Sonntag, 14. September 2025

Strange New Worlds Staffel 3 – die Star-Trek-Serie schwächelt, Teil 3

Schwächelte die 3. Staffel wirklich? Geht man nach dem Notenschnitt, dann lautet die Antwort: Ja! Von 2,3 auf 2,75 - gut ist das nicht. Allerdings bekamen fünf Episoden die Note 2 oder besser, was zu einem "Jein" führt.

Abseits dieser Formalismen lässt eins auf jeden Fall erkennen: die Serie hat viel von ihrer Originalität eingebüßt. Es fehlen gute Skripts. Am liebsten solche, die es nicht nötig haben, bekannte Storys aus älteren Serien neu aufzuwärmen.

3x09 „Terrarium“

Offen gestanden ist es verblüffend: Nach "Four-and-a-Half Vulcans", einer der schlechtesten Episoden, die SNW zu bieten hatte, folgte ein Volltreffer, der zumindest mich völlig überrumpelte. Nicht, weil die Episode originell war. Im Gegenteil: „Terrarium“ variiert die TNG-Episode „Darmok“, in der sich Jean-Luc Picard mit dem Mitglied einer feindlichen Spezies auf einem Planeten um sein Leben kämpfen muss, bis beide lernen, dass man gemeinsam kämpfen muss (S5E2). Eine Prise aus „The Enemy“ (TNG S3E7) war auch dabei. Stichwort: Geordi und ein Romulaner auf einem feindlichen Planeten. Und ganz am Ende tauschen auch die Metronen auf, die James T.Kirk in „Arena“ (TOS S1S18, „Ganz neue Dimensionen“) auf einem fremden Planeten kennenlernt.
Diesmal ist es Erica Ortegas, die sich auf einem allerdings sehr feindlichen Planeten wiederfindet. Und der umkreist 
in einer Ellipse einen Gasplaneten und kommt ihm dabei regelmäßig zu nahe. Überleben? Undenkbar. Dass Ortegas die One-Woman-Show trotz der verzweifelten Lage mit toughen Onlinern kommentiert, ist ziemlich gelungen. Es passt zu der Figur.

Dann folgt der Schock: Ausgerechnet an diesem Ort trifft die Pilotin einen Gorn, besser gesagt: eine Gorn*in. Natürlich ist dies eine latent tödliche Begegnung, aber als die Gorn ihr Essen mit Ortegas teilt, macht sich ein zarter Hauch von Zusammenarbeit bemerkbar. Man kommt sich näher, Ortegas versorgt eine Wunde der Gorn und spätestens, als sie aus Technomüll einen primitiven Universal-Übersetzer zusammenbaut, erfährt sie einiges über die Gorn. Und die Gorn über sie. Offenbar hat ihr Gegenüber Interesse an den Motiven der Menschen. Und bald spielen die beiden sogar Schach miteinander, was Ortegas nicht bekommt, denn die Gorn lernt schnell. 

Und so wartet zumindest Ortegas auf die Rettung durch die „Enterprise", während die verletzte Gorn skeptisch ist (immerhin droht ihr aufgrund ihrer Verletzung womöglich die Liquidation durch ihre eigenen Leute). Ein Clash of the Cultures bleibt aus und Ortegas gelingt es, den Planeten kurzfristig zu entflammen, was man eigentlich nicht überleben kann, aber wenigstens Pike und die Crew auf ihren Aufenthaltsort aufmerksam macht.

Barbarische Menschen, barbarische Gorn

Nun durfte der Zuschauer erwarten, dass man sie zusammen mit der Gorn auf die „Enterprise" beamen würde. Stattdessen landet ein Außenteam der Enterprise auf dem Planeten und La’an erschießt die Gorn auf der Stelle. Ortegas bricht verzweifelt zusammen. Und wie ein Deus ex Machina taucht plötzlich ein engelartiges Geschöpf auf, das sich als Mitglied der Metronen zu erkennen gibt. Eine waffenlos agierende Zivilisation, die Gewalt verabscheut und sowohl die Gorn als auch die Menschen dem Typus „barbarische Zivilisation“ zuordnet. Das Wesen löscht Ortegas Gedächtnis an die Begegnung mit den Metronen (ein logischer Lapsus, denn der belehrende Kommentar des fremden Wesens wird dadurch sinnlos), aber an die Begegnung mit den Gorn darf sie sich erinnern. 
Lazy Writing? Schon wieder die Variation von alten Plots aus TOS und TNG? Zumindest das Erscheinen der Metronen macht zumindest ansatzweise Sinn, wenn man weiß, dass diese Super-Spezies zum Kanon gehört. Und sie haben Ortegas Schicksal offenbar als „Prüfung“ inszeniert. Note: nicht bestanden.
 
