Dienstag, 2. Dezember 2014

Serien-Review: The Strain

Ein Wurm, der in ein menschliches Auge eindringt? Als im Sommer der Cable TV-Anbieter FX mit großflächigen Plakaten entschlossen Werbung für seine neue Horrorserie „The Strain“ machte, war die Detailansicht des invasiven Parasiten einigen Passanten zu viel des Guten. FX musste die Plakate entfernen. Amazon zeigt die Serie im Original (OmU) – kostenpflichtig im Instant Video Shop. Den Wurm gibt es auch zu sehen.

Ein Flugzeug landet auf dem JFK Airport in New York. Aus dem Inneren kein Lebenszeichen. Und auch sonst scheint nichts mit diesem Flug zu stimmen, denn an Bord sind alle tot. Bis auf drei Passagiere und den Kapitän. Gesund sehen die Vier aber auch nicht aus. Seuchenexperte Dr. Ephraim Goodweather (Corey Stoll: House of Cards) rät, die scheinbar von einer mysteriösen Krankheit Befallenen in Quarantäne zu schicken und die Toten gründlich zu untersuchen. Natürlich geschieht dies nicht.



Gepflegter Trash

Um einen Outbreak in Zeiten von SARS und Ebola reibungslos zu ermöglichen, müssen alle Verantwortlichen entweder völlige Idioten oder wenigstens mittelschwer korrupt sein. In „The Strain“ werden beide Bedingungen erfüllt. Während der Zuschauer bereits nach zehn Minuten ahnt, dass eine Pandemie ins Haus steht, demonstrieren Goodweathers Vorgesetzte im Center for Desease Control (CDC), Politiker, Polizei und Stadtverwaltung entschlossen ihre Beratungsresistenz. Selbst als Goodweather irgendwann mit schicken Handyvideos beweist, dass ein monströses Supervirus die Infizierten in Zombie-Vampire verwandelt, glaubt ihm niemand. Verschwörung? Natürlich. Man hetzt das FBI auf ihn. Und wer nicht korrupt ist, ist strohdumm und macht garantiert immer das Falsche, was garantiert tödlich endet.

Dumm und korrupt: Guillermo del Toro und Chuck Hogan, die ihr gemeinsames Serienprojekt zunächst als dreiteiligen Roman veröffentlichten und nun mit Produktionsleiter Carlton Cuse („Lost“) drei bis vier Seasons planen, haben mit „The Strain“ wortwörtlich und ziemlich lustvoll Trash („Müll“) produziert. Der Plot funktioniert in der Millionenstadt New York aber nur, weil der ‚mächtigste Mann der Welt’, der todkranke Milliardär Eldritch Palmer (Jonathan Hyde), und der Nazi-Vampir Thomas Eichhorst (Richard Sammel) die Rückkehr des „Meisters“ ins Auge gefasst haben. Palmer möchte bei dem Deal von dem uralten und übermächtigen Vampir die Unsterblichkeit erhalten und das menschliche Genom durch Vampzombifizierung verbessern, der Altnazi ist dagegen seit seiner abrupt beendeten SS-Karriere im KZ Treblinka mit dem großen Sauger verbandelt. Damit alles reibungslos funktionieren kann, besticht Palmer eine Handvoll Politiker und die Seuchenkontrolle und lässt von einer Hacker-Gruppe das Internet abstellen, damit bloß keiner mitbekommt, was auf den Straßen los ist. Und während im nächtlichen
N.Y. bereits Scharen finsterer Zombie-Vampire auf die Jagd gehen, berichten die Medien immer noch von merkwürdigen Erkältungskrankheiten.


