Donnerstag, 2. April 2009

Aktuelles

Oscar 2009 – die Nachlese

(fett = im Filmclub besprochen)
In Abwandlung eines altes Sprichwortes fiel mir auch in diesem Jahr zu dem Verleihungsspektakel nur Folgendes ein: „Es gibt nichts Gutes, außer man findet es selbst!“
Das ist schon seit Jahren so und man hat sich daran gewöhnt, dass die Kriterien der AMPAS garantiert nicht den Geschmack eines exaltierten europäischen Cineasten treffen. Lustig ist es allemal und in diesem Jahr war auch die Show, die Hugh Jackman bot, allen Anforderungen an ein schlagfertiges Rahmenprogramm gewachsen. Sich auf die Schippe nehmen, das können sie…

Auf die Schippe wurde man genommen, als man mit halboffenem Mund zusehen durfte, wie „Slumdog Millionaire“ einen Preis nach dem anderen abräumte. Nicht, dass der Film ein Flop wäre, aber offen gestanden ist er für mich auch nicht mehr gewesen als ein kongenialer Mix aus abgespecktem Bollywood (kein Gesang, keine Tanzeinlagen), etwas Charles Dickens für Hardcore-Fans und einer spannenden Märchenstunde mit einem Schuss Sozialkritik. Formal sehr gelungen und mit einem packenden Drive, der einen mitzog, aber maulend muss ich dennoch daran erinnern, welche Filme aus meiner Sicht besser waren: „The Dark Knight“ wurde in dieser Kategorie erst gar nicht nominiert (was ein Witz ist) und mit „Frost/Nixon“ landete ein durchaus beachtlicher Polit-Thriller unter ferner liefen. Alles weißgott nicht zum ersten Mal…

Erinnern wir uns…
2008: „No Country for Old Men“ schlägt „Michael Clayton“ und „There will be Blood”, wobei ich P.W. Andersons Film für einen der besten aller Zeiten halte…
2007: mit “Departed” wird Scorsese für den falschen Film geadelt. Auf der Strecke bleiben „Letters for Iwo Jima“ und „Babel“…
2006: „L.A. Crash“ war angesichts der schlappen Konkurrenz durchaus o.K….
2005: „Million Dollar Baby“ besiegt nicht ganz zu Unrecht das Obsessions-Drama „Aviator“…
2004: „Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs“ pulverisiert Eastwoods Meisterwerk „Mystic River“ (wofür Clint ein Jahr später entschädigt wird)…
2003: der absolute Witz – „Chikago“ (wer erinnert sich noch?) schickt u.a. „Gangs of New York“ ins Nirwana (wofür Scorcese nach einer erneuten Schlappe in 2005 letztendlich mit „Departed“ zu spät entschädigt wird)…

Das soll nun nicht heißen, dass seit Anbeginn aller (Kino)-zeiten die Luschen die Preise abräumen, aber eins sollte man sich vielleicht doch merken: Filme, die sich mit der inneren Verfassung der amerikanischen Gesellschaft (auch im historischen Rückblick) beschäftigen, werden nominiert, aber selten ausgezeichnet! Und da den Oscar für den besten Film die Produzenten erhalten, ist ein Teil der von mir oben angeführten Verknüpfungen natürlich Blödsinn – oder ich habe weise erkannt, dass dies eine Mahnung an die mächtigen Männer hinter den Kulissen sein könnte.

Schauen wir uns lieber an, wer denn nun für sein filmisches Handwerk geadelt wurde: Danny Boyle für …na, wer ist jetzt überrascht? Klar: „Slumdog Millionaire“! Was durchaus Freude bei mir auslöste, war doch wenigstens der merkwürdige „Benjamin Button“ in einer Raumzeit-Spalte verschwunden, die sich in der Nähe des Kodak Theatre geöffnet hatte.
Mein persönlicher Favorit war allerdings Ron Howards „Frost/Nixon“, ein sorgfältig recherchierter Dialog-Thriller, der ungemein spannend Nixons spätes Eingeständnis, nämlich als Präsident moralisch versagt zu haben, durchaus als Mahnung an Mr. Bush richtete – aber gut, vielleicht war dies zuviel des Guten und die Amis wollten endlich ihre Ruhe haben, jetzt, wo sie wieder einen Strahlemann an die Spitze beordert haben.
Dass der aus meiner Sicht gelungene Film „Der Vorleser“ von Stephen Daldry den Sprung schaffen würde, hatte ich natürlich nicht ernsthaft erwartet. Zum Ausgleich ersparte uns die AMPAS eine Nominierung von „Stauffenberg“. Das ist doch was…