In "Arena" fällt das Urteil besser aus. Dort befürchten die Gorn eine Invasion durch die Menschen in ihrem Raumsektor, während die Menschen nach dem Überfall auf eine ihrer Stationen und der Tötung aller dort befindlichen Menschen ebenfalls von einer Invasion ausgehen. Trotzdem wird Kirk darauf verzichten, einen Gorn zu töten, was die Metronen positiv beeindruckt. In „Terrarium“ verhalten sich die Menschen dagegen noch ziemlich barbarisch, zumindest La’an tut dies. Als Zuschauer kann man diese Skepsis teilen.

Das Drehbuch der TOS-Episode stammt von Gene L. Coon, der viele Skripts über kulturelle Dissonanzen im Weltraum schrieb. Dissonanzen, die Gewalt auslösten und viel mit Missverständnissen oder der Angst vor dem Fremden zu tun hatten. 
In diesem Kontext befindet „Terrarium“ sehr nahe am Kanon, auch wenn viele Zuschauer wahrscheinlich auf Anhieb nichts mit den Metronen anfangen können. Und tatsächlich hätte die Episode auch ohne ihr Auftauchen funktioniert.

 Alle für einen

„Terrarium“ ist insgesamt eine des besten Episoden der 3. Staffel und wohl auch der gesamten Serie. Warum Ortegas auf dem Planeten landet, ist einem McGuffin zu verdanken. Die „Enterprise" will einen Sektor mit merkwürdigen Gravitationseffekten untersuchen, wozu eine Sonde abgesetzt werden muss. Natürlich muss man dafür in ein Shuttle steigen und natürlich ist es Ortegas, deren PTSD-Trauma nach der Begegnung mit den Gorn die Konfrontation mit eben diesen zunächst in blanken Horror verwandelt. Ein wenig konstruiert wirkt dies schon, aber wenn man die Geschichte mit La’an erzählt hätte, wäre dies eine Katastrophe geworden: ein guter Gorn ist ein toter Gorn...

Dass Ortegas durch ein Wurmloch gezogen wird und die „Enterprise" dazu zwingt, diese Anomalie ebenfalls zu durchqueren, sorgt visuell für einige Highlights. Allerdings wird die Reaktion von Pike und seiner Crew von einem überflüssigen Plot-Topus eingeschränkt: man muss (wieder einmal) pünktlich Medikamente bei einer befreundeten Spezies abliefern, die sonst millionenfach sterben würde. Ist es moralisch vertretbar, Ortegas zu retten?

Der Konflikt zwischen „Einer für Alle“ versus „Alle für einen“ ist aber überflüssig, denn man weiß ja schon, wie das ausgehen wird. Uhura will ihre Freundin um jeden Preis retten und lügt sogar Pike an, während der weiß, dass sie lügt, aber nicht zögert, die „Enterprise" selbst in das Wurmloch zu steuern: Alle für einen.

Somit hat SNW endlich wieder eine moralische Botschaft 
verkündet. Diesmal über Vorurteile und voreilige Gewaltanwendung. Etwas bieder, aber insgesamt o.K. Sie zeigt nämlich, dass selbst die Auseinandersetzung mit einer bestialischen Spezies wie den Gorn überraschende Erkenntnisse vermitteln kann, etwa, wenn zwei Individuen aufeinandertreffen, die sich eigentlich sofort an den Kragen gehen müssten, aber sich gegen jede Erwartung einigermaßen vernünftig verhalten. Für mich ist das „Star Trek“ pur, auch weil ich weiß, dass dies in der realen Welt völlig undenkbar wäre. (Metronen irren sich nicht!).

