Deutschland, Frankreich Rumänien 1971 - Regie: Wolfgang Staudte, Sergiu Nicolaescu – Drehbuch,
Produktion: Walter Ulbrich - Darsteller: Raimund
Harmstorf, Edward Meeks, Emmerich Schäffer, Dieter Schidor - FSK:
ab 12 - Länge: 370 min.
Renaissance eines großen TV-Klassikers
Das Wichtigste gleich vorweg: Die
Bildqualität dieser Bluray ist ein Schock – ein positiver allerdings. Concorde
hatte 2004 eine DVD-Box (Laufzeit: 362 Minuten) auf den Markt geworfen, die man
guten Gewissens skandalös nennen durfte. Es war schmerzlich, einen der
legendären Adventsvierteiler des ZDF in einer Verfassung zu sehen, die noch
weit unter der Auflösung einer VHS lag. Offenbar hatte man die alte ZDF-MAZ
abgetastet…
Die 2006 nachgeschobene Remastered-Version des gleichen Anbieters (Laufzeit: 363 Minuten) habe ich mir dann erspart. Angeblich soll sie etwas besser gewesen sein, dafür gab es aber Probleme mit einem asynchronen Ton.
Die 2006 nachgeschobene Remastered-Version des gleichen Anbieters (Laufzeit: 363 Minuten) habe ich mir dann erspart. Angeblich soll sie etwas besser gewesen sein, dafür gab es aber Probleme mit einem asynchronen Ton.
Nun hat Concorde zum dritten Mal einen Anlauf
gewagt und eine Bluray vorgelegt, die den „Seewolf“ zum ersten Mal in einer
würdigen Qualität präsentiert (Bildformat 1920x1080p (1.33:1) @24 Hz, Video-Codec: VC-1, ein
Kompressionsverfahren, dem H.264/MPEG-4 mittlerweile verbreitungstechnisch den
Rang abgelaufen hat).
Diesmal hat man offenbar das alte 35mm-Material abgetastet (endlich!) und eine über weite Strecken angemessene, referenzverdächtige Qualität erreicht.
Diesmal hat man offenbar das alte 35mm-Material abgetastet (endlich!) und eine über weite Strecken angemessene, referenzverdächtige Qualität erreicht.
Schärfe und Durchzeichnung überzeugen bereits beim Intro, dem Schiffsunglück in
der San Francisco Bay. Obwohl dickster Nebel herrscht, sieht man ein detailfreudiges
Bild. Wenn dann die erste gut ausgeleuchtete Innenaufnahme folgt, haut es einen
um: perfekte Schärfe, prächtige, nicht zu satte Farben und ein guter Kontrast
sorgen für ein HD-Feeling, das sogar den Vergleich mit modernen HiDef-Kinoproduktionen
nicht scheuen muss. Ich habe in der ersten Episode „Ein seltsames Schiff“ nur
mit Mühen 2-3 grieselige Einstellungen gefunden, die auf ein digital leicht
überschärftes Bild hinweisen.
Die exzellente Qualität wird aber nicht ganz durchgehalten. In der zweiten Episode („Kurs auf Uma“) sieht man zum Beispiel etwas häufiger ein Bildrauschen, das mich weniger an Filmkorn als vielmehr um zu geringe digitale Kompensation erinnert hat. Man kann Bildrauschen immer ganz gut an der Qualität flächiger Motive erkennen, in der Regel ist dies bei Filmen der blaue Himmel (das sog. Helligkeitsrauschen). Geringe Abstriche gibt es daher besonders bei den Frisco-Kid-Episoden, an die sich van Weyden erinnert.
Insgesamt ist dies aber Jammern auf hohem Niveau, denn der „Seewolf“ ist nicht nur relativ zu den DVD-Veröffentlichungen, sondern auch objektiv eine Augenweide.
Die exzellente Qualität wird aber nicht ganz durchgehalten. In der zweiten Episode („Kurs auf Uma“) sieht man zum Beispiel etwas häufiger ein Bildrauschen, das mich weniger an Filmkorn als vielmehr um zu geringe digitale Kompensation erinnert hat. Man kann Bildrauschen immer ganz gut an der Qualität flächiger Motive erkennen, in der Regel ist dies bei Filmen der blaue Himmel (das sog. Helligkeitsrauschen). Geringe Abstriche gibt es daher besonders bei den Frisco-Kid-Episoden, an die sich van Weyden erinnert.
Insgesamt ist dies aber Jammern auf hohem Niveau, denn der „Seewolf“ ist nicht nur relativ zu den DVD-Veröffentlichungen, sondern auch objektiv eine Augenweide.
Über den Mono-Ton der Bluray ist nur so viel zu sagen:
volumig, präsent und mit ordentlichen Tiefen. Dass hier kein 5.1.-Sourround zu
erwarten war, versteht sich von selbst.
