immer, wenn man eigentlich abschalten wollte, präsentierten die Macher eine nette Idee wie das irre Time Travel Jumping in Episode 4 „Face the Strange“ oder einen tollen Oneliner von Jett Reno (Tig Notaro).
Zwar sollte in der letzten Staffel nicht das gesamte Universum gerettet werden, aber Michael Burham musste sich mit dem verlockenden Angebot der
Progenitoren auseinsetzen, fortan die Hüterin der Progenitoren-Technologie zu werden. Dies war dann doch etwas zu viel Macht. Und so verschwand die Option, die Galaxis ganz nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten, hinter dem Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs.

Das eigentliche Ende war typisch für die gesamte Serie. Wie viele anderen Serien des Star Trek-Franchise verabschiedete man sich mit einem Flash Forward und zeigte, was vier Jahrzehnte aus der Hauptfigur geworden war. Zugegeben: die Erinnerungen der fast 60-jährigen Burnham gingen unter die Haut. Aber was aus ihrer Crew, der „Familie“, geworden ist, hätte man auch gerne erfahren. Dass die Autoren am Ende der Bord-KI Zora dann doch noch einen finalen Auftritt spendierten, verdient ein Sonderlob. Auch der Einfall, die „Discovery“ irgendwo in den Tiefen der Galaxis zu parken, wo Zora auf eine neue „rote Direktive“ warten soll, lässt interessante Optionen für kommende Serien zu. Und plötzlich spürte man, dass man sich an das Schiff und die meisten Figuren gewöhnt hatte und einige von ihnen sogar mag. Farewell, Discovery!

Note: BigDoc = 2,5


Star Trek: Discovery – USA 2024 – Network: Paramount+ - Production: CBS Studios – Showrunner: Alex Kurtzman, Michelle Paradise – D.: Sonequa Martin-Green, Doug Jones, Anthony Rapp, Mary Wiseman, Wilson Cruz, Blu del Barrio, Callum Keith Rennie, David Ajala, Tig Notaro.