Anderer Meinung sind jene Trekkies, die „Terrarium“ als „Abklatsch“ bezeichneten. Das gehört zur freien Meinungsäußerung. Wenn dann aber behauptet wird, dass die Episode sich nicht dafür interessiert, wie die sprachlichen Barrieren zwischen Feinden abgebaut werden können, dann ist die Bullshit. Denn komischerweseaber mit keinem Wort Ortegas Universal-Übersetzer 
erwähnt und die Dialoge zwischen Ortegas und der Gorn ebenfalls nicht. Solche 'Kritiker' handelt gewollt manipulativ. Anders formuliert: „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“. Mich widert das an.

Denn etwas lässt sich nicht leugnen: La’ans Kommentar nach dem First Contact mit den Gorn ist nicht wegzudiskutieren – und er ist richtig. „Die Föderation lehrt uns, dass wir nur einen Weg finden müssen, Empathie für unsere Feinde aufzubringen, damit sie eines Tages unser Freunde werden können. Das ist falsch. Einige Dinge in diesem Universum sind einfach nur böse.“ 
Wer dies als Kritiker nicht in Erwägung zieht, sondern La’ans Deutung als Nährboden für Faschismus definiert wird und behauptet, dass dadurch „die Akzeptanz von beliebigen Grausamkeiten gegen vermeintliche (!) Feinde“ legitimiert wird, der dreht am Rad der Geschichte. So wird „Survival of the Fittest“-Ideologie der Echsen als erträglich umdefiniert.

Fazit: Man sollte sich – wenn man alt genug ist – daran erinnern, wie die damaligen Trekkies über TOS und Jahrzehnte später über TNG herzogen. Heute behüten sie diese Serien wie den ‚Heiligen Gral‘. Gerade deshalb ist die Variation eines bekannten Star Trek-Topus zumindest in Hinblick auf die Charakterentwicklung sehr überzeugend. Und dass sogar zwischen Gorn und Menschen etwas Empathie entstehen kann, zeigt, dass man jederzeit mit Überraschungen rechnen muss.

Note = 1

3x10 “New Life and New Civilizations”

Die letzte Episode der 3. Staffel lässt einen verwirrt zurück. Sie handlungstechnisch völlig überladen, die Dialoge sind voller Technobabble, diesmal aber mehr pseudo-wissenschaftliches Geschwätz als Technik, und eine Szene wird dazu verwendet, dem Zuschauer die Handlung zu erklären. Dies dauert stramme sechs Minuten – Show it, don’t tell!

Das ist viel, eigentlich zu viel für etwas mehr als eine Dreiviertelstunde. „New Life and New Civilizations“ scheitert daher in großem Stil, aber die Episode zeigt trotzdem das Potential dieser ungewöhnlichen Serie. 
I
m letzten Drittel ist die von Dana Horgan und Davy Perez geschriebene Episode empathisch, traurig und hoffnungsvoll zugleich. Das geht unter die Haut. 
Man spürt die Dialektik von Trauer und Optimismus, es geht um Christopher Pike und dessen scheinbar unabwendbares Schicksal, aber es geht auch um Marie Batel, die ein anderes Schicksal annehmen muss. Übrigens ein verblüffender Plot Twist, den niemand ahnen und erst recht nicht erwarten konnte.

„Das ergibt doch keine Sinn“ (Christopher Pike)

Alles beginnt damit, dass sich Dr. Kirby wieder einmal am falschen Ort aufhält. Auf dem Planeten Skygowan trifft er auf Gamble, den ehemaligen Ensign, der in S3E5 „Through the Lens of Time“ zum Wirt einer gefährlichen Spezies wird, den Vezda. Er wurde von der Crew getötet, seine Reste wurden im Musterpuffer des Schiffs scheinbar sicher weggeschlossen. Offenbar konnte sich nun eine Kopie von ihm befreien und auf einer interplanetaren Reiseroute in kurzer Zeit Skygowan erreichen, wo er innerhalb kürzester (!) Zeit zum Anführer wird, den das Volk wie eine Gottheit behandelt. Die Skygowianer folgen sogar enthusiastisch seinem göttlichen Befehl, sich die Augen auszustechen.