Zum Film
In einschlägigen Foren herrscht leider
überwiegend der Trend „Kenn‘ ich nicht – nix für mich“. Ältere Semester, die
1971 wie gebannt vor dem Röhrenfernseher saßen, werden allerdings elektrisiert
reagieren. Wie viele Mitglieder der Generation 50+ schwelgen sie zu Recht in
nostalgischen Gefühlen, denn „Der Seewolf“ repräsentiert ein Stück
TV-Geschichte. Jüngeren Filmfreunden ist es schwer zu vermitteln, wie vor vier
Dekaden die bundesdeutsche Fernsehlandschaft ausgesehen hat, in der das ZDF von
1964 bis 1983 kurz vor Weihnachten die Verfilmung eines Klassikers der Weltliteratur
über die Mattscheibe flimmern ließ. In Erinnerung geblieben sind besonders „Die
Schatzinsel“ (1966) mit dem noch blutjungen Michael Ande, „Tom Sawyers und
Huckleberry Finns Abenteuer“ (1968), die „Lederstrumpf Erzählungen“ (1969) und
natürlich der Film, der Raimund Harmstorf berühmt machte: „Der Seewolf“. Später
ließ die Qualität mitunter nach und man hielt sich auch nicht mehr an das
Vier-Teile-Schema.
Der Erfolg der Advents-Vierteiler war der
keineswegs der Ausdruck fehlender Programm-Alternativen, sondern verdankte sich
der hohen Qualität der Drehbücher und der Regisseure. Aber besonders sollte man
sich an Walter Ulbrich erinnern, der als Produzent die Idee hatte,
Weltliteratur auf den TV-Bildschirm zu bringen. Ulbrich verfasste für viele
Mehrteiler die Drehbücher selbst und heuerte dazu noch exzellente Regisseure
wie Wolfgang Liebeneiner und Wolfgang Staudte („Seewolf“) an. Hinzu kam ein
guter, einprägsamer Score und ich bin mir sicher, dass beim „Seewolf“ gut ein
Viertel der nostalgischen Befriedigung durch die Filmmusik von Hans Posegga
entsteht, die einfach nicht wegzudenken ist. Und dazu gehört auch die häufig
als unfilmisch verschriene Erzählerstimme, die sehr gelungen die Übergänge
verklammert.
Über den „Seewolf“
könnte man noch einiges erzählen, und das nicht nur in Erinnerung an die
berühmte Kartoffelszene, in der Harmstorf als Wolf Larsen eine rohe Kartoffel
mit bloßer Hand zerquetscht. Noch heute kann man trotz der durchaus
manierlichen Neuauflagen mit Thomas Kretschmann als Wolf Larsen (2008) und der
etwas schwächeren Version von Sebastian Koch in der Rolle des Kapitäns (2009)
die ZDF-Verfilmung von 1971 (die übrigens die vierte Adaption seit 1920 war)
als konkurrenzfähig bezeichnen.
Ein Alleinstellungsmerkmal erhält „Der Seewolf“ dadurch, dass Walter Ulbrich in sein Drehbuch Motive aus verschiedenen Jack-London-Romanen verarbeitete, was besonders der Figur des Wolf Larsen zusätzliche spannende Facetten verlieh.
Besonders gelungen ist der Versuch, die philosophischen und weltanschaulichen Hintergründe der Auseinandersetzung zwischen dem nihilistischen und gewalttätigen Kapitän Wolf Larsen und dem idealistischen Literaturkritiker Humphrey van Weyden zu verdeutlichen. Das Meiste wird zwar nur angedeutet (Larsens Affinität zu einem plumpen Darwinismus, sein aus eigener Sicht tragischer Bildungshunger), aber Ulbrich hat zumindest im Ansatz Jack Londons Nietzsche-Kritik gelungen in ein Unterhaltungsformat überführt. Dass es dabei nicht um eine klischeehafte Schwarz-Weiß-Arithmetik geht, macht den „Seewolf“ bis heute so sehenswert, denn am Ende hat der garantiert empathiefreie Wolf Larsen doch einen Teilsieg errungen: sein literarisch gebildeter Widersacher steht für den Rest seines Lebens „auf eigenen Beinen“.
Ein Alleinstellungsmerkmal erhält „Der Seewolf“ dadurch, dass Walter Ulbrich in sein Drehbuch Motive aus verschiedenen Jack-London-Romanen verarbeitete, was besonders der Figur des Wolf Larsen zusätzliche spannende Facetten verlieh.
Besonders gelungen ist der Versuch, die philosophischen und weltanschaulichen Hintergründe der Auseinandersetzung zwischen dem nihilistischen und gewalttätigen Kapitän Wolf Larsen und dem idealistischen Literaturkritiker Humphrey van Weyden zu verdeutlichen. Das Meiste wird zwar nur angedeutet (Larsens Affinität zu einem plumpen Darwinismus, sein aus eigener Sicht tragischer Bildungshunger), aber Ulbrich hat zumindest im Ansatz Jack Londons Nietzsche-Kritik gelungen in ein Unterhaltungsformat überführt. Dass es dabei nicht um eine klischeehafte Schwarz-Weiß-Arithmetik geht, macht den „Seewolf“ bis heute so sehenswert, denn am Ende hat der garantiert empathiefreie Wolf Larsen doch einen Teilsieg errungen: sein literarisch gebildeter Widersacher steht für den Rest seines Lebens „auf eigenen Beinen“.
Wer mehr ZDF-Klassiker
sehen möchte, kann auch zur Bluray-Box „Die legendären TV-Vierteiler greifen,
in der neben dem „Seewolf“ auch die „Lederstrumpf Erzählungen“ und „Lockruf des
Goldes“ angeboten werden.