Freitag, 10. März 2017

Logan - The Wolverine

Am Ende ist es nicht immer am schönsten. Mit einem ultra-brutalen Auftritt verabschiedet sich Hugh Jackman von seiner Rolle als Wolverine. Und zwar auf irreparable Weise. „Logan - The Wolverine“ ist auch aus anderen Gründen eine Zäsur im X-Men-Universum. Der Film ist ein trauriges letztes Kapitel, das nicht jedem gefallen wird.

Der Mann ist einfach nicht mehr gut drauf. Als Taxifahrer fährt er in einer Stretch-Limousine bizarre Gäste durch die nächtliche City, der Klamauk hinter seinem Fahrersitz perlt von ihm ab. Dass dieser ungepflegte Typ mit seinem struppigen, grauen Bart einmal der unverwüstliche Wolverine gewesen ist, mag man nicht glauben. Als ihm ein halbes Dutzend mexikanischer Autodiebe eine üble Tracht Prügel verabreicht, muss er seine ganzen Kräfte mobilisieren, um noch einmal seine Adamantium-Klingen auszufahren. Danach steht er schwer atmend zwischen Leichen mit abgetrennten Gliedmaßen. Das sieht nicht gut aus, Wolverine ist am Ende einer langen Reise.



Hugh Jackson ist es auch. Nach über 16 Jahren will er nicht den Comic-Superhelden geben und zusammen Regisseur James Mangold („Wolverine: Weg des Kriegers“) hat er sich dafür einen passenden Abgang ausgedacht. Der ist deprimierend und basiert sehr lose auf der Comicreihe Old Man Logan von Mark Millar. 

Fast alle Mutanten sind im Jahre 2029 tot, neue scheint es nicht mehr zu geben und Wolverines letzter Job besteht darin, zusammen mit dem Albino-Mutanten Caliban (Stephen Merchant) den greisen Mutanten-Mentor Charles Xavier (Patrick Stewart) zu pflegen und mit Psychopharmaka unter Kontrolle zu halten. Der kämpft mit seiner Demenz und setzt seine psionischen Kräfte gelegentlich so unkontrolliert frei, dass Dutzende von Schwerverletzten und Toten auf der Strecke bleiben.



Zwischen Meditation und Splatter

Gäbe es nicht die Actionszenen, wäre „Logan - The Wolverine“ ein meditativer Arthouse-Film geworden, in dem über verflossene Zeiten und Geschichten gesprochen wird. Aber auch über körperlichen Verfall und Depression und alles, was die X-Men hätten besser machen können.
Aber offenbar sind sie gescheitert. Nicht nur Xavier, der von Patrick Stewart mit einem sehenswerten Schlussakkord aus der X-Men-Filmreihe verabschiedet wird, sondern auch Logan aka Wolverine sind auf nur jede denkbare Weise fertig mit sich und der Geschichte ihrer Mutanten-Freunde. Wolverines Heilkräfte schwinden, der Held ist depressiv und übel gelaunt und er denkt die meiste Zeit an Selbstmord.


Aber James Mangolds Film ist natürlich nicht Arthouse. Mangold lässt es auch auf Wunsch seines Stars zum letzten Mal richtig krachen. Dass der Film ein R-Rating erhalten sollte, war ausdrücklich gewünscht. Damit schließt sich „Logan - The Wolverine“ unübersehbar der ruppigen Gewaltästhetik an, die man bereits im X-Men-Ableger „Deadpool“ sehen konnte. Und dort hatte man trotz eines R-Ratings ordentlich Geld verdient.
Die Splatterszenen zelebriert Mangold mit sichtlichem Vergnügen. Allerdings ohne Esprit. Neues gibt es nicht zu sehen. Die Autoverfolgungsjagden erinnern unübersehbar an „Mad Max“, einige Plotlines sind aus den „Terminator“-Filmen und aus „Kick-Ass“ geklaut.
In den Body Fights muss sich Wolverine mit dem X-24 herumschlagen, einem Klon, der aus einer Genprobe Wolverines reproduziert wurde, ein biologischer Terminator. Und mit Laura Kinney aka X-24 (Dafne Keen) erhält der Titelheld einen jugendlichen Sidekick – wild und brutal wie Chloë Grace Moretz in Mark Millars erfolgreicher Comicverfilmung, aber weniger lustig.