Pike und seine Crew sind alarmiert, denn Gamble wird alles versuchen, um die anderen Vesta aus ihrem Gefängnis auf Vadia IX zu befreien. Die Skygowianer sollen ihre neuen Wirte werden. 
Die „Enterprise" legt auch ohne Sporenantrieb schnell den Weg zu dem weit entfernten Planeten zurück. Ein Außenteam verschafft sich Zutritt zu einer heiligen Halle (komisch, niemand scheint sich für sie zu interessieren), in der Gamble bereits wartet. Der tötet aber seine Feinde nicht (sic!), sondern durchschreitet mit M’Benga ein Raumportal, das die beiden augenblicklich auf Vadia 9, den Planeten der Vezda transportiert, teleportiert oder was auch immer. 
Aber warum nimmt Gamble M’Benga mit? Ausgerechnet einen kampferprobten Widersacher und nicht einen hörigen Skygowianer? Ganz einfach: abgesehen von einigen Hieroglyphen, die auf die Rolle des Schiffsarztes im Raum-Zeit-Kontinuum hinweisen, herrscht auf dem Planeten das „Dualitätsprinzip“: man kann nur zu zweit durch den Schrein gehen. Das ist ein Gebot, auch dann, wenn man die „Beobachterin der Wächter“ töten und Gambles Gesinnungsgenossen befreien will.
 
Was geschieht da? Offenbar hat man im Writer’s Room entschieden, irgendeinen Blödsinn zu erfinden, um die die Handlung irgendwie folgerichtig erscheinen zu lassen. Wer bereits die Augen verdreht, sollte wissen, dass der Schmarrn noch lange nicht vorbei ist.
 
Zeitgleich (falls das Wort in diesem Kontext überhaupt noch Sinn macht) durchläuft Marie Batel eine Metamorphose, die sehr spooky ist. Ihre Augen verwandeln sich in eine Art von funkelnden Diamanten, aber man findet rasch eine Erklärung dafür (dieses Tempo der Crew hätte man sich in anderen Episoden händeringend gewünscht): offenbar haben sich DNA-Elemente des illyrianischen Blutes von Nummer 2 zusammen mit der DNA der Gorn und der Chimera zusammengetan und aus Batel ein Superwesen geschmiedet, das zu allem Überfluss auch noch mystisch murmelt: „Die Zeit muss nicht so verlaufen, wie wir es erwarten.“ Zudem hat sich Batel auch noch alle Erfahrungen angeeignet, die andere Zivilisationen im Kampf gegen die Vezda gemacht haben. Pike kann nur noch konstatieren: „Das ergibt doch keinen Sinn!“ Richtig!

Magie im Weltall?

Wer erst jetzt die Augen verdreht, hat das Schlimmste immer noch nicht wegstecken müssen. Dazu gehört auch der nicht zu vermeidende Auftritt von Kirk, der natürlich mit der „Farragut“ nach Skygowan fliegen will. Das Gespräch mit der „Enterprise" führt er höchstpersönlich, nicht sein Captain, aber das haut einen längst nicht mehr um. Nichts gegen Kirk, aber auch diese Figur noch in die Handlung hineinzupressen, grenzt an Übermut. 
Immerhin hat es einen Grund, denn um das Portal für Pike und Batel zu öffnen, müssen die „Enterprise“ und die „Farragut“ mit einem koordinierten und zeitlich synchronisierten Faserstrahl das Raumportal erneut öffnen. Geht die Sache schief, dann ist der Planet Asche. 
Die Lösung ist einfach: Spock und Kirk verschmelzen ihr Bewusstsein und die beiden Schiffe pulverisieren den Planeten anschließend nicht. Danach sind Spock und Kirk beste Freunde und der Vulkanier darf ihn „Jim“ nennen. Das ist ziemlich gut gelungen und auch visuell ist die Szene ein Hingucker.


Der Höhepunkt der Episode ist Batels Erklärung: sie ist die „Beschützerin“, 
die aufpassen muss, dass die Vezda nicht entkommen können. Sie war es immer schon und muss es wieder werden. Und sie wird diese schicksalshafte Rolle annehmen, auch wenn sie sich dabei in eine Statue verwandeln wird.

