Deutschland 2011 - Regie: Leander
Haußmann - Darsteller: Michael Herbig, Jürgen Vogel,
Thekla Reuten, Alexander Senderovich, Valerie Grishko, Juray Kukura - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ab 12 -
Länge: 105 min.
In „Hotel Lux“ geht es zu
Anfang zwar um Nazis, aber im Zentrum von Leander Haußmanns Komödie steht eine
andere Variante des Terrors: die stalinistische Säuberungswelle, die in der
zweiten Hälfte der 1930er Jahre auch die im Moskauer „Hotel Lux“ lebenden Sozialisten
und Kommunisten erfasste, die dort vor den Faschisten Zuflucht gesucht hatten.
Hier wurden nachts recht wahllos vermeintliche Dissidenten vom NKWD aus ihren
Betten geholt und beseitigt. Wer Glück hatte, wurde nach Sibirien deportiert.
Und ausgerechnet in dieser von Verrat und Denunziation geprägten Atmosphäre
soll ausgerechnet ein deutscher Kleinkünstler dem Großen Führer Josef Stalin
die Karten lesen? Kann man darüber lachen? Ja, man kann.
Tingeltangel
Am Anfang lachen die Nazis
noch über sich selbst: Hans Zeisig (Michael Herbig) und sein Freund Siggi Meyer
(Jochen Vogel) parodieren auf einer Berliner Kleinkunstbühne die beiden
Erzfeinde Hitler und Stalin. „Ein Freund, ein guter Freund“ singen sie und 1933
grölt das Publikum, mehrheitlich aus SA- und SS-Gefolgsleuten bestehend, vor
Begeisterung. Eine völlig absurde Szene, die ihren schwarzen Humor darin
besitzt, dass der Zuschauer (hoffentlich) weiß, dass der deutsch-sowjetischen
Nichtangriffspakt Jahre später folgen wird und wie ein blasphemischer
Donnerschlag nicht nur in den Reihen der im Exil befindlichen Antifaschisten
landen wird.
Zeisig ist ein richtiger
Schlemihl, charmant, ein unpolitischer Frauenheld, mit einem Traum von
Hollywood in seinem Herzen. Siggi dagegen, der den Hitler mimt, wird wenig
später in die Kommunistische Partei eintreten und in den Untergrund gehen.
Später werden sich die Freunde unter nicht weniger üblen Zeitläuften
wiederbegegnen.
Leander Haußmann skizziert
den Übergang des multikulturellen Berlins zur Hauptstadt des Reiches in
eleganten Bildern: Tingeltangel ist in seinem Film keine Behauptung, sondern
wird in „Hotel Lux“ ganz authentisch als die anarchistische Kleinkunst der
Komik zum Leben erweckt, die sie in den 1920er Jahren war.
Aber ebenso treffsicher zeigt Haußmann auch ihren Niedergang. Für jene, die über alles lachen wollen, ist im Tausendjährigen Reich kein Platz mehr. Holen sich die uniformierten Nazis (Hitler soll ja ein Faible für die Kleinkunst besessen haben) anfänglich hinter der Bühne noch Autogramme bei Siggi ab, so bricht nach dem Reichstagsbrand der braune Terror auch über die Freunde herein. Zeisig wird in Deutschland nicht mehr glücklich: Siggi landet im KZ Oranienburg, ein Nazi hat die Leitung des Varietés übernommen und die Sketche werden lebensgefährlich. Und dann geht ausgerechnet Zeisig, der sich zuvor liebenswert-naiv zum harmlosen Tingeltangel bekannt hat, noch einmal auf die Bühne, diesmal hat er sich das Hitler-Bärtchen angeklebt: „Wir haben geeignete Mittel, um jeden zum Lachen zu bringen!“, aber es lacht niemand mehr.
Nun geht es ums reine Überleben, aber statt im amerikanischen Fluchtparadies landet Zeisig mit falschem Pass in der Sowjetunion – im berüchtigten „Hotel Lux“.
