Dienstag, 9. August 2011

Super 8


USA 2011 - Regie: J.J. Abrams - Darsteller: Elle Fanning, Kyle Chandler, Joel Courtney, Gabriel Basso, Noah Emmerich, Ron Eldard, Riley Griffiths, Ryan Lee, Zach Mills, Amanda Michalka, Katie Lowes, Thomas F. Duffy, Marco Sanchez - FSK: ab 12 - Länge: 112 min. –

In „Super 8“ entführen Produzent Steven Spielberg und Regisseur J.J. Abrams ihr vermutlich überwiegend jugendliches Publikum in die späten 70er Jahre: eine Gruppe von Kindern wird Zeuge eines katastrophalen Zugunglücks und findet heraus, dass etwas Unheimliches und Gefährliches sich aus dem Zug befreit hat und möglicherweise ihre beschauliche Kleinstadt bedroht. Und bald erscheint auch das Militär, während immer mehr Menschen verschwinden...
Wenn Freunde durch dick und dünn gehen, dann überstehen sie nicht nur die schlimmsten Gefahren, sondern können auch ihre Familien von größeren und kleineren Beschädigungen heilen. Ob diese typische Spielberg-Botschaft und eine Handvoll sehenswerter CGI-Effekte für einen Sommerhit in den Kinos sorgen werden, bleibt angesichts einer gelegentlich unentschlossenen Geschichte fraglich.

Lilian, Ohio, Sommer 1979: Eine Handvoll Teenager dreht unter der Leitung des zwölfjährigen Charles (Riley Griffiths) ein Jahrzehnt nach George A. Romeros „The Night of the Living Dead“ ihren eigenen Zombiefilm. Bei den Vorbereitungen einer nächtlichen Szene am Bahnhof werden sie Zeuge eines Unglücks: ein Zug entgleist, nachdem sich ein Pickup auf die Gleise begeben hat. Der Fahrer überlebt die Kollision: es ist der Biologielehrer der örtlichen Schule. Er warnt die Kinder davor, nichts von der Begebenheit zu erzählen. Allerdings nimmt Joe (Joel Courtney) einen geheimnisvollen Metallwürfel von der Unfallstelle mit. Wenig später riegelt eine Spezialeinheit unter der Führung von Colonel Nelec (Noah Emmerich) alles ab und geht dabei wenig zimperlich mit den Kleinstädtern um. Als sich die Kinder einige Tage später auf ihrem frisch entwickelten Super 8-Film die nächtlichen Erlebnisse noch einmal anschauen, entdecken sie ein Monster, das einen der Wagons verlassen hat. „Blow up“ lässt grüßen. Merkwürdige Dinge geschehen und als das Monster Alice entführt, den heimlichen Star ihres Films, erkennen sie das Ausmaß der Bedrohung.

J.J. Abrams (u.a. Lost, Fringe, Star Trek, Cloverfield (Produzent)) gelingt eine starke Exposition. "Super 8" führt gekonnt seine Protagonisten ein, deren Freundschaft durch die Ressentiments und Vorurteile der Erwachsenen beschwert wird. Die Abenteuer eines Sommers: in der ersten Viertelstunde beschwört der Film überzeugend die Atmosphäre von „Stand by me“ (Rob Reiner, 1986) und „The Goonies“ (Richard Donner, 1985, D: S. Spielberg). Auch die einfühlsame Skizzierung der Film-Nerds und ihre hingebungsvolle Liebe des kultigen Filmtrash erzeugt eine humorvolle Grundstimmung, die auch im Hauptteil des Films nicht ganz verloren geht. Auch wenn "Super 8" nicht wirklich ein Coming-of-Age-Film ist, gelingen Abrams einige ausgesprochen gute Szenen, die vermutlich eher jenen erwachsenen Teil des Publikums ansprechen werden, der eine eigene Filmkultur besitzt und sich an die Vorbilder erinnern kann. Aber es gibt ja noch die eigentliche Zielgruppe des Films und für die Kids lässt es „Super 8“ richtig krachen.