The Walking Zompires

Wer sich mit Plausibilität und Handlungslogik nicht lange aufhalten möchte, wird in „The Strain“ mit insgesamt mittelmäßiger Horrorlust belohnt. Del Toro, der nicht nur „Hellboy“ gemacht hat, sondern auch den brillanten Film „Pan’s Labyrinth“ und als Regisseur und Autor auch für einige der jüngsten Hobbit-Events verantwortlich zeichnet, hält sich zusammen mit Co-Autor Chuck Hogan nicht lange mit raffinierten Wendungen auf. Die Serie des Kabelsenders FX (The Shield, Justified, American Horror Story, The Bridge (US-Version), Fargo) 
ist eine am Reißbrett entworfene Kopie von „The Walking Dead“ mit den bekannten Ingredienzien: dystopisches Grundmuster; keine eleganten Vampire à la Christopher Lee, sondern wankende Zombies, denen ein zwei Meter langer Saugarm aus dem Mund schnellt; wie in TWD ist die erforderliche schnelle Zerstörung ihres Hirnstamms dringend erforderlich und wie in TWD gibt es die mutig entschlossene Kleingruppe, die zu diesem Zweck in den Krieg zieht, die obligatorischen schmerzvollen Verluste mental verarbeiten muss, aber garantiert pro Episode etliche „Zompires“ (so nannte „Entertainment Weekly“ die Neuzombies) köpft oder sonstwie ins Jenseits befördert.
 

Bei der Figurenentwicklung wird nicht etwa wie in TWD regelmäßig am Charakter und an moralischen Grundsatzfragen gewerkelt, sondern lediglich eine einigermaßen funktionierende Grundstruktur skizziert. Nur der Treblinka-Überlebende Professor Abraham Setrakian (David Bradley: „Argus Filch“ in den Harry-Potter-Verfilmungen) und der städtische Schädlingsbekämpfer (!) Vasily Fet (Kevin Durand) sorgen regelmäßig für zynischen und rustikalen Charme. Alle anderen Figuren bleiben blass wie die Vampire, die sie jagen. Auch Corey Stoll kämpft vergeblich gegen diverse Rollenklischees an - wie etwa die Rettung seiner von gewaltigen Eheproblemen belasteten Familie. Mal ehrlich: Welche Hauptfigur, egal wo, kämpft nicht um die Rettung seiner von gewaltigen Eheproblemen belasteten Familie?

Auch sonst bleibt „The Strain“ der Konvention treu und auch
tricktechnisch mit nicht sonderlich überzeugenden Gore-Effekten eher minimalistisch. Großzügige Settings gibt es im 70-minütigen Piloten und danach nur selten. Die Jagd nach den Monstern findet in Häusern, Tankstellen, Kanalisationen statt. Informationen aus der Außenwelt werden durch regelmäßige TV-Einspieler gegenwärtig. Dies erklärt aber nicht, warum die Nationalgarde nicht schon längst im nächtlichen New York unterwegs ist, wo doch bereits massenhaft hässliche Sauger die Straßen bevölkern. Etwas mehr hat man sich von Guillermo del Toro schon erhofft.

Allein die Rückblenden ins KZ Treblinka erinnern auf makabre Weise an die phantasievollen Trashideen, die man von del Toro gewohnt war. Ob die nächtliche Verfütterung von Juden an einen Vampir wirklich politisch korrekt ist, wage ich zu bezweifeln. Die allegorische Umbesetzung von Adolf Hitler durch einen nicht minder größenwahnsinnig nach Weltherrschaft strebenden Supervampir, der seine Jünger zudem telepathisch steuert, ist allerdings tiefschwarzer Humor vom Feinsten. Etwas mehr davon wäre notwendig gewesen, um „The Strain“ aus dem Mittelmaß herauszuheben. 

 

Fazit: Mit „The Strain“ bietet Amazon seinen Prime-Kunden zeitnah eine in den USA erfolgreiche Horrorserie an, die in Maßen unterhaltsam ist. Guillermo del Toro und sein Team fügen dem Genre nichts Neues hinzu, „The Strain“ gehört aber auch nicht in den Mülleimer. Trash-Mainstream.
Einigen Fans von „The Walking Dead“ ist von „The Strain“ allerdings abzuraten, denn die neue Serie bietet keine unscharfen und verrauschten Bilder. Also kein „Dirty Look“, sondern alles richtig scharf und in bestem HDTV. Gruselig.
 
Note: 3,5

The Strain – FX, USA 2014 – 13 Episoden - Amazon Instant Video Shop: Original mit deutschen Untertiteln - Showrunner: Guillermo del Toro, Chuck Hogan – Executive Producer:  Carlton Cuse, Gary Ungar, Guillermo del Toro, Chuck Hogan – D.: Corey Stoll, David Bradley, Mía Maestro, Kevin Durand, Jonathan Hyde, Richard Sammel, Miguel Gomez.