Wie geht das? Zum Glück gibt es Spock. Und der erklärt mit ernster Miene: „Im interdimensionalen Raum können sich Ursache und Wirkung umkehren.“ 
Aha, die Gegenwart mitsamt dem entwichenen Gamble ist die Ursache dafür, dass vor Jahrtausenden oder Jahrhunderten Batel die „Beschützerin“ wurde (das ist die Wirkung). Batel sorgt also in der Gegenwart dafür, dass sich die Ereignisse der Vergangenheit überhaupt ereignen können!
Nun stehen sich Pike, der einen überforderten Eindruck macht, Batel mit glitzernden Augen und  Gamble, der Abgesandte des Bösen, sprich: des Teufels, gegenüber, um in einem Showdown zu klären, wer denn nun was machen darf. 

Mal abgesehen davon, dass ein Sieg Gambles verheerende Folgen für die Zeitlinie haben würde, hat mich die Chuzpe verwundert, mit der die Autoren mit einem Zauberstab alles zusammengerührt haben, was besser nach Hogwarts gepasst hätte. 
Gut, dass sich mit der Umkehr von Ursache und Wirkung einige Quantenphysiker beschäftigen (das sogenannte Delayed-Choice-Experiment), hat vielleicht einen der beiden Autoren angeregt. Aber wer zum Teufel überträgt Quanteneffekte in die Makrowelt? Nur der, der wenig Ahnung hat. Leute, das Genre heißt „Science-Fiction“ und nicht „Magie im Weltall“!

Und nun, an einem Punkt angelangt, an dem man die Episode endgültig aufgegeben hat, kommt der Wendehammer. Denn nach einer Blende sieht man Pike und Batel, die ihren ersten Hochzeitstag feiern. Ein Sprung in die Zukunft? 
In der nächsten Szene haben beide bereits ein Kind, aber Pike muss auf das Ausbildungsschiff, das ihm zum Verhängnis werden soll. Pike verlässt mit stoischer Haltung seine Familie und stellt in Aussicht, dass er als Pflegefall zurückkehren wird. Dies ist aber nicht der Fall, es gibt kein Strahlenleck und Pike ist irritiert, weil er schon einmal erfahren hat, was passiert, wenn er sein Schicksal nicht erfüllt.
Immer wieder klopft es an der Tür. Erneut ein Zeitsprung. Eine neue Szene: Pike und Batel sind alt, Pike sitzt nun am Bett seiner sterbenden Frau. Wieder klopft es, Pike öffnet die Tür und Gamble steht vor ihm. Zurück zum Showdown.

Anything goes

Batel gesteht, dass sie das „Gewebe von Raum und Zeit“ ein wenig verändert hat. Sie hat eine alternative Zeitlinie geschaffen, in der sie mit Christopher Pike jahrzehntelang glücklich zusammenleben kann, während in der Jetztzeit nur wenige Sekunden vergangen sind. 

Das Finish soll an dieser Stelle nicht gespoilert werden, aber eine ausführliche Handlungszusammenfassung war nötig. Sonst erhält man kein Feeling dafür, dass die Autoren einer Sci-Fi-Serie unzumutbar und willkürlich nicht nur die uns bekannte Physik auf den Kopf gestellt haben, sondern auch elementare Gesetze des Storytelling. 
Dass in der Diegese des Star Trek-Universums natürlich andere physikalische Gesetze herrschen, ist keine Überraschung. Aber man spürt verärgert, wenn zu sehr und zu willkürlich am Rad gedreht wird. „Anything goes“ ist kein Qualitätsmerkmal!

Dabei ist die alternative Zukunft, die Pike erleben darf, durchaus eine gute Idee. Sie entlastet nicht nur eine fiktive Figur, sondern auch den Zuschauer, der nicht wissen kann, was sich die Macher noch alles mit dem Captain der „Enterprise" vorhaben. 
Emotional konnte diese Sequenz zumindest den Verfasser dieser Rezension abholen. Auch weil das Wissen um das eigene Ende in der realen Welt für jeden von uns vermutlich unerträglich wäre. So gesehen ist „New Life and New Civilizations“ ein Sedativum, das der Hauptfigur etwas gibt, was der Zuschauer in der realen Welt nicht erwarten kann. Auf jeden Fall weiß er nun, was „New Life“ im Episodentitel bedeutet.
Aber der Plot ist an dieser Stelle ein wenig melodramatisch (was nicht schlimm ist!), denn Pike, der sich in der alternativen Zeitlinie seinem Schicksal gestellt hat, wird für seine moralische Integrität belohnt. Zurück in seiner Realität sitzt er am Ende der Episode wie ein Häufchen Elend auf einem Stuhl, nicht ansprechbar und zutiefst erschüttert. Auch in „New Life and New Civilizations“ hat die Medaille zwei Seiten.

