Sonntag, 24. April 2022

Cash Truck – Guy Ritchies Film ist völlig überflüssig

Guy Ritchies Film ist das Remake von Nicolas Boukhriefs „Cash Truck – Der Tod fährt mit“ aus dem Jahr 2004. Jason Statham spielt eine nach Rache dürstende Killermaschine, so wie man Statham kennt und wie ihn seine Fans lieben. Eiskalt, brutal, scheinbar emotionslos.
Und tatsächlich pflastern in Ritchies sinnbefreiter Rachephantasie zahllose Leichen den Weg der Vergeltung und am Ende fährt die Hauptfigur einfach mit dem Auto davon, nachdem sie emotionslos mitgeteilt hat, dass sie nun fertig sei. Sucht jemand nach einem Beispiel für miserables Kino, ist er bei Guy Ritchie gut aufgehoben.

Lächerlich, arrogant und voller Klischees

Etwas Positives hat „Cash Truck“ zu bieten: die Handlung ist schnell erzählt. Bei einem Raubüberfall auf einen Geldtransporter der Transportfirma FORTICO werden zwei Transportbegleiter und ein Zivilist erschossen. Einige Monate später heuert der verschlossene und wortkarge H (Statham) bei FORTICO an. Am Einstellungstest scheitert er beinahe, auch weil seine Schießkünste mau ausfallen.
Dies ändert sich, als sein Geldtransport überfallen wird und H die schwerbewaffneten Gangster lässig und der Reihe nach mit der Pistole erschießt. H gilt fortan als Superheld, was man daran erkennt, dass beim nächsten Überfall die Ganoven allein beim Anblick des unbewaffneten (!) H entsetzt das Weite suchen.
Doch welche Ziele verfolgt die scheinbar völlig empathiebefreite Killermaschine? Ritchie bröselt dies mit einer Reihe von Flashbacks auf, in denen der fatale Überfall, der drei Tote forderte, mehrmals aus verschiedenen Blickwinkeln dargestellt wird. Dabei erfährt man, dass H offenbar selbst ein skrupelloser Gangster und Bandenchef ist, der ebenfalls Geldtransporte überfällt und bei dem Überfall rein zufällig mit seinem Sohn am Ort des Geschehens war – der tote Zivilist war H’s Sohn Dougie (Eli Brown), der von dem soziopathischen Jan (Scott Eastwood) erschossen wurde. Nun will H, der tatsächlich Mason Hargreaves heißt, blutige Rache. Er fräst sich förmlich durch die Unterwelt von L.A., foltert und ermordet Verdächtige – und wird dabei vom FBI geduldet. „Geben Sie mir zwei Wochen und ich erledige das, was Sie in 20 Jahren nicht schaffen“, erklärt H dem Agenten King (Andy Garcia in einer abstrusen Nebenrolle).

„Cash Truck“ (Originaltitel: Wrath of Man) ist kein Film über Selbstjustiz, auch keine Vigilanten-Geschichte wie „The Brave One“ (Die Fremde in dir) von Neil Jordan oder Daniel Barbers „Harry Brown“ (2009). Filme, die das moralische Dilemma der Hauptfiguren nicht unter den Teppich kehren. Selbst die Figur des Harry Calahan (Clint Eastwood) war in
Dirty Harry psychologisch nuancierter als Guy Ritchies Hauptfigur. Die Eindimensionalität der Figuren und Handlung in „Cash Truck“ sind dagegen meilenweit von diesen alles andere als unumstrittenen Filmen entfernt. Ritchies Plot ist lächerlich und im Beharren auf einer anti-psychologischen Geschichte wirkt er aufreizend arrogant und lässt kein Klischee aus billigen C-Movies aus. Warum der englische Regisseur so etwas auf die Leinwand bringt, nachdem ihm brillant-ironische und ausgetüftelte Filme wie „Lock, Stock & Two Smoking Barrels“ (Bube, Dame, König grAS, 1998) gelangen und er zuletzt in der raffiniert konstruierten Gangstergeschichte „The Gentlemen“ (2019) alle Register eines kreativen Genrefilms zog, bleibt ein Rätsel.

Machos und arme Würstchen

Die Schweizer Filmkritikerin Britta Gfeller stellte in ihrer leider stilistisch etwas ungelenken Kritik die Frage, ob Figuren wie der von Jason Statham gespielte H „noch Platz im Kino haben“ und gab die Antwort selbst: „H ist die personifizierte ‚toxische Männlichkeit‘.“ Ritchie gibt dem Affen in dieser Hinsicht sogar noch Zucker, und zwar durch die Überschriften der vier Filmkapitel, die lustvoll-sadistisch ankündigen, was H im Sinn hat: „Ein böser Geist“, „Verbrannte Erde“, „Böse Jungs, böse“ und „Leber, Lunge, Milz und Herz“. Letzteres beschreibt nicht nur die tödlichen Schussverletzungen von Dougie, sondern kündigt auch die Details der Hinrichtung an, die H am Ende beim Killen des Mörders seines Sohns exekutiert.

Man muss aber nicht unbedingt soziologische Studien zitieren oder Genderprobleme verhandeln, wie Gfeller es tut, um Ritchies Film zu taxieren. Das katholische Onlineportal „Filmdienst“ sah zum Beispiel einen packenden, komplex inszenierten Thriller – warum auch immer. Tatsächlich scheint „Cash Truck“ ein Film zu sein, der mit Kategorien der Psychopathologie besser zu beschreiben ist – nämlich als Adressierung einer Zielgruppe, die potentiell persönlichkeitsgestört ist, Gefühle und Empathie für eine Schwäche hält, die eigenen verdrängten Schwächen und sozialen Defizite aber dadurch kompensieren möchte, dass sie gewalttätige Filmfiguren als Rollenmodelle adaptiert. Selbsternannte Machos tun dies, auch arme Würstchen und noch häufiger Jugendliche, die selbst Opfer von Gewalt wurden. Aber vielleicht hat Gfeller Recht, denn diese Zielgruppe besteht nun mal in der Regel aus Männern.

„Cash Truck“ wird ihnen bei der Lösung ihrer Probleme nicht helfen.

Noten: BigDoc=6


Cash Truck (Wrath of Man) – USA 2021 – Regie und Buch: Guy Ritchie – Laufzeit: 119 Minuten - FSK: ab 16 Jahren – D.: Jason Statham, Scott Eastwood, Holt McCallany, Andy García.