Sonntag, 1. Januar 2012

Top Twenty 2011


Mit 56 gesichteten Filmen fiel das Kinojahr doch mager aus – dies entspricht einem Film pro Kalenderwoche – und nur 1x waren mehr als die Hälfte der Filmclub-Mitglieder im Kino. Dafür konnten sechs Filme aus den Top Twenty per Bluray vorgestellt werden, was schon ein kleiner Techniksprung ist.
Die inhaltliche Qualität der Top-Filme kann sich sehen lassen: das französische Flüchtlingsdrama „Welcome“ von Phillippe Lioret gelangte gleich zu Beginn des Jahres auf Platz 1. „Welcome“ ist ausführlich reszensiert worden, deshalb nur der Hinweis, dass dies wohl für lange Zeit der einzige Film bleiben wird, der vor den Mitgliedern eines europäischen Parlaments aufgeführt wurde. In der zweiten Jahreshälfte stieß dann Susanne Biers „In a Better World“ auf den geteilten 1. Platz. Zu Recht, denn Biers Drama rührt an moralische Grundfragen, und zwar mit einer emotionalen Wucht, die keinen kalt lassen kann.
Auf Platz und 3 und 4 landeten zwei Independent Movies, was ich persönlich doch sehr erfreulich finde, weil dies Filme sind, die im Kino weitgehend keine Chance haben und bestenfalls mal auf ARTE oder 3sat gezeigt werden.
Steven Spielberg hat mit „Tim und Struppi“ endlich einen 3 D-Film vorgelegt, der wirklich etwas aus dem Raum macht und kein billiges Jahrmarktsspektakel ist. Den 5. Platz hat er sich redlich verdient. Auch Christopher Nolans „Inception“ ist wie Spielbergs Film formal bahnbrechend und zudem ein Meilenstein in der Geschichte des Sci-Fi-Genres. Das zeigt die Häufigkeit, mit der dieser Film in anderen Genrekritiken zitiert wird. Meist ein Anzeichen, dass da ein Klassiker heranwächst. Zwei Blockbuster, die jeden Cent wert waren.
Mit „Inception" beginnt ein Block von mehreren Filme, die sich alle den 6. Platz geteilt haben. Fassen wir zusammen: Nach dem emotional überzeugenden „Crazy Heart“ möchte ich den Blick auf Stephen Frears „Immer Drama um Tamara“ lenken, denn diese flotte Komödie spielt in einer anderen Liga als das, was wir hierzulande als Komödie vorgesetzt bekommen – und es zeigt, dass das britische Kino bei uns immer gut ankommt, s.a. Platz 14 für Ken Loachs „Looking for Eric“. Mit „The Fighter“ schaffte es wieder einmal ein Boxfilm in die Top Ten: David O. Russells Film kann es auch dank exzellenter Darsteller wie Christian Bale und Mark Wahlberg mit „The Wrestler“ aufnehmen und hat zudem die historische Authentizität als Pluspunkt zu verbuchen. Der letzte Film auf dem geteilten 6. Platz ist „Harry Potter 7.1.“, um es mal im Webjargon auf den Punkt zu bringen. Gut, hier könnte man auch gleich Teil 2 dranhängen.
Aus den Filmen ab Platz 11 möchte ich besonders Lars Kraumes „Die kommenden Tage“ hervorheben: gelungenes deutsches Genrekino, nicht ohne Ecken und Kanten, aber mutig und möglicherweise in ein paar Jahren aktueller als einem lieb sein kann.

Kommen wir zu den Flops, den Grausamkeiten, die uns das Kino in den vergangenen 12 Monaten vorgesetzt hat.