Postskriptum: Was mich abnervt, ist Ignoranz. Und die findet man auf einigen Internet-Trekkie-Portalen, die es sich scheinbar zur Aufgabe gemacht haben, jede Episode von „Strange New Worlds“ in Grund und Boden zu rezensieren. Ein Autor (ich setze hier keinen Link) echauffierte sich zum Beispiel seitenlang und ohne jegliche Handlungszusammenfassung darüber, dass die finale Episode der 3. Staffel eine ideologische Debatte über den harten und weichen Determinismus sei. Und die Botschaft lautet: den Figuren wird die Selbstbestimmung geraubt, damit den Zuschauern die Unausweichlichkeit der Zukunft in die Köpfe gehämmert wird.

Mal abgesehen davon, dass die verwendeten Begriffe nicht definiert werden, ist diese Kritik konstruiert und abwegig. In einem deterministischen Universum ist allein schon die Umkehrung von Ursache und Wirkung aufgrund einiger Paradoxien nicht möglich. Und sie ist auch nicht in einem nicht-deterministischen Universum möglich. 
Das hängt mit einem zweifelhaften Verständnis von Kausalität zusammen, der auf dem Credo „gleiche Ursache, gleiche Wirkung“ besteht. Natürlich fällt ein Apfel vom Baum und fliegt nicht davon. Aber der Weltzustand, in dem dies jeweils geschieht, wiederholt sich niemals. 
Einfaches Beispiel: ein Tor, das in einem Fußballspiel geschossen wird, ist zweifellos die Wirkung einer Ursache. Aber der Weltzustand, in dem dies geschehen ist, wird sich niemals wiederholen, obwohl es ähnliche Tore geben wird. Wäre es anders, würden wir ziemlich oft das Immergleiche erleben.

Fazit: Entscheidend ist nicht nur das, was ist, sondern jenes, was hätte sein können. Anders formuliert: „New Life and New Civilizations“ hätte man auch ohne den hyperkomplexen Handlungsbau erzählen können und garantiert auch ohne die angeberische Umkehrung des Kausalitätsprinzips. Das „Anything goes“ der Macher hat der letzten Episode daher geschadet. Im letzten Drittel boten die Autoren allerdings einen schönen Traum an, der sich gegen die Traumata richtete, die einige Figuren mit sich herumschleppen. Aus meiner Sicht ist wenigsten das eine humanistische Botschaft.


Note= 3


Notenspiegel




Gesamtfazit

Medienprodukte werden nicht vom Heiligen Geist erfunden. Es sind Waren, die sich auf dem Markt behaupten müssen. Trekkies sollten das langsam einsehen: Da sind keine Macher unterwegs, die primäre humanistische Botschaften verbreiten sollen. Es müssen Quoten und Gewinne eingefahren werden – dabei ist Qualität kein Hindernis, solange die Margen stimmen. Wenn aber die Qualität verschwindet, dann ist das viel öfter Strategie als Zufall oder Unfähigkeit. 

An sich ist das Agieren in einer kapitalistischen Medienindustrie kein Problem. Die Balance von Angebot und Nachfrage funktioniert nämlich gut, wenn die Filme und Serien nur unterhalten wollen, dann wieder soziale, politische und sozialen Themen reflektieren, dabei aber ideologiefrei und divers bleiben. 
Es gibt überragende Produkte und niederschwellige. Jeder wird bedient, während im Hintergrund die Global Player miteinander verschmelzen, neue Monopole schaffen oder sich anderen Strategien zuwenden. Der Konsument bekommt dies nicht mit.
Vielleicht bekommt er auch nicht mit, dass in den USA ein Kulturkampf begonnen hat, der Bücher verbietet, von der Unterwerfung der Andersdenkenden träumt und durch Ideologie bestimmt wird. Medienmacher haben sich zu ändern, fordern die Ultrarechten. Und dies ist das genaue Gegenteil der Gene-Roddenberry-Philosophie.

