Montag, 17. Dezember 2018

Mars – die zweite Staffel ist knallhart öko-politisch

Zwei Jahre hat gedauert, dann legte National Geographic nach und ging mit der zweiten Season der Docu-Sci-Fi Serie on air. Im schnelllebigen Serienmarkt ist dies der Knock-out. Die Quoten stürzten ins Bodenlose. Dabei gehört die Geschichte der ersten menschlichen Mars-Mission zum Besten, was das Serienjahr 2018 zu bieten hat.

Während es in der ersten Staffel um das pure Überleben in einer feindlichen Umgebung ging, ist die Crew um den weiblichen Commander Hana Seung (Jihae Kim) zehn Jahre später ein gutes Stück weitergekommen. Die menschliche Kolonie auf dem Mars hat mit der Siedlung Olympus Town auf dem roten Planeten Fuß gefasst, die Wissenschaftler können sogar ein vergleichsweise normales Leben führen.



Die Finanzierung der Mars-Mission verschlingt allerdings Unsummen, die von der Mars Science Foundation (IMSF) nicht ohne Weiteres aufgebracht werden können. Hanas Schwester Joon (ebenfalls Jihae Kim) hat ihren Posten als Generalsekretärin mittlerweile aufgegeben und befindet sich an Bord einer chinesischen Raumstation hoch über dem Mars. Ihre ehrgeizige Nachfolgerin Leslie Richardson (Cosima Shaw) will ein aufwändiges Terraforming-Projekt vorantreiben: der Mars braucht eine Atmosphäre, aber noch wichtiger ist Wasser, die Grundlage des Lebens. Und so geht Richardson eine Allianz mit dem Global Player Lukrum Industries ein. Der mächtige Konzern verfolgt allerdings keine wissenschaftlichen Ziele.

Spiegelbild irdischer Verhältnisse

Auch die zweite Season von „Mars“ folgt dem vertrauten Wechsel von Experteninterviews und fiktionalen Spielszenen. Während die erste Staffel die Notwendigkeit von Mars-Missionen optimistisch einschätzte, folgt in der zweiten Staffel die Ernüchterung. Die Macher Ron Howard und Brian Grazer stellen zusammen mit der neuen Showrunnerin Dee Johnson („Good Wife“, „Nashville“) die Mars-Mission in einen kritischen Kontext. Die Serie zeigt am Beispiel der fiktiven Aktivitäten von Lukrum Industries, wie ökonomische Interessen zu katastrophalen Fehleinschätzungen führen können. Der Konzern will mit großem Aufwand Rohstoffe auf dem Planeten ausbeuten, was trotz der Allianz zwischen Lukrum und der IMSF recht schnell zu Konflikten zwischen den Wissenschaftlern und der Lukrum-Bergbaukolonie führt.
Anders formuliert: die Serie wird allegorisch zum Spiegelbild irdischer Verhältnisse. Dass dabei öko-politisch argumentiert wird, gehört zu den Stärken der neuen Staffel. Intensiver Raubbau der Ressourcen und die ungezügelte Nutzung fossiler Energieträger haben die Erde an den Rand einer Klimakatastrophe gebracht, nun droht auf dem Mars erneut ein ähnliches Szenario. An drastischer Kritik wird also nicht gespart. In der Experteninterviews kommen nicht nur der umstrittene Space X-Gründer Elon Musk zu Wort, sondern auch Autoren wie Stephen Petranek („How We’ll Live on Mars“, Andy Weir („The Martian“) und Naomi Klein (American Book Award für „This Changes Everything: Capitalism vs. The Climate“). Nicht alle leugnen die Notwendigkeit, auf dem Mars neue Rohstoff-Ressourcen zu erschließen, fast alle befürchten aber die Fortsetzung einer Exploration unter ökonomischem Diktat.

