Samstag, 30. Dezember 2023

UFO Sweden

„UFO Sweden“ ist ein schwedischer Science-Fiction-Film von Victor Danell („The Unthinkable“, 2018), der trotz eines schmalen Budgets von drei Millionen Euro mit viel Geschick einen unterhaltsamen, aber nicht immer schlüssigen Sci-Fi-Film gemacht hat.

„UFO Sweden“ adressiert eher ein jugendliches Publikum. Aber auch ältere Genrefans können sich den Film anschauen. Erst recht, wenn sie Schweden sind. Denn Schweden ist ein UFO-Land. Warum? Das erfährt man in der nachfolgenden Kritik.
„UFO Sweden“ wird u.a. von Paramount+ gestreamt (Flatrate).

1988: Uno (Oscar Töringe) ist besessen von der Idee, dass merkwürdige Phänomene beweisen, dass es UFOs gibt, die im schwedischen Nachthimmel dahingleiten. Man muss nur wissen wo. Zusammen mit seiner achtjährigen Tochter Denis (Lilly Lexfors) sammelt er Wetterdaten, die nicht mit denen des SMHI (Schwedisches Meteorologisches und Hydrologisches Instituts) übereinstimmen und irgendetwas mit Gravitationsverschiebungen zu tun haben. Dann verschwindet er spurlos und lässt seine hochintelligente und technisch bereits total ausgebuffte Tochter zurück.

Acht Jahre später glaubt Denise immer noch, dass ihr für tot erklärter Vater lebt. Als sein Auto aus einem blutroten Himmel und aus großer Höhe in eine Scheune kracht, ist Denise endgültig davon überzeugt, dass die Wahrheit über ihren Vater vertuscht wird. Hilfe sucht sie bei der Gruppe UFO Sweden, deren Mitglieder übernatürliche Phänomene untersuchen. Das passt, denn Schweden ist ein UFO-Land: 1946 gab es innerhalb kürzester Zeit 987 bis heute ungeklärte UFO-Sichtungen.

Glaube oder Fakten?

Der Spiritus rector von UFO Sweden ist der Astrophysiker Lennart (Jesper Barkselius), der Jahre zuvor wegen seiner Alien-Hypothesen vom SMHI gefeuert wurde. Denise hat es nicht leicht, die nerdigen UFO-Forscher zu überzeugen. Auch weil sich die Gruppe, zu der auch Uno gehörte, nach einigen Rückschlägen ein strenges Protokoll auferlegt hat. Nicht der Glaube, sondern die Fakten sollen entscheiden, was zu tun ist. Offenbar ein weiterer Fehlschlag, denn UFO Sweden hat sich unter dem Einfluss des alten Gunnar (Håkan Ehn), der seinen Glauben verloren hat, in einen müden Haufen verwandelt, der bei Kaffee und Kuchen sinnlose Meetings mit strenger Tagesordnung zelebriert. Als Denise handfeste Fakten auf den Tisch legt und Lennart und die anderen auf ihre Seite zieht, ist Gunnars Position in der Gruppe in Gefahr: Es kann nicht sein, was nicht sein darf.

UFO Sweden wurde mit „Stranger Things“ und „Akte X“ (X-Files) verglichen, aber der schwedische Film hat kein „Monster of the Week“ zu bieten. Durchaus aber die Botschaft, dass die Wahrheit irgendwo da draußen ist und nicht enthüllt werden darf. In Danells Film gibt es allerdings keine Verschwörergruppe wie in Vince Gilligans Serie und die Nerds von UFO Sweden haben auch nicht den anarchischen Charme der Lone Gunmen in den X-Files, sondern den von Beamten, die auf ihre Pension warten. Dafür verbreitet die von Eva Melander („Border“, 2018) gespielte hochrangige SMHI-Mitarbeiterin wenigsten ein bisschen die bedrohliche Aura des „Rauchers“, denn sie setzt alle Hebel in Kraft, um geheimnisvolle Daten zu sammeln, die auf keinen Fall in andere Hände geraten dürfen.

The truth is out there!