Aber ebenso treffsicher zeigt Haußmann auch ihren Niedergang. Für jene, die über alles lachen wollen, ist im Tausendjährigen Reich kein Platz mehr. Holen sich die uniformierten Nazis (Hitler soll ja ein Faible für die Kleinkunst besessen haben) anfänglich hinter der Bühne noch Autogramme bei Siggi ab, so bricht nach dem Reichstagsbrand der braune Terror auch über die Freunde herein. Zeisig wird in Deutschland nicht mehr glücklich: Siggi landet im KZ Oranienburg, ein Nazi hat die Leitung des Varietés übernommen und die Sketche werden lebensgefährlich. Und dann geht ausgerechnet Zeisig, der sich zuvor liebenswert-naiv zum harmlosen Tingeltangel bekannt hat, noch einmal auf die Bühne, diesmal hat er sich das Hitler-Bärtchen angeklebt: „Wir haben geeignete Mittel, um jeden zum Lachen zu bringen!“, aber es lacht niemand mehr.
Nun geht es ums reine Überleben, aber statt im amerikanischen Fluchtparadies landet Zeisig mit falschem Pass in der Sowjetunion – im berüchtigten „Hotel Lux“.
Ziemlich humorlos: Die Kanonisierung der politischen
Komödie
Das Tragische an der Filmkomödie
ist, dass sie häufig wie unter Zwang zum Kassenerfolg verdammt ist, während die
meisten Komiker wissen, dass man sehr oft eine Komödie nur deshalb macht, weil
das, was man erzählt, als Tragödie überhaupt nicht zu ertragen wäre. Um von
einer derart depressiven Einsicht abzulenken, hat man sich im frühen Kino
Torten ins Gesicht geworfen, was besonders aus anthropologischer Sicht
interessant ist, aber das ist ein anderes Thema. Immerhin scheint zu gelten,
dass Menschen, die im Kino lachen wollen, auf den tragischen Kern jeder Komödie
lieber verzichten wollen. Komödien, die politische Themen aufgreifen, werden vielleicht
auch deswegen immer als problematisch empfunden. Nicht nur beim Zuschauer:
Entweder werden sie verrissen oder kanonisiert.
Chaplins „The Great
Dictator“ gehört ebenso zum Kanon der gültigen Komödien mit bitterernstem
Hintergrund wie „Sein oder Nichtsein“, den Ernst Lubitsch 1942 drehte, oder
Roberto Benignis „Das Leben ist schön“ (1997). Aber Kanonisierung löst mitunter
Langeweile aus, mitunter lässt das Publikum dies auch die Filmemacher spüren, und
das nicht nur dann, wenn diese nicht den Sprung über den großen Schatten der
Vorbilder wagen.
In Deutschland tut man sich traditionell mit dem Genre schwer. Krawallige Filme wie Dani Levys „Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“ (2007), in dem Hitler von Helge Schneider als depressives Würstchen gegeben wird, lösen hierzulande nicht ganz zu Unrecht epochale Debatten über die Political Correctness von politischen Komödien aus. In der Regel sind diese Diskurse dann auch ziemlich humorlos.
In Deutschland tut man sich traditionell mit dem Genre schwer. Krawallige Filme wie Dani Levys „Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“ (2007), in dem Hitler von Helge Schneider als depressives Würstchen gegeben wird, lösen hierzulande nicht ganz zu Unrecht epochale Debatten über die Political Correctness von politischen Komödien aus. In der Regel sind diese Diskurse dann auch ziemlich humorlos.
Dass nun ausgerechnet der
auf platte Klamotte spezialisierte
und dafür mit Filmpreisen überhäufte Michael Herbig einen Schritt in dieses
kritische Komödienfach gewagt hat, dürfte nicht nur seine am handfesten Klamauk
geschulten Fans überrascht haben. Ihn wohl auch, denn Herbig lehnte die Rolle
erst ab, erlag aber dann dem hartnäckigen Werben des Produzenten Günter
Rohrbach.