Naomi Klein vertritt in ihrem Buch die These, dass die notwendigen Maßnahmen zum Schutz des Klimas auf der Erde daran scheitern, dass sich die Vertreter einer kapitalistischen, nicht-regulierten Marktwirtschaft endgültig durchgesetzt haben und dank ihrer wirtschaftlichen Macht die die Politik, die Öffentlichkeit und die Medien beeinflussen können. „Mars“ erzählt so gesehen eine Geschichte, die wir schon längst kennen sollten.
 Rigoros präsentiert die Serie daher NASA-Vertreter, Geologen und Ökologen, die die fiktiven Ereignisse auf dem Mars nutzen, um auf die Parallelen auf unserem blauen Planeten hinzuweisen. Der pädagogische Zeigefinger ist stets präsent, aber die Fakten sprechen nicht nur für sich, sondern sie sind auch unerbittlich. Ziemlich schlecht kommen daher Wirtschaftsgiganten wie Shell (plant das laut Greenpeace riskante Bohren nach Öl in der Arktis, ist seit Jahrzehnten aufgrund seines Engagements in Nigeria in der Kritik), Chevron (verantwortlich für zahlreiche Umwelt- und Fracking-Katastrophen, in zweistelliger Milliardenhöhe zur größten Strafzahlung der Geschichte verurteilt) und Exxon (Zerstörung der Ökologie in Ölfördergebieten, mutmaßlich beteiligt an der Finanzierung von Bürgerkriegen) weg.
Die klimakritische Position von ExxonMobil ist tatsächlich aufsehenerregend. So erinnern die Macher von Mars daran, dass 2015 herauskam, dass es Exxon-Forscher waren, die die Folgen der CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre exakt beschrieben – bereits in den 1970er Jahren. Die Reaktion des Multikonzerns war beinhart: in Erwartung der Erhöhung des Meeresspiegels legte Exxon die eigenen Bohrinseln höher und investierte anschließend 16 Millionen US-Dollar in eine Medienkampagne, die die Leugnung eben dieser Fakten zum Ziel hatte.


Spannender Mix aus Fakten und Fiktion

Trotz oder gerade wegen dieser Faktendichte erzählt „Mars“ eine spannende Geschichte, die ähnlich wie in der ersten Staffel den Entdeckermythos feiert – allerdings als kollektive Teamleistung. Doch auch die ethisch anders geerdeten Wissenschaftler in Olympus Town agieren nicht fehlerfrei, als durch vermeintlich harmlose Bodenproben der Biologin Marta Kamen (Anamaria Marinca) ein tödlicher Erreger in die Station gelangt. 

Auch im zwischenmenschlichen Bereich kriselt es, als die Forscherin Dr. Amelie Durand (Clémentine Poidatz) ihren Freund Javier (Alberto Ammann) verlassen will, um zur Erde zurückzukehren. Als sie schwanger wird, platzen alle Träume. Sie wird das erste Kind auf dem Mars zur Welt bringen. Die Kommandantin Hana gerät dagegen nach dem Tod ihrer sterbenskranken Zwillingsschwester in eine tiefe Krise, aus der sie auch ihr enger Freund Robert (Sammi Rotibi) nicht befreien kann. Sie alle waren bereits in der ersten Staffel dabei.
Im Mittelpunkt steht aber die komplizierte Beziehung zwischen den Wissenschaftler, die den Mars in seinem ökologischen Status Quo erhalten wollen, und den Interessen des Bohrarbeiter-Teams. Sie wechselt zwischen Kooperation und Ablehnung, bis alles eskaliert. Hanas Stellvertreter Mike Glenn (Gunnar Cauthery) wird immer militanter und bringt die Bohrarbeitern in tödliche Gefahr, als er ihnen den Strom abschaltet. Die Kolonie kann gerettet werden und Glenn scheitert aber bei dem Versuch, seine Kommandantin zu entmachten. In der letzten Episode stehen beide Kolonien dann vor dem Untergang, als gewaltige Sprengungen der Bohrarbeiter zwar ein riesiges Wasserreservoir freilegen, aber auch verheerende seismische Erschütterungen auslösen. Am Ende wird aber alles auf der Erde entschieden: Wird es IMSF-Chefin gelingen, den CEO von Lukrum Industries in Schach zu halten?


Der intelligente Mix aus faktenbasierten Informationen und fiktiven Episoden macht „Mars“ zu einer der besten Serien des Jahres. Auch weil beide Erzählebenen thematisch klug aufeinander abgestimmt sind und daher nicht wie Fremdkörper wirken. Mars und Erde stehen deshalb in einer Wechselbeziehung – ökonomisch, ökologisch und letztlich auch, weil die Serienmacher die provozierende Frage nach den Bedingungen der menschlichen Evolution und ihrem drohenden Scheitern stellen. 


Dennoch wollte dies so gut wie niemand sehen. Die ohnehin bescheidenen Quoten der ersten Staffel wurden fast halbiert, am Ende wollten nur noch 350.000 Zuschauer herausfinden, wer über die Zukunft unseres und der fremden Planeten entscheiden wird, auf die der Mensch seinen Fuß setzen wird. Dies ist sicher der zweijährigen Pause geschuldet, die National Geographic zwischen Staffel 1 und 2 einlegte. Man kann es aber auch als Votum deuten, das eine unerschütterliche Gleichgültigkeit erkennen lässt, wie sie leider auch bei der aktuellen Weltklimakonferenz zu erkennen war.


Noten: BigDoc = 1


Mars - USA 2016-2018 - 2x6 Episoden - National Geographic - Executive Producer: Ron Howard, Brian Grazer - Showrunner: Dee Johnson - D.: Jihae Kim, Cosima Shaw, Anamaria Marinca, Alberto Ammann, Sammi Rotibi u.a.