„UFO Sweden“ ist ein ordentlicher Low-Budget-Film mit gelungenen Coming-of-Age-Motiven und einigen cleveren Actionszenen, die den Film teurer aussehen lassen als er ist. In der ersten Hälfte des Films sorgt dies für einen hohen Spannungslevel. Das liegt auch am guten Cast, allen vor Inez Dahl Torhaug als Denise, die ihre Figur zwischen Traumatisierung, barscher Aggressivität und mitreißendem Enthusiasmus ansiedelt. Zwischen ihr und dem völlig desillusionierten Lennart entwickelt sich sogar ein Vater-Tochter-Ersatzbeziehung. So gelingt der technisch brillanten Denise Lennarts Gruppe zu motivieren und in haarsträubende Aktionen zu verwickeln.

Das Flair der späten 1990er-Jahre aufleben zu lassen, gelingt dem Film recht überzeugend. Auf den Rechnern läuft Windows 95 und auch der Soundtrack lässt die Neunziger aufleben. Der Song „Forever Young“ von Alphaville wirkt beinahe prophetisch („Heaven can wait, we're only watching the skies, hoping for the best but expecting the worst”). Das ist stimmig, anderes leider nicht.

Denn das narrative Problem von Sci-Fi-Filmen ist bekannt: Man muss die Geschichte schlüssig auf den Punkt bringen. Das gelingt Blockbustern selten, aber die können die offenen Fragen wenigstens unter ihren Effektgewittern begraben. Dem Drehbuch von Victor Danell und Jimmy Nivrén Olsson geht jedoch in die zweiten Filmhälfte die Luft aus. Einige Figuren werden nicht vernünftig erklärt. Warum die junge Polizistin Tomi (Sara Shirpey) sich für Denise interessiert und dann im Finale des Films die Waffe auf sie richtet, bleibt ein Rätsel. Auch die Motive des SMHI werden nicht erklärt. Erst recht nicht die von Uno, der tatsächlich von Denise gefunden wird. Aber warum wandert er zwischen den Welten? Dass einige Rätsel nie ganz geklärt werden dürfen, damit der Zuschauer sich selbst anstrengen muss, ist ein bekannter Erzähltrick. Aber ganz im Regen sollte man ihn nicht stehenlassen.

Am Ende lässt Denise ihren Vater endgültig gehen. Denn Denise entscheidet sich, dem schwerverletzten Lennart das Leben zu retten. Was übrigens eine Menge mit einer Einstein-Rosenstein-Brücke zu tun hat, die in Robert Zemeckis „Contact“ die Heldin zu ihrem „Vater“ bringt. Lennart und Denise kehren durch so ein Wurmloch zu ihrer Gruppe zurück, in der Denise – that’s the message – endgültig ihre neue Familie findet. Und Lennart? Der hat erkannt, dass der Glaube zählt und erst danach die Fakten. The truth is out there!

Doch halt: etwas stimmt nicht. Sind Denise und Lennart auch wirklich in ihrer Zeitlinie gelandet? Nein, denn Mats (Mathias Lithner) trägt einen Drei-Tage-Bart. Den hatte er ein paar Stunden zuvor noch nicht. Es gibt also noch einiges zu erzählen.

Leider kann ich die Kritik nicht beenden … es klingelt an der Haustür … draußen steht ein alter Kerl, der hastig raucht … ich glaube, dass…

Trivia

1997 wurde ein Dokument der United States Air Force Europe (USAFE) über die Jahrzehnte zurückliegenden UFO-Sichtungen in Schweden freigegeben, das zu einer beunruhigenden Erkenntnis gelangt war: „Their answer was that some reliable and fully technically qualified people have reached the conclusion that 'these phenomena are obviously the result of a high technical skill which cannot be credited to any presently known culture on earth'. They are therefore assuming that these objects originate from some previously unknown or unidentified technology, possibly outside the earth.“

Note: BigDoc = 3

UFO Sweden – Schweden 2022 – Streaming: Paramount+ - Regie: Victor Danell – Buch: Victor Danell und Jimmy Nivrén Olsson – D.: Inez Dahl Torhaug, Jesper Barkselius, Håkan Ehn, Eva Melander, Sara Shirpey, Oscar Töringe, Lilly Lexfors (als junge Denise), Mathias Lithner.