Dass nun aber seine Performance in Leander Haußmanns „Hotel Lux“ zu einem echten Volltreffer in der qualitativ überschaubaren deutschen Komödien-Landschaft geworden ist, liegt nicht nur an seinen neu zu entdeckenden Fähigkeiten als souveräner Vollblut-Komödiant, sondern auch – und vor allem – an einem exzellenten Script, einem tollen Casting und der Handschrift eines Regisseurs, der es schafft, ein beklemmendes Thema aus der Sicht eines Schlemihls zu erzählen, ohne es zu verwursten. Das ist schon eine Menge wert.
Dass nun aber seine Performance in Leander Haußmanns „Hotel Lux“ zu einem echten Volltreffer in der qualitativ überschaubaren deutschen Komödien-Landschaft geworden ist, liegt nicht nur an seinen neu zu entdeckenden Fähigkeiten als souveräner Vollblut-Komödiant, sondern auch – und vor allem – an einem exzellenten Script, einem tollen Casting und der Handschrift eines Regisseurs, der es schafft, ein beklemmendes Thema aus der Sicht eines Schlemihls zu erzählen, ohne es zu verwursten. Das ist schon eine Menge wert.
Hotel des Grauens
Als Zeisig vom wechselhaften
Schicksal nach Moskau geführt wird, trifft er dort immerhin seine heimliche
Liebe wieder, die Kommunistin Frida van Oorten (Thekla Reuten). Wenigstens
etwas. Alles Weitere ist aber so, als hätten die Monty Pythons ein Buch von
Franz Kafka in die Hände bekommen. Alles ist reglementiert, für jede Bewegung
braucht man einen Passierschein („Propusk!“) und in den Hotelzimmern herrschen
fast schon metaphorisch die Ratten. Während der zwergenhaften NKWD-Chef Jeschow
die Knute schwingt und die Kinder auf den Gängen „Auf der Flucht erschossen“
spielen, erfährt Zeisig recht schnell, dass unter den Gästen die Angst um sich
greift. Immer wieder werden nachts Menschen abgeführt, von denen niemand mehr
hört, während anderentags die Kommunisten in endlosen Sitzungen
Belanglosigkeiten verwalten und „Väterchen“ Stalin ewige Treue geloben. Und
ausgerechnet der unpolitische Zeisig, den man mit dem bei den Nazis in Ungnade
gefallenen Astrologen Jan Hansen verwechselt, soll nun höchstpersönlich und erneut
in falscher Rolle dem Diktator die Zukunft aus einem Satz Karten lesen.
Haußmann konfrontiert den
Zuschauer dabei gleich mit einer Flut von Personal: Zeisig trifft auf Wilhelm
Pieck, Herbert Wehner (aka Herbert Funk), Walter Ulbricht, Lotte Kühn, J.R.
Becher und andere deutsche Kommunisten. Um den Zuschauer historisch nicht zu
überfordern, stanzt Haußmann knappe Angaben zur Vita ins Bild. Das ist genauso
witzig wie die gallige Situationskomik des Films: Walter Ulbricht baut aus
Zuckerstücken „ach, nur so“ eine Mauer und wenn Zeisig zum ersten Mal Stalin
trifft, sitzt dieser auf der Toilette und dreht als Erstes das Wasser auf,
damit die knarzigen Rohrgeräusche die allgegenwärtigen Mikrofone austricksen. Aber
das ist auch das Einzige, das den Paranoiker mit den lebensgefährlich lebenden
Emigranten im „Hotel Lux“ verbindet: wenn Zeisig zum ersten Mal dem anderen
großen Führer begegnet, erschießt dieser nach dem Gespräch den in der Badewanne
hockenden Übersetzer. Zeugen werden nicht geduldet. Zeisig muss Russisch
lernen.
Vielleicht ist das auch das
Gelungene an Haußmanns Drahtseilakt: immer wenn die Gags andeuten, nun etwas
flacher zu werden, serviert uns der Regisseur einen Schlag in die Magengrube.