Platz 1 nimmt ziemlich ungefährdet ein Film ein, der nur gedreht wurde, weil er als Trailer des Grindhouse Double-Feature von Tarentino/Rodriguez große Popularität erlangte. Dieser Mythos wurde durch die bestialisch schlechte Verfilmung zur Gänze demontiert. Der SPIEGEL nannte den Film „unerträglich“. Dem ist nichts hinzuzufügen. Auf Platz 2 landete ein Film, den ich für einen der besten Sci-Fi-Filme des vergangenen Jahrzehnts halte: „Splice – Das Genexperiment“. Die Geschichte eines Gen-Monsters, das zunächst beim Zuschauer süße Beschützerinstinkte auslöst, um dann nach der Reifungsphase als multi-sexuelles Wesen mit Papa und Mama..., na ja, das Folgende erspare ich mir. Dem Rest des Filmclubs, der sich nur schwer aus der Erstarrung lösen konnte, war dies eindeutig zu viel. Thumbs down! Interessant ist auch der Absturz des Starschreibers Paul Haggis, dem wir einige gute Filme verdanken. Die todlangweiligen „72 Stunden“ waren auch durch die Darsteller nicht zu retten – Kino von der Stange. Und nicht mal gut gemacht.
Aber auch andere Größen des Kinos landeten in unserer Flop-Liste: ich verweise nur auf den exzellenten „Source Code“ von Duncan Jones („Moon“). Ein Film, der für das Verständnis des Plots explizite Kenntnisse der Quantenphysik voraussetzt, kann in unserem an sich hart gesottenen Club leider keine Punkte machen. Dass ich diesen Film nachdrücklich empfehle, ist ein anderes Thema.
Üblicherweise präsentiere ich nur die 10 schlimmsten Flops, aber diesmal mache wegen der Prominenz der Opfer eine Ausnahme: auf Platz 11 und 12 liefen mit Martin Scorseses „Shutter Island“ und Oliver Stones „Wall Street“-Sequel zwei Regisseure ein, die uns schon bessere Zeiten gesehen haben. Pech gehabt.

Abschließend möchte ich noch einen Blick auf die Rubrik "Close but no cigar" werfen. Hier landen Filme, die nur von zwei Clubmitgliedern gesehen wurden. Platz 1 belegt hier der neue Film von Terrence Malick "The Tree of Life", den ich (Schande über mich) wegen seiner Länge und der außergewöhnlichen Erzählweise nicht im Club vorgestellt habe. Mir schwante Böses. Klawer und ich gaben dem Film, der hier ausführlich besprochen wurde, eine 1,5.
Sehr gut hat uns beiden auch "Ein Sommer in New York - The Visitor" von Thomas McCarthy gefallen - ein sensibles Migrationsdrama, das eine glatte 2 erhielt. Auf Platz 3 landete der von Melonie und mir gesichtete "Ondine - Das Mädchen aus dem Meer" von Neil Jordan. Note: 2,25.


Die bemerkenswerteste Serie des vergangenen Jahres war für Mr. Mendez und mich "The Walking Dead". Und da ich in den "Best of" eigentlich nicht auf Serien eingehe, möchte ich den Regelbruch gleich richtig genießen und meinen privaten Favoriten nennen: "Mad Men", den man dank ZDF neo hierzulande sehen darf, hat mittlerweile eine Subtilität in der Themenwahl und Figurenzeichnung erreicht, die mir immer wieder die Schuhe auszieht. Gleich dahinter rangiert "Breaking Bad" - dank ARTE! Und die auf lange Sicht gehaltvollste Serie verdanken wir 3sat: "In Treatment". Aber selbst 3sat wagt es nur selten, diese Reise in das Seelenleben vor Mitternacht zu senden.
Ich erwähne die Sender auch deshalb mit Nachdruck, weil Kurt Beck (SPD) gerade vor einigen Wochen forderte, dass die Öffentlich-Rechtlichen doch besser ihre Nischenkanäle einstampfen sollten, um sich neben ARTE und 3sat mehr auf PHOENIX zu konzentrieren: http://www.dwdl.de/nachrichten/34113/ard__zdf_beck_will_einstellung_der_digitalsender/
Mal abgesehen davon, dass dadurch zahlreiche Arbeitsplätze verloren gehen würden, wäre dies ein Supergau für die elende Serienlandschaft in diesem Lande. Wenn man erlebt, wie einige Sender angesichts der heiligen Kuh 'Quote' mit ihrer Kundschaft umgehen, dann kann man nur hoffen, dass diese hanebüchene Idee schnell in der Versenkung verschwindet. Schlimm genug, dass "The Shield" und "The Wire" im deutschen Mainstream-TV nicht zu platzieren waren, so wäre der Beck'sche Vorschlag der endgültige Genickbruch für jenes Phänomen, dass mittlerweile zu Recht "Quality TV" genannt wird.

Allen treuen Lesers dieses Blogs wünsche ich filmreiches Neues Jahr 2012!