Tarantula meets E.T.
Wenn es im Rest des Films um die Suche der Kinder nach Alice und dem geheimnisvollen Monster geht, das sich schließlich als Alien entpuppt, scheint sich der Film in Richtung „E.T.“ zu entwickeln, aber leider fehlt der Geschichte bereits an diesem Punkt die emotionale Grundschwingung des großen Vorbilds. Während in Spielbergs Klassiker das Alien eine Figur mit Charme, Humor und Individualität ist, bleibt das tarantelartige Alien in „Super 8“ bis zuletzt etwas Fremdes und Bedrohliches, auch wenn es ein Opfer mitleidloser militärischer Versuche ist und eigentlich auch nichts anderes will, als nach Hause zu gelangen.
Wenn die Kinder am Ende in den unterirdischen Bau des Wesens vordringen und es zum "Close Encounter" kommt, hat „Super 8“ mehr mit der Schaulust der rustikalen Sci-Fi- und Horrorklassiker der Fünfziger zu tun, die davon lebten, die Präsentation des gruseligen Monsters hinauszuzögern, um dann den ganzen Schrecken zu präsentieren und das Publikum ins lustvolles Gruseln zu versetzen. So funktioniert auch "Super 8": das Alien sieht aus wie die Riesenspinne in "Tarantula", allerdings nicht ganz so böse. Es kommuniziert zwar telepathisch mit den Menschen, aber dieses Gimmick bleibt leider blutleer, weil beide Seiten sich wenig zu sagen haben. Kein Wunder, hängen doch die Verschwundenen und auch Alice als Lebendfutter an der Decke! Wenn es einen Schwachpunkt gibt, dann ist es ausgerechnet das missratene Filmende. Abrams/Spielberg konnten sich offenbar nicht einigen, ob zum Schluss das Gruselpanoptikum warten soll oder ein Alien, dessen Beweggründe wenigstens ansatzweise nachvollziehbar sind.
Während die alten Monster- und Alien-Filme auch heute noch von einer gewissen Naivität und ihrer Eindimensionalität leben, bleibt „Super 8“ nicht nur am Ende unentschlossen. Der Film will alles gleichzeitig sein: klassisches Gruselkino, Jugend- und Familienfilm, Melodram, großes Gefühlskino und nostalgische Zitatenkiste, aber auch ein tougher Blockbuster mit rasanter Action und realistischer Dramatik. Irgendwie wirkt dies so, als hätte man Jack Arnold, den großen B-Picture-Könner der 50er Jahre, mit einem großen Budget arbeiten lassen.
Das ist nicht immer ganz zufriedenstellend ausbalanciert, unterhält aber passabel. Das Zeug für einen Klassiker hat „Super 8“ allerdings nicht, auch wenn der Film für ein charmantes Ende sorgt: Im Abspann läuft der fertig gestellte Film der Kids - ein ausgesprochen amüsantes Vergnügen. Und so ist „Super 8“ auch eine Hommage an die frühen Super 8-Arbeiten des ganz jungen Steven Spielberg, was die jungen Nerds von heute aber nicht sonderlich interessieren wird.
Noten: BigDoc = 3, Klawer = 3 

Nachtrag: Wer einen schönen Coming-of-Age-Film sehen will, sollte sich "Mama ist beim Friseur" (Maman est chez le coiffeur) anschauen. Der kanadischer Fernsehfilm von Léa Pool aus dem Jahre 2008 ist auf DVD erhältlich. Ein außergewöhnlicher Film: psychologisch glaubwürdig, atmosphärisch ein Kleinod - allerdings ohne Monster. Dieser Film lief nach dem Kinobesuch von "Super 8" am gleichen Tag im Filmclub und erzielte die Note 1,5, was den geteilten 2. Platz in der laufenden Jahreswertung bedeutet!