Jeder Witz, der entlastend wirken könnte, wird mit einer grausamen Pointe
ausgekontert. Haußmann nimmt nicht nur Zeisig, den Naiven, aber auch
Gerissenen, mit auf eine Reise in die Vergangenheit, sondern auch den
Zuschauer. Das richtig auszubalancieren, ist manchmal hart am Rande des guten
Geschmacks, aber es ist besonders Michael Herbig zu verdanken, dass diese Reise
ins „Herz des Bösen“ immer wieder positiv überrascht. Wie Herbig wider besseres
Wissen mit schnodderiger Schnauze den Selbstbewussten mimt, das hat schon
etwas. Er ist der Hofnarr, der langsam erwachsen wird, aber in seinem Herzen
die einfache Wahrheit von der befreienden Kraft des Lachens nicht hergibt. So
etwas könnte mit allerhöchstem Kitschverdacht in die Hose gehen, aber Herbig
meistert den Spagat souverän. Er ist die eigentliche Entdeckung dieses Films.
Und wenn am Ende auch Siggi
wieder auftaucht und Zeisig endlich Fridas Herz gewonnen hat, beginnen die
Köpfe erst richtig zu rollen, denn der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt
fordert neue Opfer. Noch einmal müssen die beiden Freunde ihre Paraderollen
auspacken und wenn dem Trio unter den Augen von Ribbentrop und Molotow dann die
spektakuläre Flucht gelingt, dann kann man Leander Haußmann nur zu diesem Film
gratulieren, denn eins hat man gelernt: die Bösen dieser Welt mögen kein
Tingeltangel.
Vielleicht landet „Hotel Lux“ ja auch deswegen mal im Kanon!
Vielleicht landet „Hotel Lux“ ja auch deswegen mal im Kanon!
Pressespiegel:
Alexander Cammann in „Die
Zeit“:
Die „Überblendung von historischer Realität
jenes Tages mit burlesk-surrealem Showdown zeigt für einen Moment immerhin, was
aus diesem Film hätte werden können, wenn womöglich jemand wie Helmut Dietl,
der ursprünglich an diesem Film saß, weitergemacht hätte....Die Schwäche des
Filmes ist handwerklich-künstlerisch. Angestrengt kokettiert Leander Haußmann
mit Vorbildern, ein bisschen Lubitsch, ein bisschen Tarantino. Aber ihm fehlt deren
Sinn für Timing und jenen Moment, der Komik erst entstehen lässt – alles ist
zwar temporeich erzählt, jedoch zu ungenau, ja schluderig. Schauspielerisch
bleiben folglich die meisten Darsteller unter ihren Möglichkeiten...Hotel Lux ist somit ein verblüffend humorloser Film,
ohne je ernsthaft zu sein...Wer sich dem Grauen nähert, muss ihm erkenntnisstiftende
Pointen abringen können, muss gewitzt sein. Helmut Dietl, bitte übernehmen Sie!“
Thomas Funke in „Critic.de“:
„Michael
Herbig, der als Regisseur und Darsteller die erfolgreichsten deutschen
Lustspiele der vergangenen Jahre zu verantworten hat, gibt unter der Regie von
Leander Haußmann diesen von den Zeitläuften geplagten Mann so, wie es sich für
eine Tragikomödie geziemt. Mal lustig, mal ernst. Aber nie schenkelklopfend.
Das ist für die Fangemeinde dieses außergewöhnlich vielseitigen Komikers möglicherweise
schwer zu schlucken...Leander Haußmann, der um die Lebenslügen der europäischen
Linken weiß, gelingt die schwierige Balance von politischer Farce,
Schelmenroman, Boulevardkomödie und Melodram. Die größte Überraschung des Films
aber ist Bully Herbig, der hier als Hans Zeisig eine ganz neue Seite zeigt.“
Kurze Gebrauchsanweisung:
den Abspann auf jeden Fall zu Ende gucken – es gibt noch einen Nachschlag!
Noten: BigDoc = 2