Immerhin gelang es Kate Winslet den Oscar für die beste Hauptrolle in diesem Drama aus Deutschland zu ergattern, was auch aus meiner Sicht recht angemessen war, obwohl ich keine der Mitkonkurrentinnen aus eigener Sicht würdigen kann: Ich war zufrieden, dass mit dem "Vorleser" ein Film angeschoben wurde, der nicht nur eine passable Literaturverfilmung ist, sondern auch ungewöhnlich stimulierend ein Kapitel unserer Geschichte aufarbeitet. Dass dies einer internationalen Produktion gelingt, ist schon spannend genug, aber dass dieser Film ohne allzu große Zugeständnisse an Kinokonventionen zeigt, dass das Böse oder (wer’s nicht so metaphysisch mag) der Faschismus in Gestalt einer Legasthenikerin sein Unheil verrichtet, beweist, dass Hannah Arendt mit ihren Einsichten zur „Banalität des Bösen“ möglicherweise nicht ganz schief lag. Und das sieht man nicht jeden Tag im Kino...

Sean Penns Dankesrede war sicher ein Highlight. Viele hatte gehofft oder erwartet, dass Mickey Rourke den Oscar für „The Wrestler“ erhält, aber die Auszeichnung für den besten Hauptdarsteller ging an einer der besten Darsteller der letzten zwei Jahrzehnte und war somit kein Schuss in den Ofen. Mich selbst konnte „Milk“ mit seiner Schulfunk-Didaktik nicht überzeugen – formal ein durchschnittlicher Film, bei dem die ehrenwerte Absicht der gelungenen Umsetzung irgendwie im Wege stand. Allerdings gehört es zu den schwierigsten Aufgaben im Kino, mehrere Jahrzehnte persönlicher und politischer Entwicklung elegant und geistreich in ein biopic zu packen, ohne eine Situation an die nächste zu heften. Na ja, vielleicht war nach dem Scheitern von „Brokeback Mountain“ so oder so irgendwann ein Schwulendrama fällig. Die Amis lieben ja ihre Political Correctness.

In der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ gewann der mir – und wohl auch anderen – völlig unbekannte japanische Film "Okuribito". Nicht einmal in der Wikipedia erfährt man etwas über den Gewinner. Na gut, dass Uli Edels RAF-Collage „Der Baader-Meinhof-Komplex“ es genauso wenig schaffen würde wie Götz Spielmanns asketisches Zuhälterdrama „Revanche“ (den ich wieder einmal als Einziger im Filmclub gesehen habe - Leute, strengt euch mehr an!), war klar, aber mit „Waltz with Bashir“ und dem französischen „Entres les murs“ blieben hochpotente Kandidaten auf der Strecke.
In die Nominierungsränge hatte es Tom Tykwer mit „The International“ erst gar nicht geschafft. Ich habe an dieser Stelle auf eine Kritik verzichtet, weil Tykwers Action-Thriller mir nicht recht einleuchten wollte, obwohl der bereits im „Paten III“ aufgearbeitete Calvi-Skandal erneut wohl als Vorbild herhalten musste. Da wir uns aber alle davon überzeugen konnten, dass das Finanzkapital bei seinen Geschäften in der Regel auf schießwütige Killer verzichten kann, war „The International“ für mich gut gemachter Thriller-Mainstream, der nur vermeintlich den altehrwürdigen Paranoia-Filmen der 70er Jahre einen realistischen Mantel überstülpte.