Originell sind auch nicht die Schurken in „Logan - The Wolverine“. Weder der androide Killer Donald Pierce (Boyd Holbrook, „Gone Girl“) noch der irre und wirre Wissenschaftler Dr. Zander Rice (Richard E. Grant, „Downton Abbey“, „Game of Thrones“) vermögen es, eine emotionale Resonanz beim Zuschauen zu erzeugen.
Dafür ist die Story zu schlicht gestrickt: Oberschurke Zander Rice ist ein erfolgreicher Mutanten-Jäger, der nicht nur die Reavers befehligt, eine Cyborg-Killertruppe, sondern heimlich selbst Mutanten züchtet. Die neuen Exemplare aus der X-24-Serie sollen möglichst „gewissenlos“ sein (ein ermüdend häufig replizierter Genretopos), die alten Modelle aus der X-23-Serie, allesamt Kinder, sollen dagegen beseitigt werden. 

Zu den flüchtenden Mutanten-Kinder aus der Petri-Schale gehört auch die 11-jährige Laura, die ein weiblicher Klon Wolverines ist. Der nimmt nur widerwillig seine Vaterrolle an und hilft Laura dabei, die wenigen Kinder-Mutanten, die die Ausrottungsaktion überlebt haben, an einen sicheren Ort zu bringen. Und dafür muss Wolverine noch einmal zu großer Form auflaufen.



The Final Chapter

Unterm Strich ist „Logan - The Wolverine“ ein unentschlossener, beinahe lustloser Film geworden. Vom Charme der X-Men-Filme eines Bryan Singer ist wenig übrig geblieben. Superkräfte gibt es in Mangolds Film kaum zu sehen und gäbe es da nicht einige altersweise und melancholische Dialoge zwischen Hugh Jackman und Patrick Stewart, so wäre das letzte Kapitel der X-Men nur ein B-Movie geworden, das mehr oder weniger gekonnt große Vorbilder aus anderen Filmgenres plagiiert.

Dabei sind einige Zitate durchaus witzig, etwa Charles Xavier und die zumeist stumme Laura in einem Motel ergriffen George Stevens Edel-Western „Shane“ anschauen – jenen allegorischen Kampf zwischen Gut und Böse, an dessen Ende der Held schwer verwundet in den Horizont reitet. Und dass die Mutanten-Kinder sich auf der Suche nach einem neuen Eden ausgerechnet an vergilbten X-Men-Comic-Magazinen orientieren, sorgt als Referenz für einen der wenigen ironischen Momente. Erst recht, wenn Wolverine beim Durchblättern mürrisch feststellt, dass sich die Geschichten in den Comics so nicht ereignet hätten – na ja, nicht ganz so.


Was die 20th Century Fox, die sich die Rechte an den X-Men von Marvel geliehen hat, mit den X-Men in Zukunft plant, bleibt offen. Das Franchise muss weitergehen, sonst gehen die Rechte zurück an die Comic-Schmiede Marvel. In den mäandernden Zeitlinien des X-Men-Universums scheint wohl genug Platz zu sein für The New Mutants und einen weiteren Hauptfilm der X-Men – in welcher Besetzung auch immer. Die klassischen X-Men sind aber nach „Logan - The Wolverine“ im Mutanten-Himmel gelandet.


Note: BigDoc = 4


Den Fans sei die FSK-Freigabe gegönnt. Allerdings kann ich mich gut daran erinnern, dass weniger brutale Filme in einer weit zurückliegenden Vergangenheit nur ab 18 Jahren freigegeben oder gleich indiziert wurden. In „Logan“ schneidet eine Elfjährige, die wie ein wildes aggressives Tier agiert, Köpfe ab – sozialethisch desorientierend ist dies laut FSK nicht, weil ja Gut und Böse klar zu trennen sind. Lustig. 

„Die Realitätsferne der Geschichte, die teils überhöhte, stilisierte Inszenierung sowie ruhige Passagen ermöglichen (…) eine ausreichende Distanzierung. Da der Held zudem als gebrochener Charakter und die Gewalt nicht als nachahmenswert dargestellt wird, besteht für Jugendliche ab 16 Jahren auch nicht die Gefahr einer sozialethischen Desorientierung“ (FSK).


Logan (dts. Logan: The Wolverine) - USA 2017 - R:James Mangold - Laufzeit: 135 Min - FSK: ab 16 Jahren - D: Hugh Jackman, Patrick Stewart, Dafne Keen, Richard E. Grant, Boyd Holbrook, Stephen Merchant