Auch Paramount+, das für „Star Trek“ „zuständig“ ist, hat es erwischt. Der Zusammenschluss des Medienkonzerns Paramount Global (u. a. Paramount Pictures, Paramount+, CBS und Comedy Central) mit der Film- und TV-Produktionsgesellschaft Skydance Media hat nämlich konkrete Folgen. Paramount schwächelte finanziell und die 16 Millionen US-Dollar, die das Unternehmen an Trump zahlen musste, waren eine Strafgebühr für „falsche“ Politik und schwächten Paramount zusätzlich.
Nach der Übernahme von Paramount durch Sundance könnte dies spannend werden, weil Paramount erst kürzlich ein Deal mit den „South Park“-Machern in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar abgeschlossen hat. „South Park“ feuert in der neuen Staffel mit grausamer Härte auf Trump, teilweise tief unter der Gürtellinie.
Die „richtige“ Politik des neuen Multis hat Sundance-CEO Dave Ellison bereits angekündigt: Woke Programme für Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration werden nicht mehr finanziert. Gleichzeitig gilt er als Star Trek-Fan. Ellison war Executive Producer bei den Filmen Star Trek Into Darkness (2013) und Star Trek Beyond (2016). Kann dies gutgehen?

Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen. Das sogenannte DEI-Programm (Diversity, Equity, Inclusion, also: Vielfalt, Gerechtigkeit, Inklusion), dem die großen Konzerne während der Biden-Ägide begeistert folgten, ist Geschichte. Opportunistisch lehnen Unternehmen wie Netflix, Amazon Prime und Disney nun diverse Identitätspolitik, Fairness ungeachtet der ethnischen Herkunft und die Integration von Menschen mit Behinderungen entschieden ab.
 
Was bedeutet dies für „Star Trek“? Im schlimmsten Fall werden Neger, Schlitzaugen, Puerto-Ricaner und andere unerwünschte Ethnien sowie Frauen aus neuen Star Trek-Serien verschwinden und durch stramme patriotische weiße Männer ersetzt. Wohin das führt, zeigte DISNEY in dem neuen Marvel-Film „Thunderbolts“. Dort darf David Harbour als „Red Guardian“ sagen: „Mein größter Stolz war es, meinem Land zu dienen!“ 
Pech nur, dass es Russland war, aber ansonsten stimmt der Trend. Wer also emsig der Frage nachgeht, ob das neue Star Trek noch Kanon-konform ist, befindet sich garantiert auf dem falschen Spielfeld und wird sich noch die Augen reiben, wenn Star Trek wirklich zerstört wird.

Man darf ruhig annehmen (und hoffen), dass dieser Blick in die Zukunft die tatsächliche Lage überzeichnet. Aber wer sich die ersten beiden Staffeln von „Strange New Worlds“ anschaut, wird nur schwer leugnen können, dass es grundsätzliche Verschiebungen gibt, die vielleicht in einigen Jahren zu einer reflektierten Rückschau führen werden. Die wird nicht schön sein. 

„Wo die Staffel noch ins Straucheln gerät, ist ihre grundlegenden Natur als moralistisches Theater – etwas, worauf die Originalserie stolz war und was „Strange New Worlds“ bisher ebenfalls nachgeahmt hat. In dieser Staffel findet man keine großen, pathetischen Episoden wie „Ad Astra Per Aspera“ aus Staffel zwei (obwohl sich das im Laufe der Staffel noch ändern könnte); stattdessen versucht die Serie, die Stimmung leicht zu halten, wobei sich die dunkelsten Momente eher auf die emotionalen Turbulenzen der Figuren konzentrieren, anstatt breite politische Allegorien zu erzählen“, bilanzierte Clint Worthington auf rogerebert.com die 3. Staffel.

Das kann ich unterschreiben. Solange „Strange New Worlds“ aber noch in Teilen funktioniert, sollte man die Hoffnung nicht aufgeben. Wir brauchen gutes Star Trek.