Mittwoch, 14. März 2007

Rocky Balboa

Es ist schon erstaunlich, wie sehr ROCKY geliebt wird. Und wenn man den Blätterwald durchstreift, findet man zumindest im deutschsprachigen Raum kaum Verrisse und ist folglich kaum noch überrascht, wenn Filmpapst Georg Seeßlen zwar die Ideologie des wohl letzten Boxerfilms über Underdog Rocky zerfetzt, dann aber doch einräumen muß, daß er die alte "Knautschfresse" liebt. Irgendwie.
Nun muß man nicht Vermutungen über die Affinität von Intellektuellen und Boxerfilmen anstellen (was durchaus ein interessantes Thema) abgibt, sondern man sollte sich erst einmal darauf einlassen, ob der Film funktioniert. Ja, da tut er und die Frage ist nun, warum ein Film über eine Figur, die im letzten mißlungenen Sequel zugrunde gerichtet wurde, plötzlich eine glanzvolle Wiederaufstehung feiert.

Ganz einfach: Stallone ist als Autor und Regisseur ein beispielhaftes "Back to the roots" gelungen, der sogar völlig glaubwürdig darstellen kann, warum ein 60-jähriger Boxveteran in seinem letzten Fight nicht einfach vom amtierenden Champf totgeprügelt wird, sondern einen Abgang mit Würde hinlegt, wie ihn der Sportlerfilm, der zuletzt mit "Million Dollar Baby" ins depressiv-realistische Meister-Melodram abgedriftet ist, lange nicht mehr gesehen hat. Stallone erzählt einfach die Geschichte des ersten Teils noch einmal, nun ist es aber die Geschichte vom letzten und nicht die des ersten Fights. Aber (fast) alles ist wie in "Rocky I". Und das bedeutet, daß Stallone seine Figur wieder in das Kleine-Leute-Milieu Philadelphias stellt, in die maroden Vorstädte, die Fleischfabriken mit ihren Schweinehälften, auf die man eindrischt.
Nur ist die Stadt älter geworden und alles ist auch Stück schlimmer als früher - nur Rocky ist mit seiner hausbackenen Philosophie, die den ganzen Kanon eines Wertkonservativen bereithält, der Alte geblieben. Immer noch geht es um Selbstachtung, Zuverlässigkeit, Freundschaft, Loyalität und wenn Rocky in seinem kleinen Lokal um des Geschäftes willen seinen Gästen alte Anekdoten über sich erzählt, so hat dies den schwerfälligen Charme eines ehrlichen Mannes, dem man verzeihen kann, das er sich ein wenig verkauft. Aber eben nur ein wenig. Und das macht den Film so sympathisch.

Daß man diesen Oldie noch einmal in den Ring zerrt, ist Marketing und pures Geschäft, aber das wissen wir seit Axel Schulz ja alle zur Genüge. Aber es ist auch - und das hat spätestens nach einer halben Stunde auch der letzte Zuschauer kapiert - Traum und Seele eines Mannes, der uns in einer immer komplexer werdenden Welt damit tröstet, dass alles doch im Grunde ganz einfach ist. Und so will Rocky, der den Tod seiner Frau nicht verkraftet und sich Trost nur verschaffen kann, indem er sich noch einmal re-inszeniert, auch wenn ihn dies das Leben kosten kann, einfach nur boxen. Einmal noch, weil dies seine Bestimmung ist.
Diese Einfachheit kann man eigentlich nur in der Fiktion ertragen, im künstlichen Erzählraum des Kinos. Draußen, im Leben, traut man ihr nicht mehr über den Weg. Eigentlich schade.

Drama, USA 2006, 102 Minuten. Originaltitel: Rocky Balboa. Regie: Sylvester Stallone; Produktion: Robert Chartoff, Sylvester Stallone u.a.; Drehbuch: Sylvester Stallone; Musik: Bill Conti; Kamera: J. Clark Mathis; Schnitt: Sean Albertson.
Mit Sylvester Stallone (Rocky Balboa), Burt Young (Paulie), Milo Ventimiglia (Rocky Jr.), Geraldine Hughes (Marie), Antonio Tarver (Mason The Line Dixon) u.a.