Mittwoch, 8. April 2009

Quick Review: GRAN TORINO

Darsteller: Clint Eastwood, Bee Vang, Ahney Her - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ab 12 - Länge: 116 min.

„So treibt das Bedürfnis der Gesellschaft, aus der Leere und Monotonie des eigenen Innern entsprungen, die Menschen zueinander; aber ihre vielen widerwärtigen Eigenschaften und unerträglichen Fehler stoßen sie wieder voneinander ab.“
(Arthur Schopenhauer)

Synopsis: Walt Kowalski (Clint Eastwood) verbringt seinen Ruhestand biertrinkend auf der Veranda. Was er dabei sieht, gefällt ihm nicht: In seinem Viertel wohnen überwiegend Migranten. Die meisten gehören zum Hmong-Volk, das für die Amerikaner in Vietnam kämpfte. Als der Nachbarsjunge Thao versucht, Walts 72er Gran Torino im Auftrag einer Hmong-Gang zu stehlen, wird er beinahe von dem Korea-Kriegsveteranen erschossen. Als die Gang versucht, Thao zu verprügeln, verscheucht Kowalski sie mit geladener Flinte vom Grundstück. Widerwillig nimmt er zur Kenntnis, dass er für die Hmong zu einem Helden geworden ist, lernt dabei aber auch Sitten und Gebräuche seiner Nachbarn kennen. Für Thao wird der grantelnde und fluchende Kowalski zu einem Ersatzvater. Doch beide befinden sich schon längst in einer Spirale der Gewalt und der rüstige Rentner muss sich schließlich entscheiden, ob er zu den Waffen greift, um seine Nachbarn und sich vor der schießwütigen Gang zu schützen.

Rating: In seiner vorerst letzten Regiearbeit spielt Eastwood noch einmal die Frage nach der Rolle der Gewalt in der Gesellschaft durch. Dies hat er bereits in „Unforgiven“ meisterhaft getan und deshalb stellt sich die Frage, ob „Gran Torino“ dem Thema etwas Neues hinzufügt. Dies ist zu bejahen und ich kann mich sehr gut mit dieser Variation anfreunden.
Nachdem ich „Changeling“ (Der fremde Sohn) gesehen hatte, schrieb ich, dass Eastwoods Figuren „häufig …störrische Sonderlinge (sind), die dem gesellschaftlichen Konsens misstrauen und ihre eigenen Gesetze über die öffentliche Moral stellen.“ Kowalski ist so ein Sonderling, der sich kaum an die Political Correctness hält und über Menschen aus einem anderen Kulturkreis unflätig herzieht. Hört man genauer hin, dann erkennt man, das der Alte kein Rassist, sondern ein Misanthrop ist. Es ist nicht auszuschließen, dass er auch dann granteln würde, wenn sein Nachbarn White Trash wären.
Aber Kowalski ist nicht unverbesserlich: seine bockige Freundschaft zu Thao und Sue, den Kindern der benachbarten Hmong-Familie, hilft ihm dabei, neue Erfahrungen zu machen, die vielleicht nicht sein Weltbild, dafür aber sein Verhalten ändern.
Eastwood zeigt diesen Lernprozess in den ersten zwei Dritteln des Films als ruppige Komödie. Dies führt zu einer Reihe gelungener Szenen, die überwiegend vom Charisma Eastwoods getragen werden und weniger von ihrer Qualität, da einiges holzschnittartig bleibt und Nebenfiguren wie der junge Priester der Gemeinde didaktisch instrumentalisiert werden und damit blass bleiben. Auch Eastwood hätte der Figur des Kowalski etwas mehr Tiefe geben können, wenn sein Spiel nicht gelegentlich auf ärgerliche Weise outriert gewesen wäre.

Im letzten Teil verwandelt sich die sardonische Komödie in ein echtes Drama und der finale Twist serviert die Botschaft unübersehbar auf dem Silbertablett: Gewalt ist nicht die ultimative Lösung. Allerdings sollte man dabei nicht übersehen, dass die Kowalski-Figur vielleicht nicht ganz aus innerer Überzeugung, sondern durchweg pragmatisch handelt: Thao war bereit, die Waffe in die Hand zu nehmen und Kowalski erkennt, dass dies kein Lösungsmodell für den Jungen ist.
Ob Eastwood damit auch einen Kommentar zu seinen früheren Rollen abgeliefert hat, ist durchaus denkbar. Auf jeden Fall spielt er kokett mit Wünschen und Erwartungen eines Teils des Publikums, aber ein Hard-boiled-Finale mit einem Killergreis würde nicht zu dem sorgfältigen Realisten Eastwood passen, der übrigens die Dirty-Harry-Figur nie als schießwütige Rächerfigur verstand, sondern als jemand, der gegen eine lendenlahme Bürokratie kämpft, die ihren Job nicht mehr erledigen kann. Aber dies ist nicht das eigentliche Thema von „Gran Torino“, sondern die Art und Weise, wie Kowalski/Eastwood den zweiten Teil des eingangs zitierten Satz eines anderen großen Grantlers in die ewigen Jagdgründe schickt. Und so wird Walt Kowalski zu einer der erinnerungswerten Eastwood-Figuren, denen es gelegentlich schwer fällt, die eigenen Lebenserfahrungen zu überdenken und eine pessimistische Sicht der Dinge aufzugeben.

Noten: Melonie = 2, Mr. Mendez = 3, BigDoc = 2, Klawer = 2